Helen Carter

Anwaltshure Band 1 | Erotischer Roman


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büßen. Und ich hatte eine beinahe panische Angst vor ihm. Ich begann zu zittern, wenn er nur in meine Nähe kam, bekam Schweißausbrüche, wenn ich seine Stimme hörte.

      Keine Gelegenheit ließ er aus, mich zu piesacken oder mich vor anderen bloßzustellen. All das genoss er offensichtlich auf eine unnachahmlich perverse Art und Weise. Himmel, wie ich diesen dürren Mann hasste!

      Jetzt hatte er sich wieder mich vorgenommen. Ich, der dümmliche, abstoßende Gegensatz zu seinem strahlenden Schoßhündchen. Innerlich wappnete ich mich und versuchte wegzuhören, so zu tun, als sei ich nicht da. Deshalb verkroch ich mich in meine Zeitschrift – »Gedruckte Abscheulichkeit«, wie Prince es nannte – und zwang die Tränen zurück, die mit Sicherheit gleich in meiner Kehle aufsteigen würden.

      »Wissen Sie …«

      An wen wendete er sich jetzt?

      »… es gibt Kollegen, bei denen ich mich frage, wieso sie eigentlich in unserem Beruf arbeiten!«

      Dramatische Pause. »Es scheint ihnen nämlich so gar nichts am gedruckten Wort zu liegen. Zumindest nicht am tiefsinnigen gedruckten Wort.« Abermals dramatische Pause. »Stellen Sie sich vor: Vorhin komme ich in eine meiner Lieblingsabteilungen …«

      Warum stand ich nicht einfach auf und ging? Weil es nichts brachte! Er hätte mich einfach woanders gekriegt. Also konnte ich auch gleich sitzenbleiben und mir meine Predigt sofort anhören.

      »… und was sehe ich am Boden liegen?« Er drehte sich mit weit geöffneten Augen im Kreise, wie ein Schmierenkomödiant, der sich des Erfolges seiner Pointe sicher sein will. »… einen kompletten Stapel Bücher. Zehn Stück mindestens. Keines unter dreißig Pfund Sterling!«

      Die Zuhörer brauchten eine gewisse Zeit, um die gesamte Tragweite zu begreifen und dann zu versuchen, den Schock zu überwinden.

      Schon lange konnte ich mich nicht mehr auf die Fotos konzentrieren. Längst war klar, dass alle Augen sich auf mich gerichtet hatten. Es war schließlich meine Hinrichtung. In meinem Magen wurde es ganz flau. Ich wollte wegrennen.

      All meine Qual trat vor mein inneres Auge: Ich sah mich selbst an diesem Resopal-Tisch sitzen, sah, wie ich erniedrigt wurde und mich nicht zur Wehr setzte, und ich sah mich wieder und wieder als das Opfer seiner selbstgerechten Angriffe!

      Nachher würden mich alle trösten, ihre Arme um mich legen und beruhigend auf mich einreden. Man würde mir Taschentücher reichen, über mein Haar streicheln und mir versichern, was Prince für ein Arschloch sei. Aber eben erst, wenn er wieder draußen war.

       NaturGesetze - Teil 4

      Es verletzte mich, dass niemand aufstand, um für mich Partei zu ergreifen und es verletzte mich noch mehr, dass es sich ständig wiederholte und ich diesen Bann scheinbar nicht brechen konnte. Aber was hielt mich denn ab? Nur das Geld?

      Dann würde ich eben alles hinschmeißen und heimfahren. Punkt. Aus. Fertig. Ich würde zu meinem Vater gehen und sagen: »Hallo, Dad, hier bin ich wieder! Die Versagerin, die mit weit aufgerissenem Maul und großen Ankündigungen, entgegen deinen Warnungen, mit ihren paar Kröten in die Hauptstadt gegangen ist und Schiffbruch erlitten hat.«

      Genau das war es! Ich musste mich hier demütigen lassen, um nicht zu Hause die wandelnde Blamage zu sein. In einem kleinen Ort nahm man sich eine solche Chance nur ein Mal im Leben. Entweder nutzte man sie und kam nie wieder zurück oder man versagte und …

      Ich musste da einfach nur durch, sagte ich mir. Irgendwann würde er die Lust verlieren, mich niederzumachen. Aber was würde bis dahin aus mir werden? Ein Häuflein Elend ohne einen Funken Selbstbewusstsein?

      »Man geht so nicht mit Büchern um, Miss Hunter«, donnerte es über mich hinweg.

      Jetzt war es raus! Er hatte meinen Namen ausgesprochen.

      »Ich weiß nicht, wie Sie mit ihrem privaten Lesestoff umgehen – und das interessiert mich ehrlich gesagt auch gar nicht – aber mit diesen Büchern hier, für die ich die Verantwortung trage, werden Sie …«

      Ich dachte an George. Und an den Typen eben im Laden. Die Bilder wirbelten durch meinen Kopf wie das Laub in Kensington Gardens. Ich konnte sie nicht fangen. Nicht halten. Aber sie waren da und erfüllten mich. Georges Blicke. Die Berührungen des Dunkelhaarigen. Ein äußerst erfolgreicher Anwalt und ein traumhaft aussehender Fremder hatten mich begehrt und genommen. Ganz so übel konnte ich also nicht sein. Zudem war mir ein Job für fünfhundert Pfund – wohlgemerkt: pro Abend! – angeboten worden!

      »Wieso, wenn Sie mir das mal erklären würden, wieso liegen diese Bücher am Boden?!«

      Dann geschah es! Überraschender als Schnee im Juli. Eine warme Welle sammelte sich in meinem Magen, zog aus allen Adern Kraft, bäumte sich wie ein lebendiges Wesen auf und brach plötzlich aus mir heraus.

      Eine gewisse Emma Hunter stand auf, klappte das Titelblatt ihres Magazins zu und stützte die Fäuste auf den Tisch. »Weil sie mir runtergefallen sind«, sagte sie ganz ruhig. Sie beugte sich ein klein wenig nach vorne. Kaum erkennbar für einen Außenstehenden, aber eine klare Kampfansage für einen gewissen Leo Prince!

      »Und warum sind sie Ihnen runtergefallen?« Seine Stimme schien sich nicht verändert zu haben. Noch immer war sie hochnäsig, rechthaberisch und oberlehrerhaft. Aber irgendwo darunter, unter diesen festgefügten Schichten, gab es plötzlich eine andere Nuance. Eine Nuance der Unsicherheit.

      »Weil ich am Regal von einem Typen gevögelt worden bin.«

      Jetzt saßen alle aufrecht. Wilde Blicke flogen durch den Raum wie der Quidditch-Ball bei Harry Potter. Ein paar männliche Kollegen feixten. Die Frauen waren geschockt oder wurden rot.

      »Sie wurden … was?«

      Das letzte Wort stürzte aus Prince’ Mund wie ein Bergsteiger vom Felsvorsprung. Man konnte es kaum noch hören. Es zerbrach. Zerschellte.

      Vollkommen ruhig betrachtete ich die Überreste. Dann legte ich meine Brotbox auf das Heft, obendrauf meine Wasserflasche und warf meine Tasche über die Schulter.

      »Ich wurde von einem Typen mitten in Ihrer Lieblingsabteilung gebumst. Im Stehen. Von hinten. Und dabei sind mir die Bücher runtergefallen.« Langsam schob ich den Stuhl unter den Tisch. »Und dieser Typ waren nicht Sie, Mister Prince!«

      In diesem Moment wurde mir klar: Ich konnte fliegen! Ich hätte nur die Arme ausbreiten müssen, um mich in die Lüfte zu erheben. Wenn ich mich umblickte, konnte ich die offenen Münder erkennen und einen Leo Prince, der gelähmt mit einem blutarmen Gesicht in den Seilen hing. Für immer dem Hohn und Spott seiner Kollegen ausgesetzt. Jeder kleine Lehrbursche würde hinter seinem Rücken kichern: »Und der Typ waren nicht Sie, Mister Prince.« Diesen Satz würden sie noch auf seinen Grabstein meißeln! Ganz London würde widerhallen vom Gelächter.

      Ich hatte meinen Trench angezogen und den Schirm aufgespannt. So tänzelte ich beinahe über den Gehweg in Richtung Straßenbahn á la Gene Kelly.

      Ernüchtert fiel mir dann allerdings auf, dass ich in diesem Laden mein Geld verdient hatte und dass Mister Prince noch immer Abteilungsleiter war und andere schikanieren konnte. Ich aber war pleite und arbeitslos.

      Ein eisiger Wind pfiff mir aus dem Eingang der Tube entgegen. Selbst Kragenhochziehen nützte nichts mehr. Ich blieb stehen. Wenn dieser Monat vorbei wäre, hätte ich nicht mal mehr das Geld, um mit dem Bus zu fahren …

      Aus und vorbei! Ich war erledigt. Ein verdammt teuer erkaufter Triumph! Gewiss, alle würden über Prince lachen, aber nur so lange, bis Prince sich den erst besten Lachenden schnappte, der sich dann auch überlegen musste, wie er ohne Job klar kam.

      So schluckte ich meinen Stolz hinunter, betrat ein Schuhgeschäft an der Gloucester Road und fragte, ob sie nicht eine Verkäuferin suchten. Man sah mich mitleidig an und verneinte.

      Ich wanderte von Tür zu Tür und hatte überall Pech. Nicht einmal als Putzfrau hatte ich Glück!

      Also fuhr ich in meine Wohnung, kaufte bei unserem indischen Tante-Emma-Laden noch