Plato

The Trial and Death of Socrates


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      Zweiunddreißigstes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Unsere Leser werden aus dem verworrenen Bericht des Irländers entnommen haben, daß unser britischer Held, gerade wie er mit seinem schwarzen Gefährten von der Straße in den Wald einzulenken im Begriffe stand, von diesem entdeckt und mit irischer Zudringlichkeit um so weniger losgelassen wurde, als er gleichfalls die Ehre hatte, ein Teer zu sein. – Auf dem Irrzuge, den sie nun miteinander antraten, war der Irländer auf die erste Pflanzung, die an seinem Wege lag, mit echt irischer Unverschämtheit Sturm gelaufen, um mittelst seiner französischen Sprachkenntnis sich und seinen beiden Kompagnons eine kleine Magenunterlage, wie er es nannte, zu verschaffen. Der Ire war in seiner Anrede an den Kreolen natürlich im Parlez-vous français stecken geblieben und hatte auf sein weiteres, im rauhen irischen Dialekte vorgebrachtes Kauderwelsch ein » je n'entends pas, ich versteh' nicht« zur Antwort erhalten. Als er zudringlicher wurde, ließ ihn der Kreole, wie es zu erwarten stand, im Glauben, er werde zum besten gehalten, aus dem Hause werfen. Das lächerlichste dabei war jedoch der Umstand, daß der Junge noch immer nicht begreifen konnte, warum der Kreole seinen irischen groben Dialekt nicht für bar französisch verstehen wollte, nachdem er doch sein Parleh fouhs frenseh, Monsiehour, das sich in seinem Gehirn festgesetzt, dafür erkannt hatte.

      Der zweite Versuch unserer Abenteurer war nicht weniger betrübt ausgefallen. Vor einem Hinterwäldlerhause angekommen und daselbst mitleidig aufgenommen, hatte ihre aufgeregte Phantasie die abgetanen Schweine für geschlachtete Menschen angesehen und das Reden der sich auf eine nächtliche Hirschjagd vorbereitenden Söhne des Hauses ihre Gehirnkammer so gänzlich in Aufruhr gebracht, daß sie, um ihre Haut zu retten, in gerechtem Entsetzen bei Nacht und Nebel aus Bett und Fenster sprangen, wobei unser Midshipman noch das Unglück hatte, einem jungen Bären, der, wie dies häufig der Fall ist, zur Mästung an einer Kette lag, in die Tatzen zu geraten und so festgehalten zu werden, bis sein Hilferuf endlich die drei Söhne des Hauses herbeilockte.

      Auf unsern Briten nun hatte der Auftritt eine seltsame Wirkung. Er besaß bei vielem Mute auch eine reichliche Gabe jenes kalten, höhnenden Übermuts, den die aristokratischen Jünglinge des Mutterlandes so unvergleichlich in Worten und Gebärden an den Tag zu fördern verstehen, jenen kalten, selbstischen Übermut, auf den John Bull sich so viel zugute tut, und der ihm vielleicht mehr genützt hat im gewaltsamen und friedlichen Verkehre mit seinen gefügigern und schlichten Nachbarn, als sein wirklicher Mut, der aber gewöhnlich den Kürzern zieht im Verkehre mit seinem kalten, starren Verwandten. So sehr er sich nun in dem Spotte gefallen hatte, den er ziemlich derb bei jeder Gelegenheit über die sogenannten Yankees ausgegossen hatte, so schien ihm doch die Notwendigkeit nicht einzuleuchten, die kleine Züchtigung, die er sich selbst zugezogen, mit Anstand zu ertragen. Schon daß er, ein Midshipman im »Donnerer«, vor einen bunten Haufen Yankees gebracht worden war und da sein Verhör bestehen mußte, war ein Umstand, der ihm, der sich seine Richter nie ohne die gehörigen Perücken oder wenigstens goldene Epaulettes denken konnte, mit Schauder erfüllte; daß aber eben diese Yankees in ihrer plebejischen Frechheit so weit gehen und einen britischen Offizier, der die Leutnantschaft gewissermaßen in der Tasche hatte, zum Gegenstande ihres Gelächters machten, überstieg sein Kapazitätsvermögen so sehr, daß wir ihn, den fröhlichen Jungen, der bisher in guten und schlimmen Lagen sich so wacker und launig bewiesen, kaum mehr erkennen würden, hätten wir nicht den Schlüssel zu dieser seltsamen Verwandlung im Nationalcharakter besagten John Bulls.

      Er stand nun infolge seiner Entweichung und der durch Rosa und die Indianer gegebenen Aufklärungen abermals im Verhöre, das der Kommandant des Depots sogleich nach der Übung zusammenberufen hatte. So sehr dieser von seiner Unschuld überzeugt sein mochte, so konnte er doch nicht umhin, bei dem Vernehmen des jungen Mannes alle jene Genauigkeit und selbst Strenge blicken zu lassen, die ebenso die Unschuld des Jünglings, als seine eigene Unparteilichkeit dartun sollte. Ein schleuniges Verfahren war um so nötiger, als, trotz der einleuchtenden Unschuld des Verdächtigten, Gefahr im Verzug obwaltete. Selbst der Umstand, daß ein Bewohner des Städtchens mit in seine Entweichung verwickelt war, erschien von einer um so größeren Bedeutung, als wirklich mehrere sehr gefährliche Verschwörungen von Ausländern in der Hauptstadt entdeckt worden waren. Allein der Kapitän fand in dieser seiner menschenfreundlichen Bemühung, den jungen Mann so schnell als möglich aus seiner kritischen Lage zu reißen, nicht geringe Schwierigkeit in diesem, der es recht darauf angelegt zu haben schien, seine gute Sache selbst zu verderben. Der junge Mann hatte den Kopf gänzlich verloren und schon bei seinem Eintritte in die Verhörstube dieses durch einen Trotz, eine Hintansetzung alles Anstandes bewiesen, der die sämtlichen Offiziere mit Unwillen erfüllte. Im Verlaufe des Verhörs sah sich der Kapitän einigemal genötigt, ihn ernstlich zurechtzuweisen. Das Verhör hatte bereits mehrere Stunden gedauert, ohne ein Resultat zu ergeben. Selbst die Frage, ob er mit einem der Einwohner des Städtchens im Einverständnisse gewesen, wollte er, trotz des Flehens dieser, nicht beantworten. Mehrere waren bereits mit ihm konfrontiert worden und unter diesen unser Schenkwirt, den wir unter dem Namen Benito kennen. Die Offiziere schritten nun zum letzten Punkte, nämlich der Konfrontation mit den Indianern. Zuerst wurde Rosa eingeführt.

      »Ihr bekennt also nicht, daß Ihr mit Tokeah und den Seinigen in Verbindung gestanden seid?« fragte Kapitän Percy.

      »Der Gefangene gab ein verdrießliches »nein« zur Antwort.

      »Kennt Ihr diese junge Dame?« fragte der Kapitän.

      Rosa war an der Hand zweier Offiziere durch die geöffnete Türe eingetreten. Sie verneigte sich sittsam vor den Anwesenden, die ihrerseits aufstanden und sie baten, sich auf den Sessel niederzulassen, den einer der Offiziere für sie hinstellte. Sie hatte jedoch den Gefangenen kaum ersehen, als sie auf ihn zutrat, und, seine Hand erfassend, ihn fragte: »Mein Bruder! Du bist sehr blaß; wer hat dir etwas zuleid getan?«

      Das bekümmerte Mädchen, das ihm teilnehmend wehmütig ins Auge blickte, weckte ihn für einen Augenblick aus seinem düstern Dahinstarren. Er sah sie forschend, kalt, beinahe unwillig eine Weile an. »Ah, Rosa, sind Sie es? Vergebung.« – Und wieder heftete er seine Augen zur Erde.

      Die Offiziere schienen eine nähere Erklärung der beiden jungen Leute zu wünschen; aber der Gefangene schwieg so eigensinnig verdüstert, daß dem Mädchen, das ihn einige Zeit verwundert angesehen hatte, sichtlich bange ward.

      »Mein Bruder!« sprach sie mit flehender Stimme, »warum bist du böse? Du zürnst doch nicht deiner Schwester?«

      »Mein Bruder!« bat sie abermals, »rede doch! Ach warum bist du nicht bei dem Miko geblieben. Sieh, Canondah hat es dir gesagt, daß die Weißen dich töten würden. Ach, vielleicht wäre vieles nicht geschehen. Mein Bruder! Nicht wahr, die Weißen sind kalt?« flüsterte sie.

      Ein Knirschen mit den Zähnen war all die Antwort, die sie erhielt. – Sie zog sich verschüchtert zurück.

      »Wollen Sie gefälligst, Miß Rosa,« sprach der Kapitän Percy endlich nach langem vergeblichem Warten, »uns einige Fragen beantworten?«

      »Jawohl, mein Bruder«; versetzte sie.

      »Sie kennen den Gefangenen?« auf den Briten deutend.

      »Gewiß, mein Bruder!«

      »Wie kam er in das Wigwam der Indianer?«

      »Ganz krank und verwundet.«

      »Wer nahm ihn auf?«

      »Canondah, die Tochter des Miko, auf die Bitte Rosas. Der Miko war auf der großen Jagd.«

      »Hat er während seines Aufenthaltes im Wigwam der Oconees den Miko gesehen?«

      »Nein, mein Bruder! Er zitterte vor Furcht, ihn zu sehen. Er rannte Tag und Nacht, um aus dem Wigwam zu entkommen, ehe der Miko zurückkehrte, und nachdem er gesund geworden war. Er hat den Miko nicht gesehen.«

      »Er hat also mit den Indianern, männlich oder weiblich, keine Art von Verbindung gehabt?«

      »Nein, mein Bruder! Er sprach bloß mit Canondah, die ihm zu essen brachte, und mit Rosa.«

      »Wie