gerade so mancher von uns im Shutdown, wie schön Momente der Entschleunigung auch sein können. Vielleicht lässt sich etwas davon für die Zukunft mitnehmen.
Die Freiwilligkeit funktioniert eigentlich nur dann, wenn es einen sehr konkreten gemeinsamen Wunsch gibt, der zeitnah erreicht werden kann. So etwas gab es beispielsweise 1989, als die Bürger der damaligen DDR um ihre Freiheit kämpften. Das gemeinsame Ziel lag vor Augen und so wusste bei den Leipziger Montagsdemonstrationen jeder, dass er teilnehmen muss, weil erst eine große Menge von Menschen auch eine Wirkung erzielt und weil es für solche Demos gerade ein »Zeitfenster« gab. Die damalige Sowjetunion unter Gorbatschow griff nicht ein und weil gleichzeitig viele auf die Straße gingen, konnte dieses Kapitel der Geschichte friedlich geschlossen und ein neues aufgeschlagen werden. Hätte jeder Bürger argumentiert, dass es keine Rolle spiele, ob er mitmache, weil ja eh schon so viele andere dort seien, wäre am Ende genau niemand dort aufgekreuzt und die Mauer nie gefallen. Wieder ein Beleg fürs Addieren: Erst in Summe vieler wird etwas erreicht. So könnte es auch beim Klimaschutz sein, würden wir die Dringlichkeit und Wichtigkeit erkennen.
Es braucht Regeln – hart, aber ehrlich
Wir stellen fest, dass die freiwillige Verhaltensänderung nicht stattfindet und damit wird es etwas eng für uns. Es geht dann wohl nur unfreiwillig, sofern wir das ignorante Zerstören unserer Umwelt als Option für intelligente Lebewesen ausschließen. Wie wir »unfreiwillig« nun nennen, ist eigentlich egal. »Verbot« klingt unerfreulich, »Regeln für alle« schon besser. Diese sinnvollerweise in einem demokratischen Diskurs zu erringen am besten. Wenn wir so wollen, muss das Gleiche herauskommen wie bei unserer Gier. Wir müssen unser Verhalten lenken und uns austricksen. Aber bei diesem Thema haben wir schnell das Gefühl, dass Verhaltensregeln und sicher auch der ein oder andere Verzicht zum Schutz der Atmosphäre ein nahezu unerträglicher Eingriff in unsere Freiheit sind.
Aber mit der Freiheit ist das so eine Sache, denn die Freiheit des einen ist auch immer die Unfreiheit des anderen. Deswegen gibt es Regeln für unser Zusammenleben und damit überhaupt ein Staatswesen. Dem zugrunde liegt die Erkenntnis, dass Verbote manchmal unumgänglich sind. So wurde etwa verboten, betrunken Auto zu fahren, denn die Freiheit, das zu tun, ist eine große Gefahr für andere. Es wurde auch verboten, ohne Gurt zu fahren, was gut war, denn danach ging die Zahl der Verkehrstoten deutlich zurück – ein Erfolg, auch wenn er die Freiheit einiger, ohne Gurt zu fahren, einschränkt. Andere Regeln, wie die Einführung des Katalysators beim Auto oder der Filteranlagen in der Industrie, wurden ebenfalls per Gesetz erzwungen. Es hatte nicht länger jeder die Freiheit, nach eigenem Gutdünken Filter oder Katalysator einzubauen. Genau dadurch wurde beides zum Erfolg!
Die Geschichte hält noch mehr Beispiele parat: Nehmen Sie die Sklaverei. Wer einen Sklaven besaß, hatte die Freiheit mit ihm zu machen, was er wollte, während der Sklave selbst seiner Freiheit völlig beraubt war. Die Abschaffung der Sklaverei schränkte – etwas nüchtern geschildert – die Freiheit der Herren zugunsten ihrer vormaligen Untergebenen ein. Und als man später Arbeits- und Sozialgesetze einführte, verringerte das die Freiheit der Unternehmer. Der Kündigungsschutz verhinderte nämlich, dass man Arbeiternehmer grundlos entlassen konnte. Tarif- und Mindestlöhne wurden eingeführt und so ging die Freiheit verloren, die Bezahlung von Menschen unter das Existenzminimum zu drücken. Der Zwang, Sozialversicherungen mitzufinanzieren, schränkte wiederum die Möglichkeit ein, eine Notlage von alten und kranken Menschen auszunutzen. All dies waren Verbote und Regeln, die es vormals nicht gab und welche die Kosten steigen ließen. Das Ergebnis war aber, dass die Ausbeutung von Menschen eingegrenzt wurde. Freiwillig wäre davon nichts passiert.
Mit dieser Erkenntnis wird es nun ganz einfach: Ähnlich wie im Falle der ausgebeuteten Arbeiterschaft brauchen wir jetzt auch klare Regeln, um die Ausbeutung der Natur zu begrenzen! Das schränkt die Freiheiten Einzelner ein und kostet Geld, aber ist gleichzeitig gut für uns alle! Es gibt Tausende von Ideen, was man wo und auf welche Weise regeln kann – fast alles hat sein Für und Wider. All diese Ideen können im Folgenden nicht einzeln bewertet werden, sondern es geht vielmehr um grundsätzliche Erwägungen.
Marktwirtschaft oder Ordnungsrecht
Bei Regeln mit Lenkungswirkung gibt es immer zwei Möglichkeiten. Zum einen kann man etwas schlicht verbieten. Der Vorteil: Es ist gerecht, denn es trifft jeden gleich. Der Nachteil: Den Menschen Verbote auf eine Art zu vermitteln, dass sie einsichtig sind und dieses mehrheitlich akzeptieren, ist nicht gerade leicht, weshalb dieser Schritt vor einer hohen Hürde steht. Covid-19 konnte diese Hürde mühelos überspringen, denn fast jeder hat die Notwendigkeit von Verboten rund um das Virus recht zügig verstanden, zumindest zu Beginn der Maßnahmen. Die andere Möglichkeit liegt in der Lenkung durch Preise. Das ist einfacher zu vermitteln, aber weniger gerecht. Der Reiche, der im Schnitt mehr emittiert, wird dann weniger eingeschränkt als der Ärmere, obwohl dieser in deutlich geringerem Maße für den Klimawandel verantwortlich zeichnet. Bei einem solchen Ansatz müssen also flankierend Geldflüsse von Reich nach Arm erfolgen.
Um eine angemessene Wirkung bezogen auf das gesetzte Ziel zu erreichen, brauchen Preise die richtige Höhe. Die Bundesregierung hat ihre anfänglichen 10 Euro pro Tonne CO2 im Klimaschutzpaket nun auf 25 Euro angehoben und will den Preis ab 2026 zwischen 55 und 60 Euro positionieren. Die Gruppe Scientists for Future sieht 180 Euro als notwendigen Betrag. Dieser Preis beruht auf Berechnungen des Umweltbundesamts (UBA) nach der sogenannten Methodenkonvention 3.0 zu den Folgeschäden unserer Emissionen.
Emissionshandel und weitere Instrumente
Mit dem Emissionshandel, wie er seit 2005 als einer der flexiblen Mechanismen des Kyotoprotokolls in der EU eingeführt wurde, hatte die Politik einen lobenswerten und überfälligen Paradigmenwechsel vollzogen. Die Idee, dass die Atmosphäre ein freies Gut sei, das jedermann beliebig zumüllen durfte, wurde von einem Prinzip der Verknappung abgelöst. Erstmals musste das Recht, CO2 in die Luft zu blasen, beantragt und über entsprechende Zertifikate für kontingentierte Mengen genehmigt werden. Zur Teilnahme am Emissionshandel verpflichtete man Unternehmen mit besonders hohem spezifischen Ausstoß, maßgeblich aus Energiewirtschaft, Eisen-, Stahl-, Zement-, Papier- und chemischer Industrie. Im Handelszeitraum von 2013 bis 2020 waren es in Deutschland 1 900 solcher Firmen, die ihre Emissionen jährlich bei der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) melden mussten und ihrerseits mit den zugeteilten Zertifikaten international handeln durften.
Die Idee markierte zwar einen Fortschritt gegenüber dem vorigen Laissez-faire, doch war sie anfangs schlecht umgesetzt. Denn um die energieintensiven Industrien vor Konkurrenznachteilen zu schützen, verteilte die Politik kostenlose Zertifikate, deren Volumen man überdies noch für ein deutlich überhöht angenommenes künftiges Wachstum nach oben »korrigiert« hatte. Der Markt war geflutet mit Verschmutzungsrechten, ihr Preis verfiel rapide und der beabsichtigte Druck auf die Industrie, sich in Richtung Effizienz und Einsparung zu entwickeln, löste sich in Luft auf. Ein klassischer Fall von Marktversagen, unter dem das System bis in die aktuelle Handelsperiode leidet, denn noch immer müssen diese überflüssigen Zertifikate abgefischt werden.
Immerhin hat die EU für diesen Zeitraum die Spielregeln für alle Mitgliedstaaten weitgehend angeglichen und zumindest der Stromsektor muss mittlerweile seine Zertifikate vollständig über Auktionen einkaufen. Ebenso wurden nun alle Treibhausgase einbezogen, also auch Lachgas und perfluorierte Kohlenwasserstoffe. Zwar erhalten Industriebranchen und Wärmeproduktion noch immer kostenlose Kontingente, aber sie müssen sich dem Wettbewerb untereinander stellen, da die Menge der Zertifikate sich daran orientiert, wie viel Treibhausgase die europaweit effizientesten 10 Prozent aller Anlagen eines Sektors pro Tonne des jeweiligen Produkts abgeben. Die Gesamtzahl der Berechtigungen nimmt dabei jährlich um gut 1,7 Prozent ab. Seit 2012 erstreckt sich der Emissionshandel auch auf den Flugverkehr mit Start- oder Landepunkt innerhalb der EU, dieser Anwendungsbereich wird 2020 überarbeitet. Da auch hier zahlreiche Geschenke und Ausnahmen gemacht wurden – 85 Prozent der Zertifikate waren kostenlos und bis 2016 wurden nur innereuropäische Flüge eingebunden – blieb die Wirkung minimal. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel investiert die Bundesregierung in Klimaschutzmaßnahmen in den Kommunen, der Wirtschaft und bei den Verbrauchern, zum