ich oft in mehreren Etappen zeitaufwendig breite Straßen überqueren und darf zwischendrin mehrmals eine ganze Blechlawine beobachten, die endlos an mir vorbeizieht. Warum?
Und noch ein schnelles »Warum?«: Deutschland hat immer noch kein generelles Tempolimit auf Autobahnen – 70 Prozent unseres Netzes sind ohne Begrenzung. Einfacher als mit Tempo 130, vielleicht nachts stellenweise auch 150, sind etwas Klimaschutz und mehr Verkehrssicherheit nicht zu haben. Und wenn 71 Prozent der Menschen sich Sorgen wegen des Klimas machen und sich eine Mehrheit sogar für diese Begrenzung ausspricht, dann ist es wahrlich absurd, hier stoisch jedes Handeln zu verweigern. Am 14. Februar 2020 ist das Tempolimit ein weiteres Mal im Parlament gescheitert. Wer es unter 250 Kilometer pro Stunde nicht aushält, soll gerne alternativ die Möglichkeit bekommen, mal über eine Rennstrecke zu brausen und sich auszutoben … am besten mit einem E-Auto.
Retourenwahn und Lastkraftwagen
Man könnte nun weiter machen mit Retouren: Wie kann es sein, dass Artikel bestellt, zurückgeschickt und aus Kostengründen in Originalverpackung vernichtet werden? Das ist tatsächlich billiger, als sie zu lagern, aber nur, weil sie zuvor auf Kosten von Natur und Menschen in der dritten Welt produziert wurden. Das gehört verboten und es ist erfreulich, dass die Politik hier in Gestalt der Umweltministerin tätig wird.
Bei dieser Gelegenheit: Wie viele Lkw sollen eigentlich noch auf unsere Autobahnen und auf die immer weiter ausufernden Rastplätze geschickt werden? Aufgrund der niedrigen Transportkosten ist im Umkehrschluss ein Lager zu teuer. Also lagert man rollend auf der Straße und die Kosten, wie zum Beispiel die Überbeanspruchung der Autobahnbeläge, trägt die Allgemeinheit. Zahlreiche Baustellen lassen grüßen. Der Grund auch hier: ein falscher Preis, der durch Regeln korrigiert werden muss.
Immobilien und Energiewende
Hier könnte man ewig weiter machen, aber ich denke, das Prinzip sinnvoll lenkender Regeln ist deutlich geworden. Zwei große Punkte gibt es aber noch: die Immobilien und die Energiewende.
Heizen und Kühlen von Gebäuden sind der energetisch relevanteste Teil des privaten Energiebedarfs, allein das Heizen ist für 28 Prozent der deutschen Pro-Kopf-Emissionen verantwortlich. Menschen sind aber passiv und so braucht es die Ansprache. Wer durch einen Energieberater professionell erklärt bekommt, wie er Energie und Geld bei sich zu Hause sparen kann, wird fast sicher interessiert sein – sich aus eigenem Antrieb zu informieren, fällt vielen hingegen schwer.
Zur Energiewende an dieser Stelle nur ein Satz: Sie muss dringend vorangetrieben werden. Wenn man Regeln aufstellt, die beispielsweise die wichtige Windenergie in Deutschland ins Aus schießt und viele Arbeitsplätzen gleich mit, dann tut man wieder das Gegenteil von dem, was man möchte. Und bald stehen wir wieder da und staunen über irrwitzige Kosten durch neue Unwetterschäden – schlau ist das nicht. Dazu später in den Kapiteln »Energieverbrauch runter, Grünstrom rauf« und »Richtig einheizen und mit dem Klima warm werden« zu Strom und Wohnen mehr.
Natürlich ist es von großer Wichtigkeit, die Energiewende möglichst im europäischen Verbund zu gestalten. Aber bekanntermaßen gibt es in den 27 EU-Staaten wieder höchst unterschiedliche Auffassungen und wenn die Dinge am Ende nicht wie bei unseren internationalen Klimakonferenzen laufen sollen, wo die Bremser den Takt vorgeben, dann muss ein Land notfalls auch selbst den Mut haben, voranzugehen. Denn andere werden folgen, da sich ihre Situation mit rückwärtsgewandtem Verhalten auch nicht dauerhaft bessert. Nicht von selbst tätig zu werden, ist so ein bisschen, wie zu zweit in einem Boot zu sitzen, das ein Leck hat: Wenn man bemerkt, dass man sinkt, bevor man die Küste erreicht, ist es sinnvoll, zu handeln und Wasser aus dem Boot zu schöpfen. Auch dann, wenn der Mitreisende untätig bleibt. Deswegen selbst auch nichts zu tun und dann mit unterzugehen, ist nicht besonders intelligent.
Regeln, notfalls Verbote, sind also notwendig, das ist anhand dieser wenigen Beispiele offensichtlich. Kontraproduktiv wäre allerdings, uns jeden Tag mit neuen Vorschlägen zu übertreffen, was man für den Klimaschutz alles verbieten könnte. So entsteht sonst schnell der Eindruck, da säße jemand mit einer Liste von Dingen, die uns Freude machen, und arbeitet diese dann aus einer diffusen Lust an der Angst ab. Silvesterfeuerwerk, Grillen am Wochenende, Skifahren und vieles mehr soll mit Hinweis auf Umweltschädlichkeit »ausgemerzt« werden. Eine Vielzahl von Menschen auf diese Weise mitzunehmen kann nicht gelingen; sturer Trotz und genervte Ablehnung werden die Reaktion sein. Kurz: nutzlos!
Fridays for Future – die junge Generation
Die ältere Generation unterschätzt die junge, das war noch nie anders. Der heutigen Jugend wurde oft vorgeworfen, sie interessiere sich für nichts, das über den Bildschirm ihres Handys hinausgeht. Weit gefehlt, und so staunen viele nicht schlecht, wie schnell eine Jugend politisch werden kann, wenn sie ein Thema wirklich betrifft. Die jungen Leute wissen, dass sie den Folgen des Klimawandels, den ihre Eltern und Großeltern ausgelöst haben, am längsten und stärksten ausgesetzt sein werden. Und sie sehen, dass der Großteil der Menschen trotz dieses Wissens nichts verändert – im Gegenteil, wie mehrfach schon gezeigt – und dass die Politik sich immer noch zu wenig bewegt.
Um darauf aufmerksam zu machen, stehen sie nun gemeinsam (!) auf der Straße oder versammeln sich im Zuge der Coronakrise im Internet. Und zwar sinnvollerweise an einem ihrer Arbeits-, also Schultage. Arbeitnehmer führen ihre Streiks auch nicht in der Freizeit durch. Wen sollte so etwas beeindrucken? Und die Jugend beeindruckt wirklich, denn nur sie ist es, die derzeit in der Politik den Anstoß gibt, das Thema Klimawandel mit vorne auf die Agenda zu setzen. Und einiges passiert ja auch, aber es darf und muss eben viel mehr werden.
Als ich den Vorgänger dieses Buches, Gute Aussichten für morgen, schrieb, formulierte ich den Satz, der Klimaschutz brauche eine Ikone. Heute haben wir sie – in Gestalt einer jungen Frau aus Schweden namens Greta Thunberg, die übrigens um einige Ecken mit dem Chemienobelpreisträger Svante Arrhenius verwandt ist, der 1896 erstmals auf die Treibhauswirkung des Kohlendioxids hinwies. Ein Problem sah Arrhenius im Temperaturanstieg damals jedoch noch nicht, sagte er doch sinngemäß, dass man sich in Zukunft darauf freuen dürfe, in einer wärmeren und stabileren Umwelt leben zu können.
Wie beim Zusammenbruch der DDR, muss die Zeit für etwas reif sein und so war es auch bei Greta. Anstatt weiter zur Schule zu gehen, machte sie mit einem Plakat vor dem Parlament auf die Klimakrise aufmerksam und wurde dabei wirklich beachtet. Der Grund: Durch die Haptik des Klimawandels, also die spürbaren Wetterveränderungen, war eben die Zeit für das Thema gekommen … und in Schweden standen Wahlen an. Hätte sie zwei Jahre vorher in gleicher Weise dort gesessen, hätte mutmaßlich alles ein jähes Ende gefunden. Mit einem Klassenbucheintrag und einer Standpauke.
So aber versammelt sich die Jugend der Welt hinter ihr und erreicht durch ihre Authentizität und Klarheit direkten Zugang zur internationalen Politik. Dabei mischt sich Greta nie in die Politik ein, sondern sagt im Grunde nur einen einzigen und sehr vernünftigen Satz: »Politiker dieser Welt, hört auf die Wissenschaft und handelt danach.« Auf dem großen Parkett hört man ihr zu, lobt sie, klatscht und … tut trotzdem noch viel zu wenig, wie auf der Klimakonferenz 2019 in Madrid zu sehen war. Die Gründe dafür wurden bereits erläutert. Die Jugend hat, so sie denn wirklich etwas erreichen will, noch viele Hürden zu nehmen und es ist wichtig, dass die oben genannte Authentizität und Klarheit ihrer Ikone erhalten bleibt. Dabei ist es wichtig, den Einfluss der PR-Leute zu begrenzen. Denn die schwirren ganz automatisch wie Satelliten um bedeutende Persönlichkeiten herum und haben mit ihren meist gut gemeinten Ideen schon so manches ursprünglich gute Image ruiniert.
Erfreulich ist, dass sich hinter den jungen Leuten auch Wissenschaftler als Scientists for Future versammeln. Sie spielen eine wichtige Rolle, muss das Thema doch – auch für die sichere Argumentation gegenüber Zweiflern – inhaltlich gut unterfüttert sein. Mindestens genauso wichtig ist, dass sich Teile der älteren Generation unter Namen wie Parents for Future oder Grandparents for Future anschließen, denn einen Generationenstreit vom Zaun zu brechen ist das Sinnloseste, was wir tun können. Das würde nur Zeit und Energie verschwenden und ob wir uns streiten oder nicht, ist dem Planeten und seiner Physik bekanntlich vollkommen