weiterhin verbesserungswürdig, doch dürfte er einen wesentlichen Anteil daran haben, dass die deutschen Emissionen bereits 2019 stärker zurückgegangen waren als zunächst geschätzt. Man kann dies aber auch so lesen, dass ein stärkerer Gesetzesrahmen uns den notwendigen Klimaschutzzielen noch deutlich schneller nahebringen würde. Tatsächlich gehen die Überlegungen der EU-Kommission genau in diese Richtung. Bislang wurden die energieintensiven Branchen geschont, auch um zu verhindern, dass sie aus der EU abwandern und mit ihren Emissionen lediglich andernorts das Weltklima belasten – der sogenannte »Carbon-Leakage-Effekt«. Nun könnten bald CO2-intensive Produkte beim Import an den Außengrenzen der EU mit einem Aufpreis belastet werden (»Border Carbon Adjustment«), der sich nach der Höhe ihrer Klimaschädlichkeit richten würde.
Wie auch immer solch ein Ansatz ausgestaltet wird – als Steuer, Zoll oder in anderer Form – eines zeichnet sich bereits ab: Die Emissionsgeschenke an die Hochverbraucher innerhalb der EU sind mit einem solchen Aufschlag für Importeure nicht mehr vereinbar und ihre Zeit dürfte sich dem Ende neigen. Damit müssten die Produzenten ihre Effizienz endlich unabhängig von ihrem Standort steigern. Es sieht so aus, als ob sich das Blatt doch noch in die richtige Richtung wendet, denn nicht eine billige oder teure Tonne CO2 entlastet das Klima, sondern nur eine, die nicht produziert wird. Allerdings, auch hier lernen wir aus der Coronakrise: Der CO2-Preis ist aufgrund der stark geminderten Produktion und folglich mangels Nachfrage nach Zertifikaten rapide in den Keller gegangen. Dort dürfte er nach Einschätzung des Brüsseler Think Tanks Centre on Regulation in Europe (CERRE) wegen der wirtschaftlichen Unsicherheiten auch noch auf einige Zeit bleiben. Dies offenbart eine typische Schwäche rein marktwirtschaftlich konstruierter Mechanismen: Zum einen richten sich ihre Preissignale nach der Konjunktur, nicht nach der Physik. Zum anderen entsteht dadurch dem Prinzip nach ein endloses Pendeln – sinkt der Preis, steigen die Emissionen wieder. Das letztliche Ziel sollte aber kein ewiges Auf und Ab des CO2-Ausstoßes sein, sondern eine konstante Senkung bis auf null – und das noch innerhalb der nächsten Jahrzehnte.
Parallel zum Emissionshandel auf EU-Ebene, der nur etwa 45 Prozent aller Emissionen erfasst, führt Deutschland ein eigenes System der CO2-Bepreisung ein, das alle Produkte und Konsumenten einbinden soll – ein Ergebnis der Verhandlungen zum Klimapaket. Um nicht jedes Produkt im Detail behandeln zu müssen, soll diese Steuer weit oben in der Lieferkette erhoben werden, beispielsweise bei den Treibstoffherstellern, sodass sie ihre Wirkung im ganzen nachfolgenden Preisgefüge entfaltet. Der Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne CO2 ab 2021 lässt allerdings keine echten Ambitionen erkennen. Laut den bereits erwähnten Zahlen des Umweltbundesamtes verursacht eine Tonne CO2 Schäden von rund 180 Euro, wonach die deutschen Treibhausgasemissionen 2016 Gesamtkosten von rund 164 Milliarden Euro zu verschulden hatten. Entsprechend hatten Volkswirtschaftler im Sinne einer deutlichen Lenkungswirkung einen Einstiegspreis von 80 Euro gefordert. Aus der Geschichte des Emissionshandels konnte man bereits ersehen, dass zu niedrige CO2-Preise eben kein Signal an die Marktteilnehmer senden. Sie sind sogar in zweifacher Hinsicht schädlich, indem sie Industrien, wenn auch nur in geringem Maße, belasten, dem Klima aber nichts nützen – Sprengstoff für die öffentliche Akzeptanz.
An dieser Stelle lohnt sich ein Blick auf unsere Nachbarn, die Schweiz und Schweden: Die Schweiz hat sich 2008 für eine nationale Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe entschieden, die heute 96 Schweizer Franken pro Tonne CO2 beträgt. Die Gelder werden zu einem Drittel in Maßnahmen und Förderungen zur Gebäudesanierung gesteckt, der Rest geht direkt an die Steuerzahler zurück. Dadurch will die Schweiz eine angepeilte Reduktion des CO2-Ausstoßes zu mindestens 60 Prozent im Inland erreichen. Schweden hingegen hat bereits 1991 eine CO2-Steuer in Höhe von 30 Euro je Tonne eingeführt – also schon vor 30 Jahren mehr, als wir uns heute zutrauen. Inzwischen ist der Preis bei 115 Euro angekommen. Die Skandinavier haben diesen für manchen hierzulande schier undenkbaren Vorgang offenbar gut überstanden und wollen bis 2045 klimaneutral sein. Ölheizungen gibt es so gut wie keine mehr, geheizt werden Häuser dort mittlerweile größtenteils über Wärmepumpen. Man muss aber auch ehrlich darauf hinweisen, dass Schweden neben viel Wasserkraft auch noch einen hohen Anteil von Atomstrom nutzt, doch die Einnahmen aus der CO2-Steuer werden genutzt, um den Ausbau der regenerativen Energien vorantreiben.
Inlandsflüge verteuern
Nehmen wir als konkretes Beispiel für falsche Preise die Inlandsflüge in Deutschland. Sie finden täglich zu Hauf statt und der Kurzflug emittiert besonders fleißig. Die erste Frage muss also lauten: Braucht es so viele Flüge, wenn man doch mit der Bahn nahezu auf jeder Strecke im Land von Tür zu Tür oft ähnlich schnell unterwegs ist? Die zweite Frage muss lauten: Ist es auch nur annähernd zu erklären, dass oft die Taxifahrt zum Flughafen das Teuerste an der Flugreise ist? Erst für 70 Euro von der Münchener City zum Flughafen und dann für 29 Euro weiter nach Hamburg? Solche Preise sind zutiefst verantwortungslos. Natürlich reist man bei einem solchen Preis per Flugzeug von München nach Hamburg. Da muss man einfach zugreifen! Und in Sachen Natur- und Klimaschutz wird eben mal ein Auge zugedrückt. Wenn man Inlandsflüge nicht gleich verbieten will, dann müssen klare Regeln für Vernunft sorgen und absurde Preise verhindern.
»Warum nicht Flugkilometer wie Taxikilometer bepreisen?«, schrieb mir kürzlich ein Zuschauer! Interessante Idee, dann würden die 600 Kilometer, die zu fliegen sind, rund 900 Euro kosten – ein Preis von rund 1,50 Euro pro Kilometer ist in Deutschland fürs Taxifahren realistisch angesetzt. Und schon – versprochen – wird weniger geflogen und weniger emittiert. Ein Erfolg! Und es ist nicht unfair, denn umweltfreundliche Alternativen sind mit der Bahn ja da. Und wer 900 Euro ausgeben will, kann das ebenfalls tun. Vielleicht gehört aber gerade der Inlandsflug zu den Dingen, die in einer Post-Coronazeit von uns allen gemeinsam mit mehr Vernunft angegangen werden.
Das Elend auf vier Rädern
Ein anderes Reizthema: sehr große Autos mit hohem Verbrauch. In Innenstädten stehen sie überdies vorwiegend recht nutzlos in der Gegend und vergeuden Platz. Wenn man das als Gesellschaft nicht möchte, muss man dafür sorgen, dass die Nutzung eines solchen Autos besonders unpraktisch und teuer wird. Hubraum, CO2-Ausstoß, aber auch Abmessungen und Gewicht des Fahrzeugs müssten in die Steuer einfließen, die exponentiell steigt. Quasi »Verteuern durch Versteuern« und dann ein Gesetz einführen, das ermöglicht, Steuergelder für bestimmte Zwecke zu binden, etwa für den Ausbau des ÖPNV. Auch eine City-Maut zu erheben und gleichzeitig kostenlosen ÖPNV vom Park and Ride bis in die Innenstadt anzubieten, führt zu einer Lenkung. Außerdem müssen nicht die Parkplätze an riesige Autos angepasst werden, sondern die Autos an den verfügbaren Platz. Wer also ein Riesenauto will, darf gerne viel Zeit und Nerven bei der Parkplatzsuche verlieren. Vielleicht motiviert das dann zum Umstieg auf Bus und Bahn. Das wäre genau solch ein kleiner Beitrag jedes Einzelnen zu dem, was wir in Summe wollen: eine Umwelt, die uns nicht unter den Fingern zerrinnt.
Erfreulich ist da übrigens, dass jüngere Leute längst nicht mehr so aufs Auto »abfahren« wie die heutige Generation über 40. Das lässt in der Zukunft sicher ganz von selbst etwas mehr Verkehrsberuhigung erwarten. Genauer kommen wir darauf im Kapitel »Um die Welt – um jeden Preis?« zur Mobilität zurück. Wichtig aber: Wir neigen dazu, viele Dinge aus Sicht großer Städte zu beurteilen. Doch gibt es im ländlichen Raum Gegenden, wo das Auto fast die einzige Möglichkeit von Mobilität ist, zumal wenn es schnell gehen soll oder schwere Lasten zu transportieren sind. Für Pendler vom Land in die Stadt müssen Park-and-ride-Plätze und ein guter ÖPNV angeboten werden, damit sie überhaupt umsteigen können. Würde man hier nichts unternehmen, in der Stadt aber gleichzeitig schon Parkraum reduzieren und Fahrspuren anderweitig freigeben, ginge natürlich etwas schief. Dann entstünden nur noch mehr Stau und Verschmutzung, was man ja eigentlich vermeiden wollte. Kurz: Alternativen müssen verfügbar sein und die Reihenfolge ihrer Implementierung bei der Verkehrswende ist unbedingt zu beachten.
Es lohnt ein Blick nach Holland oder Dänemark, wo man uns oft weit voraus ist. Venlo oder Kopenhagen sind echte Radfahrstädte, wie ich es selbst bezeugen kann! Man kommt schneller voran als jedes Auto und praktische Lastenfahrräder sind reichlich zu sehen. Und in beiden Ländern ist man nicht deshalb so radelfreudig, weil da immer so gutes Wetter herrscht, sondern man hatte den Mut, Infrastruktur und Ampelschaltungen an Radlern und Fußgängern auszurichten.