bis zu seinem Hintern, lebte er mit seiner Dienerin oder Sklavin, in einer alten Villa in Highgate.
Diese Villa war etwas ganz Besonderes. Betrat man sie, so hatte man das Gefühl, sich im neunzehnten Jahrhundert zu befinden. Durchschritt man aber eine bestimmte Tür im Obergeschoss, entstieg man scheinbar einer Zeitmaschine, die einen direkt ins Mittelalter versetzte.
Alexander war ein imposanter Mann, beeindruckend in jeder Hinsicht. Geistreich, sexy. Und er tat aus Prinzip nie das, was man von ihm erwartete. Seine erotische Vorliebe bestand in ausgeprägten BDSM-Praktiken, bei denen ich ihm aber gleich bei meinem ersten Besuch einen herben Schlag verpasste, als ich mich weigerte, eine Auspeitschung vorzunehmen. Scheinbar von meiner Ablehnung beeindruckt, entwickelte er eine gewisse Sympathie für mich, die durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.
Ich entschied, mich für unser Essen nicht ganz so extravagant zu kleiden, sondern eher damenhafte Eleganz an den Tag zu legen und wählte ein cremefarbenes Shiftkleid mit einer imposanten Brosche an der Schulter. Es hatte Dreiviertelärmel und einen kleinen Gehschlitz hinten. Dazu gab es einen passenden Mantel mit einem kleinen Pelzkragen, der perfekt zu dem herrschenden Wetter passte. So ergab ich das perfekte Abbild damenhafter Eleganz.
Als ich mich nun vor meinem großen Spiegel betrachtete, musste ich schmunzeln, denn meine Wahl war ein kleiner frecher Stich gegen Alexander, der schwarzes Leder und Latex bevorzugte.
***
Dass dies von Erfolg gekrönt war, erkannte ich, als man mich an seinen Tisch im La Calèche führte und ich sah, wie sein dezentes Lächeln ein wenig in Schieflage kam, als seine Augen an mir auf und ab wanderten.
Sein langes, rabenschwarzes Haar hatte er streng zurückgekämmt und hinten zu einem langen Pferdeschwanz zusammengenommen. Im ersten Moment war ich erschrocken, denn ich hatte befürchtet, er habe es abgeschnitten.
Nie zuvor hatte ich ihn außerhalb seiner Villa gesehen, und es kam jetzt einem kleinen Kulturschock gleich, als er – aus seiner mittelalterlichen Burg entstiegen – sich unter normale Menschen begab.
Dennoch schien er jene Aura zu haben, die ihn so faszinierend machte. Sie umgab ihn, wie ein Kokon. Und so verwunderte es mich auch nicht, dass er sich jetzt, anstatt mir die Hand zu geben oder mich auf die Wangen zu küssen, lediglich leicht verbeugte.
»Wie schön, dass du die Zeit gefunden hast, mich zu treffen.« Sein Lächeln glich dem eines Raubtieres, das bemüht war, sein Opfer in Sicherheit zu wiegen. Er deutete auf den Stuhl, der seinem gegenüber stand und ich setzte mich, nachdem der Kellner ihn etwas zurückgezogen hatte.
»Eine Einladung von dir kann man nicht ausschlagen«, erwiderte ich mit süffisantem Lächeln.
Wir wählten unsere Speisen und den Wein.
»Ich hörte, du hattest eine nicht ganz einfache Zeit …«, sagte Alexander.
Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Jays wundervolles Gesicht tauchte aus dem Nebel meiner Erinnerungen auf. Die wallenden blonden Locken … Plötzlich fürchtete ich, keinen Bissen mehr runterzukriegen, denn heiße Tränen stiegen in meinen Augen auf. Innerlich fluchend, wunderte ich mich, dass ich ausgerechnet jetzt und hier die Fassung zu verlieren drohte.
Sein Blick bohrte sich stechend in mich hinein. Doch dann legte er plötzlich seine Hand auf meine. Ich zuckte leicht zusammen ob der unerwarteten Nähe und der sanften Wärme.
»Es tut mir leid«, sagte er leise und ich wusste, dass er es ehrlich und aufrichtig meinte. Doch gerade diese Erkenntnis förderte meine Selbstbeherrschung nicht gerade. Also biss ich schmerzhaft auf meine Unterlippe.
»Und wie ist es dir so ergangen?«, sagte ich in etwas aufgesetztem Plauderton.
»Nun, ich kann nicht klagen.« Alexander reckte sich etwas, lehnte sich dann zurück und drehte mit ausgestrecktem Arm sein Glas um dessen eigene Achse.
»Ich habe es etwas vermisst … dich zu ficken.«
»Das lässt sich ändern«, erwiderte ich mit Blick auf sein perfekt geschnittenes Gesicht, das in den Katalog jedes erstklassigen Herrenausstatters gepasst hätte.
»Wir könnten nach dem Essen einen Drink bei mir nehmen«, schlug er vor.
Ich war alles andere als abgeneigt. Gerade wollte ich zustimmen, als der Kellner mit dem ersten Gang kam. Er stellte unsere Teller elegant und mit einem kleinen Schwung vor uns ab und wünschte »Bon Appetit!«
Es war Alexander, der den Mann zuerst bemerkte, der an unseren Tisch getreten war und stumm auf uns niederblickte, als sei er ein Soldat, der darauf wartet, dass ihm sein Vorgesetzter seine Aufmerksamkeit schenkt.
Alexander senkte die Gabel und schaute hoch.
Derek!
Groß gewachsen. Viel zu dünn und mit wirren dunkelbraunen Locken, die bis auf seine Schultern fielen. Sein Aufzug, blaue Jeans, weißes Hemd und schwarzes Jackett, passten nicht in die vornehme Umgebung des »La Calèche«. Er wirkte wie ein Bohemien, den man nur versehentlich eingelassen hatte.
»Ich habe ihm gesagt, dass ich dein Gast bin«, sagte Derek, Alexander ignorierend und gleichzeitig voraussetzend, dass ich wusste, von wem er sprach.
Alexander sah mich fragend an. Aber es war ein gespielter Gesichtsausdruck.
»Derek McLeod …«, sagte ich.
Alexander nickte und übernahm seine eigene Vorstellung. Er streckte Derek seine Hand hin und sagte: »Alexander …«
Ein kleines Zögern, dann ergriff Derek die Hand.
Ohne Zweifel – Derek hatte getrunken. Die wächserne Blässe in seinem Gesicht und der glasige Schimmer in seinen Augen sprachen Bände. Es ging ihm nicht gut. Aber was mich hätte beunruhigen sollen, hinterließ eine gewisse Zufriedenheit in mir. Ein glücklicher, werdender Vater und künftiger Ehemann sollte in meinen Augen anders aussehen.
»Hast du ihn schon gefickt oder kommt das erst noch?«, versetzte Derek bissig.
Gelassen schwieg ich. Nicht gewillt, meinem verflossenen Liebhaber eine Steilvorlage zu bieten, um einen deftigen Streit in meinem Lieblingslokal vom Zaun zu brechen.
Alexander hingegen rettete die Situation in einer vollkommen unerwarteten Weise. »Willst du dich nicht zu uns setzen?«, fragte er in umgänglichem Ton.
Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, setzte Derek sich direkt neben mich. Wobei er noch seinen Stuhl gegen meinen rückte. Mit einer solchen Machtdemonstration hatte ich nicht gerechnet.
Verblüfft schwebte meine Gabel über dem Salat. Zu gern hätte ich in diesem Moment gewusst, ob Alexander sich gerade prächtig amüsierte oder zu einem vernichtenden Schlag ansetzte.
Er blickte auf seinen Teller und aß seelenruhig weiter. Plötzlich aber sagte er: »Du kannst sie ruhig anfassen …«
Jetzt kam ich mir wirklich wie sein Besitz vor. Glühende Röte stieg in meinem Gesicht auf und ich sehnte mich nach einem Glas eiskalten Wassers. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich das leicht amüsierte Lächeln in seinem Gesicht und es ärgerte mich. Alexander schien ständig alle Fäden in der Hand zu halten und es kam ihm nicht einmal in den Sinn, dass das mal nicht so sein könnte.
Dennoch war mir klar, dass Derek, allein schon aus Prinzip, nicht auf diese Aufforderung eingehen würde. Und tatsächlich ergriff er lediglich die Karte, die der Kellner eilends herangebracht hatte, und studierte lustlos die fein geschwungenen Zeilen.
***
Das Essen verlief in tiefem Schweigen. Als wir den Espresso genommen hatten, legte Alexander seine schwarze Kreditkarte auf den Silberteller und reckte sich ein wenig. Unter seinen nach oben gerutschten Ärmeln sah ich das Spiel seiner Muskeln. Die prallen Adern, die sich unter seiner weißen Haut schlängelten. Ein Kribbeln ging durch meinen Unterleib. Nur zu lebendig waren die Erinnerungen, was diese Arme mit einem tun konnten, in welche Dimensionen diese Hände einen befördern konnten.
»Ich würde vorschlagen, wir begeben uns auf einen verfrühten Absacker