leicht gelangweilte Nerds zu motivieren.
Als er den Gebäudeübergang im 2. Stock benutzte, um zurück zu F&E zu kommen, verschwand sein Lächeln, während er überlegte, wie er es David erklären sollte. Er würde nicht glücklich über Garys Ultimatum sein.
Ihr Referenzalgorithmus, der so simpel erschien, wenn ihn David einem Laien erklärte, basierte auf dem Herunterbrechen enormer Datenmengen. Der Text jeder einzelnen E-Mail musste analysiert und mit Millionen anderer E-Mails verglichen werden. Anders als bei den Algorithmen zur Empfehlung von Spielfilmen, die an Hand von etwa hundert Charakteristiken analysiert und bewertet werden konnten, war die Analyse der Mails um ein Vielfaches komplexer. Es benötigte einhundert mal mehr Rechenzeit, Speichervolumen und, was das Wichtigste war, Zugriff auf die Datenbanken. Nach dem Treffen konnte kein Zweifel bestehen, dass Gary längst an der Grenze dessen war, was er ihrem Team zugestehen wollte. Unglücklicherweise hatte Mike Gary belogen. Mike zuckte mit den Achseln, war mit sich selbst nicht im Reinen. Wann waren Lügen Teil seiner Arbeit geworden? Ihm gefiel das nicht. Die Wahrheit war, dass er, David und weitere Teammitglieder seit Monaten daran arbeiteten, die Performance von ELOPe zu verbessern. Leider war das jetzige, serververschlingende Ungetüm das Beste, was sie erreichen konnten. Ganz egal, was sie auch anstellten, es würde keine nennenswerten Verbesserungen mehr geben. Daher war es schlichtweg unmöglich, Garys Ultimatum einzuhalten.
Nein, David würde nicht glücklich sein. Mike seufzte. David würde stinksauer werden.
Ein arbeitsreicher Vormittag ließ Mike von einem Termin zum nächsten hetzen, obwohl er dringend mit David sprechen wollte. Erst Stunden später konnte Mike sich freimachen. Er rannte praktisch in Davids Büro, bevor neue Probleme sie unterbrechen konnten.
»Hast du eine Minute?«, fragte er vorsichtig.
»Aber klar.«
Genau wie Mikes Arbeitsplatz hatte auch Davids Büro Raum für drei bis vier Besucher, so lange alle nett zueinander waren und ein Deo verwendeten. Ein Whiteboard bedeckte die Wand hinter Mike und das nach Norden weisende Fenster bot einen Ausblick auf den dicht bewaldeten Forest Park. Mike war sich zwar sicher, dass die gerade einmal sechs Monate alte Büroaufteilung weniger effektiv für die Zusammenarbeit war als die vom letzten Jahr, wo alle aus dem Team gemeinsam einen großen Raum genutzt hatten, aber ihm gefiel die Veränderung. Außerdem würde es nächstes Jahr vermutlich wieder anders sein.
Mike fasste das Treffen mit Gary Mitchell zusammen und sah, wie David schon während seiner Erzählung in Rage geriet. »Dann warf er mich aus seinem Büro, bevor ich auch nur die Gelegenheit hatte noch etwas zu sagen«, sagte er abschließend. »Aber was hätte ich denn sagen sollen? Du weißt, dass wir keine Performanceverbesserung erwarten können.«
David saß an seinem Tisch, die Hände verschränkt und starrte auf seinen dunklen Bildschirm. Seit einer Minute hatte er sich weder bewegt noch etwas gesagt. Mike wusste, dass das ein schlechtes Zeichen war. Tux, der Pinguin, das Maskottchen von Linux, wackelte oberhalb von Davids Monitor im Luftzug der Klimaanlage. Mike erinnerte sich, dass Christine den Pinguin nach einem ihrer ersten Dates für David gekauft hatte.
»Zwei Wochen also. Was gedenkst du zu tun?«, fragte ihn Mike nach einer Minute schmerzlicher Stille.
»Wir reduzieren die Anzahl der Leute, die am Programm und an der Verbesserung des Algorithmus arbeiten«, sagte David schließlich, nachdem er zu einem Entschluss gekommen war. »Wie viele Leute kannst du Vollzeit auf die Optimierung ansetzen?«
»Ich werde mich selbst rund um die Uhr einbringen«, sagte Mike und begann mit seinen Fingern zu zählen. »Mit Sicherheit Melanie«, fügte er hinzu, womit er eine ihrer besten Softwareentwicklerinnen erwähnte. »Zwei oder drei andere, denke ich. Wahrscheinlich fünf, alles in allem. Aber David«, er machte eine Pause, um ihm direkt in die Augen zu sehen, »wir werden keine Fortschritte machen.«
»Also gut, fangen wir mit fünf Leuten an, die sich voll auf diese Sache konzentrieren«, sagte David, Mikes Protest ignorierend. »Wenn wir am Donnerstag unsere nächste Vorabversion getestet haben, sehen wir weiter.«
Mike seufzte und verließ das Büro.
Kapitel 2
»Wie läuft es?«, fragte David, als er ein paar Tage später in Mikes Büro kam. Er setzte sich auf die Fensterbank.
»Hervorragend«, sagte Mike und sah von seinem Bildschirm auf. »Jeder im Team hat seinen Teil der Arbeit für den Testlauf beendet, der Programmcode ist gecheckt und die Einbindungstests laufen. In ein paar Minuten sollten wir wissen, ob alles stabil läuft.«
»Nein, nein, an der Effizienzfront meine ich«, sagte David frustriert. Er zerknüllte ein Post-it und warf es in Mikes Papierkorb. »Wenn wir unsere Performance nicht verbessern, haben wir größere Probleme als die anstehende Programmprüfung.«
»Ich erwarte keine Verbesserung, um ehrlich zu sein«, antwortete Mike. Er sah nach unten, denn David hatte den Papierkorb verfehlt.
»Du hattest doch Leute darauf angesetzt, richtig?« David sah aus dem Fenster, das auf dem Boden liegende Papier ignorierte er.
Mike seufzte und hob es selbst auf. »Ja«, sagte er. »Ein paar Möglichkeiten habe ich selbst durchgespielt und ich hatte vier weitere Softwareentwickler auf die Performanceverbesserung angesetzt. Alles was wir machten, hatte entweder keinen Effekt oder es verschlimmerte das Problem. Die meisten Änderungen haben wir zurückgenommen und nur ein paar kleinere Verbesserungen behalten. Alles in allem brachte das weniger als ein Prozent. Tut mir leid. Wir rennen da seit Monaten gegen eine Wand. Ich weiß, dass du auf ein Wunder wartest, aber das ist wahrscheinlich vergebens.«
»Verdammt«, seufzte David und drehte sich zur anderen Seite, um auf Mikes Whiteboard zu starren, das genau wie sein eigenes, eine ganze Wand einnahm. An einem Ende hatte die Tafel eine Checkliste mit Programmeigenschaften, Verbesserungen und Erweiterungen, die für die aktuelle Version geplant waren. Verteilt über den Rest der Tafel waren Diagramme der Programmarchitektur, Teile des Codes und unsortierte Ideen. David starrte intensiv darauf, als läge die Lösung für ihre Probleme irgendwo auf dieser Tafel.
»Da ist es nicht. Ich habe schon nachgeschaut«, sagte Mike in einem depressiven Tonfall. David grunzte und musste sich eingestehen, dass Mike seine Gedanken erraten hatte. »Ich hoffe, du denkst nicht darüber nach, unseren Snowboard-Tag abzusagen«, sagte Mike dann. »Bei jeder neuen Version hatten wir einen. Und es ist frischer Schnee gefallen.«
David warf einen Blick aus dem Fenster. Ein Dezembertag mit Nieselregen. Das bedeutete Pulverschnee in den Bergen. Verdammt. Das Projekt war zu wichtig, um allen einen freien Tag zu geben. »Wir müssen …« Er drehte sich um, sah Mikes Gesichtsausdruck und verstummte mitten im Satz.
»Das Team erwartet es«, sagte Mike. »Ein paar der Jungs waren gestern bis zwei Uhr morgens hier um ihre Arbeit zu beenden. Sie verdienen einen freien Tag und sie werden frisch und munter zurückkehren und das Performanceproblem knacken. Du kannst nicht alles von ihnen verlangen, wenn du ihnen nichts dafür zurückgibst.«
David fühlte sich krank angesichts seines Mangels an Kontrolle über die augenblickliche Situation. Er fühlte den ungeheuren Druck von Garys Ultimatum auf sich lasten, aber er wusste auch, dass Mike recht hatte. Außerdem machte er sich klar, dass ein einziger Tag auch keinen Unterschied bei einem Problem machte, mit dem sie sich seit einem halben Jahr herumschlugen. »Also gut, aber wenn wir zurück sind, erwarte ich von jedem, sich mit einhundertzehn Prozent auf die Programmeffizienz zu konzentrieren. Nimm alles von der To-do-Liste außer den Performanceverbesserungen.«
David lehnte sich aus dem Bett und schlug auf die Taste des Weckers. Dann rollte er sich auf seine andere Seite und sah nach Christine, die noch schlief. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und beobachtete für eine Minute, wie sie atmete, bevor er aus dem Bett glitt. Er zog sich schnell im Dunklen an und schlich die Treppe herunter, wo seine Sporttasche und sein Snowboard neben der Tür auf ihn warteten.
Ein paar Minuten später fuhr Mike seinen Jetta leise in die Einfahrt, die Abgase aus seinem Auspuff kondensierten dampfend in der kalten Morgenluft.