durch den des Feldes zu ersetzen, im Sinne eines logischen, dialektischen und rhetorischen Feldes (vgl. S. 154, 162). Nun ist der Feldbegriff in der Argumentationswissenschaft klar besetzt durch den FeldbegriffFeldToulminFeldToulmin bei Toulmin (siehe Kapitel 4.2.1). Davon abgesehen erlaubt der Begriff der Perspektive aber auch einen analytischen Zugriff, der in der Behandlung des Beispiels deutlich geworden ist: Derselbe Text, dasselbe Gespräch, dieselben Aussagen können aus verschiedenen Blickwinkeln mit den dazugehörigen theoretischen Implikationen untersucht werden, ohne dass eine Perspektive besser oder angemessener wäre. Es ist aber durchaus möglich, dass eine Perspektive sich in einem bestimmten Fall als „interessanter“ herausstellt, d.h. neue Erkenntnisse bringt. Aus dieser Sicht ist die Heuristik der drei Perspektiven hilfreich, um einen Zugang zur Argumentationswissenschaft zu ermöglichen und das Feld zu ordnen, um den eigenen analytischen Zugang zu klären und um die scheinbare Inkompatibilität verschiedener Ansätzen aufzulösen. Gleichwohl bleibt es eine Heuristik.
3 Die dialektische Perspektive
Aus der dialektischen Perspektive wird Argumentation als dialogisch gesehen (im Gegensatz zur logischen Perspektive) und ist bestimmt durch eine normative Herangehensweise, die authentische Argumentation nach externen Maßstäben und Regelkatalogen einordnet und bewertet (im Gegensatz zur rhetorischen Perspektive). Die Art dieser Regeln ist je nach Ansatz unterschiedlich, wobei es breite Überschneidungen gibt. Im Folgenden sollen die Hauptströmungen der dialektischen Perspektive vorgestellt werden: die Informelle LogikInformelle Logik und daran anschließend die Theorie der Fehlschlüsse, die Diskurstheorie Habermas’, die Normative PragmatikNormative Pragmatik, die Normen für Diskussionen bei Naess und die Pragma-Dialektik. Wie im vergangenen Kapitel ausgeführt, sind die drei Perspektiven auf Argumentation – Logik, Dialektik und Rhetorik – nicht immer trennscharf. Hinzu kommt, dass einige Ansätze um eine Verbindung und Integration von dialektischem und rhetorischem Zugriff bemüht sind. Diese „verbindenden“ Ansätze – zum einen das Konzept des strategic maneuvering<i>strategic maneuvering</i> aus der Pragma-Dialektik und zum anderen die Verbindung von Informeller Logik und Rhetorik bei Tindale – werde ich am Ende des Kapitels vorstellen.
3.1 Informelle Logik
Die Wurzeln der Informellen Logik liegen in der Praxis des Unterrichtens von Argumentationstheorie. Ihr Ansatz hat sich in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts innerhalb der Philosophie in Abgrenzung zur formallogischen Analyse von Argumentation entwickelt. Neben dem didaktischen Gründungsimpuls identifizieren Blair/Johnson (1987) mit den Argumentationstheorien von Stephen Toulmin sowie Chaim Perelman und Lucie Olbrechts-Tyteca noch einen zweiten. Diese Ansätze markieren eine rhetorische (oder dialektische, doch dazu später) Wende in der Argumentationswissenschaft, indem sie abkehren von der Beschreibung und Analyse von Argumentation aus Sicht der Formalen Logik (für eine weitere Diskussion vgl. Kapitel 4.2). Die Informelle LogikInformelle Logik folgt diesen Ansätzen in ihrem Statement „that formal deductive logic is not the logic of argumentation“ (Blair & Johnson, 1987, S. 147). Der Impuls für die Etablierung der Informellen Logik war also die Unzufriedenheit einiger Wissenschaftlerinnen mit den Methoden, die die Formale LogikLogikformale zur Analyse natürlichsprachlicher und authentischer Argumentation bietet. Dieser Impuls, zentral getragen von J. Anthony Blair und Ralph Johnson, entsprang den Seminarräumen der US-amerikanischen und kanadischen Universitäten.
Blair/Johnson (1987) definierten die Informelle LogikInformelle Logik anfangs folgendermaßen: „We believe that informal logic is best understood as the normative study of argument. It is the area of logic which seeks to develop standards, criteria and procedures for the interpretation, evaluation and construction of arguments and argumentation used in natural language“ (S. 148). Diese schon ältere, aber bei Weitem nicht veraltete Definition – Blair/Johnson (2000) nennen sie genauso in einem späteren Überblicksartikel – macht deutlich, warum die Informelle LogikInformelle Logik in den Bereich der dialektischen Perspektive auf Argumentation eingeordnet wird. Es geht ihr um die Untersuchung des Verfahrens und damit um die Entwicklung von Normen für gültige, natürlichsprachliche Argumentation. Zugleich beschreiben Blair/Johnson (1987) die Informelle LogikInformelle Logik aber auch als einen Zweig der Logik. Auch Pinto (2009) ordnet die Informelle LogikInformelle Logik in die logische Perspektive ein.
Tindale (2013, S. 10) folgt in seiner sehr zu empfehlenden Einführung in die Informelle LogikInformelle Logik weitestgehend der Bestimmung von Blair/Johnson (1987), wenn er die Position der Informellen Logik mit folgenden Forschungsinteressen beschreibt:
das Interesse an AlltagsargumentationAlltagsargumentation,
das Interesse an den Kriterien für gute Argumente und Argumentation,
das Interesse für die Theorie der Fehlschlüsse
sowie das Interesse für die Verpflichtungen der Teilnehmer innerhalb einer Argumentation.
Der letzte Punkt macht deutlich, dass die Informelle LogikInformelle Logik, im Gegensatz zur Formalen Logik, Argumentation grundsätzlich als dialogisch konzipiert: Argumentieren ist hier etwas, das mindestens zwei Personen miteinander tun. Das Ziel von Ansätzen innerhalb der Informellen Logik ist also immer ein Abgleich von natürlichsprachlicher Argumentation mit Normen oder Standards guter Argumentation. Gute Argumentation wird dabei, anders als in den logischen Ansätzen, nicht mehr über formallogische ValiditätValidität der Schlussverfahren bestimmt, sondern über drei Kriterien (vgl. Tindale 2013):
RelevanzRelevanz
HinlänglichkeitHinlänglichkeit
AkzeptabilitätAkzeptabilität
Ein gutes Argument, eingebettet in einen argumentativen Austausch, muss relevant sein in Bezug auf die Fragestellung, ausreichend sein in der Stützung der Konklusion und es muss akzeptabel sein. Hier ließe sich die Frage anschließen: Akzeptabel für wen? Diese Diskussion wird in 3.7 wieder aufgenommen.
Die Hinwendung zu der Frage, wie Geltung in natürlicher Argumentation beschaffen sein kann, hat in der Informellen Logik zu einer starken Beschäftigung mit der Theorie der Fehlschlüsse geführt. Diese ist einer der zentralen Bereiche der Informellen Logik geworden. Dabei ist zum einen die Diskussion der einzelnen Arten von Fehlschlüssen von Interesse, zum anderen aber auch die Frage, was die FehlschlüssigkeitFehlschlüssigkeit eines Arguments ausmacht (siehe dazu Kapitel 3.2).
Die Informelle LogikInformelle Logik ist ein normativer Ansatz. Sie entwickelt Standards und Normen für natürlichsprachliche Argumentation. Ein Hauptgegenstandsbereich ist die Forschung zu Fehlschlüssen.
Da sich die Informelle LogikInformelle Logik auf natürliche Argumentation und den Austausch von Argumenten konzentriert, bekommt die Dialogizität von Argumentation eine besondere Bedeutung, die sie in der Formalen Logik nicht hat. Eine Ausnahme in der Formalen Logik bildet das Konzept der Dialogischen LogikLogikdialogische von Lorenzen und Lorenz (1978), das Argumentation innerhalb der Logik als dialogisch, mit einem OpponentOpponenten und ProponentProponenten modelliert, sich aber nicht auf natürlichsprachliche und alltagssprachliche Argumentation konzentriert. Doch grundsätzlich ist das dialogische Prinzip ein Merkmal, durch das sich Ansätze zur Argumentation von der Formalen Logik abgrenzen. Das dialogische Prinzip verbindet die Informelle LogikInformelle Logik mit anderen dialektischen Ansätzen. Innerhalb der Informellen Logik ist daher auch der DialogDialog als Ort der Argumentation ausgearbeitet und weiter spezifiziert worden.
Beispielhaft soll dazu das DialogDialog-Modell von Douglas Walton (2010) vorgestellt werden. Walton führt 1995 gemeinsam mit Krabbe ein Modell von sechs DialogtypenDialogtypen ein, die mit bestimmten Zielen und Formen der Beweispflicht verbunden sind. Ein Dialog bestimmt sich dabei nach Walton durch einen Ablauf in drei Schritten: einer Eröffnungsphase, einer argumentativen Phase und einer Abschlussphase (vgl. 2010, S. 1). In der Publikation von 2010 bezieht Walton einen siebten Dialogtypus ein. Die gesamte Einteilung ist theoretisch begründet und normativ konstruiert. Walton unterscheidet hier zwischen den Zielen der Teilnehmerinnen an einem Dialog und der Funktion der Dialogform.
Waltons (2010) sieben DialogtypenDialogtypen mit ihren verschiedenen