wäre für die Gesellschaft aber ein politisches Zeichen, ein Konsens. Eine globale Verabredung darüber, dass man sich einig ist, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein nachhaltiges Wirtschaften planbar und gewinnbringend zu gestalten. Ein Emissionshandel für alle, der etwa den CO2-Ausstoß in ausreichend hoher Weise bepreist, sodass wirklich eine Lenkungswirkung entsteht, ist ein vernünftiger Ansatz. Bisher gilt für diese Form des Handels eher »gut gedacht, schlecht gemacht«, weil die Vergabe viel zu vieler kostenloser Zertifikate und die zahlreichen Ausnahmen vom Handel das System binnen Kürze völlig durchlöchert hatten.
Ganz ohne Moralisieren oder Ideologie kann man den Klimawandel mit diesem mächtigen Werkzeug bekämpfen: Geldströme steuern und dadurch schnell für nachhaltige Technologien sorgen, die dann als Investitionsziel und Kapitalanlage erkannt werden! Dann wird jeder, der nichts weiter tut, als seinen Alltag zu leben – und genau das tut die Masse der Menschen nun einmal –, automatisch umweltfreundlicher. Hier sitzen die großen Hebel erfolgreichen Umgangs mit dem Klimawandel!
Die Gier lenken
Gier steckt in uns allen und der Kapitalismus fördert sie. Diese Gier hat 2008 zur weltweiten Finanzkrise geführt, die mit der Lehman-Pleite begann. Schnell erkannte man, welch schreckliche Fehler unser Finanzsystem enthielt, und beschloss, dass von nun an alles ganz anders werden muss. Im Umfeld des weltweiten Börsenhandels mit seinen exorbitanten Bonuszahlungen ist bis heute allerdings vieles geblieben, wie es immer war – mal abgesehen vielleicht von größerem bürokratischem Aufwand für jene Banken, die am damaligen dramatischen Schaden durch ihr Anlageverhalten gar nicht beteiligt waren. Die Gier hat gewonnen, weil sie in uns steckt. Die Vernunft, die gegensteuern muss, hat verloren. Moralisch bedauerlich, aber eine Tatsache. Wir können unsere Gier nicht abschaffen und sollten keinen Kampf führen, den wir ohnehin nie gewinnen werden. Vielmehr müssen wir die Gier lenken, sie ausnutzen und quasi hinterlistig mit uns selbst sein. Wäre es nicht allemal besser, wenn jemand dadurch richtig reich würde, dass er die Umwelt sauber hält, anstatt ihr zu schaden? Um das zu erreichen, benötigen wir Regeln, die unser Verhalten steuern. Sich auf solche Regeln weltweit politisch zu einigen, sollte die Aufgabe bei den großen Klimakonferenzen sein. Wie lenken wir Kapital in eine von der Weltgemeinschaft gewünschte Richtung? Soll doch die Gier das grüne Geschäft beleben, wenn wir sie schon nicht beseitigen können!
»Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Windmühlen und die anderen Mauern«, sagt ein kluges chinesisches Sprichwort. Der größte Vermögensverwalter stellt nun Windmühlen auf. Denn die Anleger entwickeln rasant ein Bewusstsein dafür, dass der Klimawandel sich massiv auf das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand auswirkt, und dass diesem Umstand nun Rechnung getragen werden muss. Der Klimawandel wird dadurch zur Triebfeder für eine tief greifende Veränderung bei der Risikobewertung von Anlagen und vorausschauende Investoren planen eine wesentliche Umschichtung des Kapitals.
Unternehmen, die Billionen Dollar an Vermögen verwalten und damit jeden Tag (!) Millionen Dollar Gewinn einfahren, besitzen erhebliche Macht. Ob das in Ordnung ist, will ich hier nicht bewerten, sondern auf die enorme Hebelwirkung – »Leverage«, wie die Banken das nennen – hinaus, die entsteht, wenn ein solches Unternehmen auf Nachhaltigkeit setzt. Was auch immer die Triebfeder der Akteure ist, ob blanke Gier oder nur der Wunsch, in zinslosen Zeiten den Ruhestand zu sichern – hier werden die Weichen dafür gestellt, dass an Schlüsselstellen Kapital für grüne Technologien zur Verfügung steht.
Ein solcher Weg, begonnen durch einen marktmächtigen Konzern, hat nebenbei auch zur Folge, dass Investoren die wirtschaftliche Unzulänglichkeit einer rückwärtsgewandten Investition aufgezeigt wird, da sich die Anleger über kurz oder lang abwenden werden. So können die Kapitalströme – quasi durch einen Schubs – immer mehr in nachhaltige Unternehmen fließen. Schon heute wächst der Anteil »grüner Anlagen« erkennbar: In Großbritannien haben sie 2018 gegenüber dem Vorjahr um 34 Prozent zugenommen, im deutschsprachigen Raum sogar um 45 Prozent statt um vergleichsweise niedrige 9 Prozent wie noch im Jahr davor. Ökologisch, sozial und langfristig sind Stichwörter für die Anlageform, die sich viele Menschen, deren Kapital in Summe nicht zu unterschätzen ist, wünschen. Doch eins muss uns klar sein: Dieser Hebel wirkt nur, wo Profit lockt. Unterprivilegierte Länder, die jetzt schon schier unter den Kosten des Klimawandels zusammenbrechen, versprechen da wenig und sind dieser Form des Kapitals – leider ziemlich wurscht. Also hat auch dieser wichtige Gedanke nicht nur Vorteile, sondern muss ein Element unter vielen sein.
Der Schlaue greift nicht zu
Daher zum zweiten großen Hebel, der ebenfalls mit einer dafür notwendigen politischen Einigkeit auf der großen Bühne zu tun hat und auf dem ungewöhnlichen Wege des »Nichtstuns« zu einem Erfolg werden könnte. Durch den Klimawandel zieht sich das arktische Eis zurück, wodurch wir plötzlich Zugriff auf Diamanten, Zink, Kupfer, Platin und seltene Erden haben, die etwa für die Produktion von Smartphones und Autobatterien erforderlich sind. Und vor allem auf etwa 90 Milliarden Barrel Erdöl – die eine unglaubliche Geldsumme bedeuten. Greifen wir hier zu, werden wir das Problem verschärfen, gegen das wir eigentlich vorgehen wollen. »Nichtstun« wäre die vernünftige Lösung, also die Vorräte im Boden lassen und konsequent auf erneuerbare Energieträger setzen. Dieser Schritt braucht – wie oben erwähnt – natürlich politische Einigkeit, wieder ein mögliches Thema für eine internationale Klimakonferenz. Ohne diese Einigkeit landen wir in einer Art »Tragik der Allmende«, also in einer Tragik des gemeinschaftlichen Eigentums.
Die Arktis ist ein Sinnbild dafür, denn es gibt bis heute keinen klaren »Besitzstatus«. Nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 haben die Anrainerstaaten des Nordpolarmeeres mit Gebieten nördlich des Polarkreises gewisse Hoheitsbefugnisse: Norwegen, Dänemark, Island, Russland, die USA und Kanada. Der Rest ist – wie gesagt – unklar. So investiert etwa China Milliarden in der Region, um mit Unterstützung Russlands am großen Geschäft mitverdienen zu können. Schaffen wir es nicht, gemeinsam und geschlossen die Finger von solchen »vergifteten Geschenken« zu lassen, ist in einem System, das noch immer die Zerstörung des gemeinschaftlichen Eigentums finanziell belohnt, derjenige der Dumme, der nicht zugreift!
Muss nicht auch jeder selbst etwas ändern?
In den letzten Abschnitten könnte möglicherweise der Eindruck entstanden sein, dass unter der Voraussetzung vernünftiger politischer Vereinbarungen »irgendjemand mit Geld« und Hilfe der Technik nun alles löst und man sich einfach zurücklehnen kann. Der irrige Schluss könnte sein: »Hurra, das Thema ist für mich erledigt, ich kann weitermachen wie bisher!« Das hat aber nur damit zu tun, dass man in einem Buch nicht alles gleichzeitig schreiben kann: Natürlich gibt es noch eine zweite Säule, um am Ende wirklich substanziell gegen die Klimaänderung anzukommen, und die hat mit jedem Einzelnen von uns zu tun. Wir müssen tatsächlich so einiges verändern und die Summe vieler kleiner Verhaltensänderungen sorgt am Ende für einen wichtigen und notwendigen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz. Aber wie stellen wir das an? Wer macht warum was und wer bestimmt, wer was machen soll oder nicht? Das wird gerade trefflich und kontrovers diskutiert, und die vor allem in den Medien und den sozialen Netzwerken ausgetauschten Beiträge lassen viele Gemütszustände zu: Freude, Trauer, Wut, Verwunderung und beliebige Mischformen davon.
Nicht selten wird zu Beginn argumentiert, dass Deutschland doch viel zu klein und unbedeutend sei: Wir gut 80 Millionen Bürger bilden doch gerade mal rund 1 Prozent der insgesamt 7 700 Millionen Menschen und sind für nur rund 2 Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Was sollen wir da global erreichen, selbst wenn jeder von uns seinen Lebensstil von Grund auf ändert? Dieses »Argument« verfängt tatsächlich immer wieder und dahinter steckt ein – wenn es nicht so ernst wäre – fast amüsanter Denkfehler: Wir vergessen zu addieren!
Suggeriert wird, dass wir mit 2 Prozent des weltweiten CO2-Austoßes eigentlich keine Rolle spielen. China ist doch für 30 Prozent der Emissionen verantwortlich. Die USA für 14, Indien für 7, Russland für 5 und Japan für 3 Prozent. »Sollen doch die erst einmal etwas tun«, ist dann eine gerne vorgebrachte Äußerung. Aber Achtung! Mit unseren 2 Prozent sind wir nach den oben genannten 5 Ländern auf Platz 6 von 194 Ländern dieser Welt.