düsteren Gedanken und geht Richtung Küche. Meiner Mom wirft er einen strengen Blick zu, nicht weiter auf dem Thema herumzureiten.
»Ich hoffe, du kannst bis morgen Abend bleiben, Sunday«, sagt mein Dad, während er und meine Mom die Teller und die Kaffeetassen auf den Tisch stellen.
»Ja, ich habe morgen frei.«
»Das ist schön.«
»Adam, du solltest Sunday von unseren Plänen erzählen«, wechselt meine Mom jetzt das Thema.
»Ja, Kleines, stell dir vor. Man hat mir den Posten des Staatssekretärs angeboten. Wir werden nach Washington ziehen.«
»Was? Das ist ja prima«, freue ich mich für meine Eltern. Besonders für meine Mom ist das ein weiterer Meilenstein in ihrem Leben, mit dem sie bei ihren Freundinnen angeben kann.
»Wann ist es denn soweit?«, will ich wissen.
»So schnell wie möglich. Sobald das Haus hier verkauft ist und wir alles geregelt haben.«
»Ihr wollt das Haus verkaufen?«, frage ich erstaunt.
»Wir werden natürlich in Washington ein anderes Haus kaufen«, setzt meine Mom noch dazu. Ich bin ganz sicher, dass es um einiges größer sein wird als dieses hier. »Aber für dich ist es dann weiter, wenn du uns besuchst«, stellt sie bedauernd fest.
»Mom, das ist doch kein Problem.«
»Na ja, jetzt, wo du allein lebst. Schatz, ich mache mir eben Sorgen um dich. Du bist ganz allein in Boston.«
»Mom, ich lebe doch gar nicht allein. Außerdem habe ich einen Freund«, rutscht es mir jetzt heraus. Verdammt, ich wollte meine Eltern langsam auf meine neue Lebenssituation vorbereiten.
»Ach, wer ist es denn? Lebst du bei ihm?«
Ich schüttle verneinend den Kopf und schiebe mir eine Gabel von dem leckeren Kuchen in den Mund.
»Nein, ich wohne noch bei Elijah. Aber das ist nur vorübergehend.«
»Elijah? Etwa dieser Clubbesitzer vom anderen Ufer? Das ist widerlich. Du kannst doch nicht mit einem Mann zusammenwohnen, der nicht normal ist«, wirft sie mir vor.
»Kerry, ich kenne Elijah. Er ist ein fabelhafter Mann und ein wirklicher Freund. Sunday wird dort sicher nichts zustoßen. Außerdem ist schwul sein keine Abnormalität, sondern schlichtweg eine sexuelle Ausrichtung, weiter nichts«, beschwichtigt mein Dad.
»Ich sehe schon, ihr beiden seid heute gegen mich. Egal, was ich sage, ihr müsst immer etwas dagegen setzen.«
Jetzt tut sie mir beinahe leid. Ich stehe auf, gehe zwei Schritte auf sie zu und umarme sie. Mein Dad verzieht betroffen das Gesicht. »Mach dir keine Gedanken, Mom. Mir geht es wirklich gut«, tröste ich sie, da ich weiß, dass sie wirklich nur das Beste für mich will.
Sie nickt ernüchtert. »Und der Mann, den du kennengelernst hast, wann stellst du ihn uns vor?«
»Ich kenne ihn ja selbst erst seit Freitag.«
»Bring ihn trotzdem das nächste Mal mit, okay?«
»Versprochen, Mom«, beruhige ich sie. Ich schließe kurz die Augen und stelle mir vor, wie meine Mutter auf Jay reagieren würde. Ein Bild formt sich in meinen Gedanken, wie sie völlig entsetzt die Augen aufreißt und sich dann in Theatralik aufgelöst auf das Sofa fallen lässt.
Aber vor allem, wie würde Jay reagieren? Er nimmt kein Blatt vor den Mund und sagt, was er denkt. Aber sich darüber Gedanken zu machen ist sinnlos. Wer weiß, ob unsere Beziehung überhaupt jemals den Status haben wird, dass ich ihn als meinen Freund vorstellen kann.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, einander auf den neuesten Stand zu bringen. Dad erzählt begeistert von seiner neuen Stellung, während Mom wie ein Honigkuchenpferd grinst. Dann bin ich an der Reihe und berichte in kurzen Sätzen von Sean und seinem Doppelleben.
»Das hätte ich nicht von Sean gedacht«, gibt meine Mutter kopfschüttelnd zu.
»Tja, wie man sich in den Menschen täuschen kann«, spucke ich fast sarkastisch aus.
»Vergiss ihn, Engel, und schau einfach nach vorne. Der Richtige wartet noch irgendwo auf dich«, muntert mein Dad mich auf.
Wenn er wüsste, dass nicht Sean der Mann ist, wegen dem ich vollkommen durch den Wind bin, sondern Jay, würde er nicht so sprechen.
Am nächsten Nachmittag stelle ich meine Tasche auf die Rückbank meines Wagens, während meine Mom mir noch meinen Lieblingskuchen, den sie in Folie eingepackt hat, in die Hand drückt.
»Mom, hast du den extra für mich gebacken?« Als würde ich nicht genug zu essen bekommen.
»Natürlich habe ich das. So einen Kuchen bekommst du nicht in Boston. Pass auf dich auf und besuche uns bald wieder.« Dann dreht sie sich um, bleibt nach ein paar Schritten stehen und kommt zurück, umarmt mich liebevoll und ich spüre, dass ihr irgendetwas auf der Seele lastet.
»Tut mir leid, wenn ich manchmal etwas kleinbürgerlich und borniert bin. Aber du weißt, ich möchte doch nur dein Bestes.«
»Das weiß ich, Mom.«
Dad kommt aus dem Haus auf mich zu und drückt mich kurz an seine Brust. »Pass auf dich auf und melde dich die Tage mal.«
»Das mache ich«, verspreche ich.
»Hast du was von Michael gehört?«, flüstert er mir ins Ohr, sodass meine Mom nichts davon mitbekommt.
»Wir telefonieren ab und zu. Es geht ihm gut, Dad.«
»Das wollte ich wissen«, sagt er erleichtert.
»Ich muss jetzt los.«
»Fahr langsam«, beschwört mein Dad mich noch einmal.
In Gedanken bin ich eigentlich schon längst wieder in Boston und ganz besonders bei Jay. Ich habe ihn noch nicht angerufen. Dabei dachte ich, dieses Wochenende würde mir Gewissheit über meine Gefühle bringen. Das Gegenteil ist der Fall. Ich will ihn, aber will ich ihn so, wie er mich will?
Die Party bei unseren Nachbarn gestern Abend bot eine angenehme Ablenkung. Es war schön, die alten Bekannten wiederzusehen und nette Gespräche mit ganz normalen Menschen, wie meine Mom sie nennen würde, zu führen. Ken und seine Verlobte sind ein tolles Paar. Einfach unkompliziert. Es hat mich zumindest für einige Stunden davon abgehalten, über Jay und sein Angebot nachzudenken.
Die Skyline von Boston taucht vor mir auf. Es ist bereits dunkel, als ich Elijahs Haus erreiche. Die Einfahrt ist leer, Elijah also bereits unterwegs in seinen Club.
In der Küche liegt ein Zettel mit einer Nachricht von Elijah und Sky auf dem Tisch, dass sie gekocht und mir etwas aufgehoben haben, das ich mir in der Mikrowelle nur noch warm machen muss. Ich lächle. Die beiden sind wirklich die besten Freunde, die man sich wünschen kann.
Als ich später müde in mein Schlafzimmer schlurfe, ist er wieder in meinen Gedanken. Jay! Ich krame seine Telefonnummer aus meiner Handtasche und starre auf das Stück Papier, dann greife ich zum Handy und wähle die ersten Ziffern, drücke aber sofort wieder die rote Taste. Ich bin noch nicht bereit. Vielleicht werde ich ihn morgen anrufen.
Ich habe so viele Fragen an ihn und doch weiß ich nicht, wo ich anfangen soll. Was erwartet er von mir? Ich möchte auf keinen Fall unwissend wirken. Er soll nicht denken, dass ich von seinem Lifestyle keine Ahnung habe. Obwohl genau das der Wahrheit entspricht.
Entschlossen angle ich nach meinem Laptop, der auf dem Nachttisch steht, und gebe die Worte »Dominanz und Unterwerfung« ein. Sofort erscheinen verschiedene Foren, die ganz offen auf diese besondere Art der Beziehung eingehen und die Welt der härteren sexuellen Gangarten, die jenseits des Blümchensex existieren, bis ins kleinste Detail erläutern. Ich fühle mich wie in einem Strudel und tauche immer tiefer in das Thema ein, und langsam kann auch ich nicht mehr verhindern, dass mich der Gedanke daran, von Jay auf diese Weise geliebt oder vielmehr benutzt zu werden, erregt.
Als