Andreas J. Schulte

Mörderische Eifel


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Geschichte des Klosters im Salmtal. Als ich dann Orte suchte, in denen historische Feste organisiert werden, stieß ich auf Manderscheid.

      Gleich zwei bedeutende Burganlagen bilden die Kulisse für das historische Burgenfest, das jedes Jahr rund 15.000 Besucher anzieht. Durch meine historischen Romane habe ich in den letzten Jahren viele Mittelaltermärkte kennengelernt. Auf solchen Märkten herrscht immer eine ganz eigene herzliche Atmosphäre, das historische Burgenfest in Manderscheid macht da keine Ausnahme. Hier kommen Spielleute, Handwerker, Geschichtenerzähler und Puppenspieler an einem Wochenende im August zusammen, und natürlich dürfen auch Ritter und Turnierkämpfer nicht fehlen. Ich wollte in meiner Geschichte aber keinem etwas Böses unterstellen, und deshalb habe ich meinen Krimi nicht auf dem realen Burgenfest, sondern auf einer ausgedachten Veranstaltung spielen lassen.

      Natürlich haben Manderscheid und sein Umland noch mehr zu bieten als nur ein Ritterfest und die Abtei Himmerod. So gibt es in der Stadt zum Beispiel seit 1999 das Maarmuseum, in dem wissenschaftliche Fakten rund um die Eifel-Maare anschaulich erklärt werden. Und das ist nur ein Beispiel, für all das, was man entlang des kleinen Flüsschens Lieser als Besucher im sogenannten Manderscheider Burgenland erleben kann.

      Weitere Informationen finden Sie im Netz unter:

      Tourist-Information Manderscheid

      Grafenstraße 23

      54531 Manderscheid

      Tel.: 06572-932665

       www.manderscheid.de

      Spectaculum oder: Wer einmal lügt …

      Es war heiß unter dem Helm, heiß und stickig. Der Schweiß lief ihm in den Nacken. Ein Rinnsal suchte sich seinen Weg den Rücken herunter. Kein schönes Gefühl.

      Warum musste es gerade heute so warm sein?

      Selbst hier im Westerwald waren die Temperaturen auf fast 30 Grad geklettert. Eine ganz andere Frage war, warum der Veranstalter ausgerechnet in der Mittagszeit den Höhepunkt des Turniers ansetzen musste. Warum fand jetzt, wo jeder mit ein bisschen Verstand im Schatten Abkühlung suchte, der Finalkampf Mann gegen Mann statt?

      Die Kappe aus grobem Wollstoff fing an zu jucken. Das Leinenhemd unter dem gesteppten Waffenrock und dem Brustharnisch klebte praktisch an seinem Körper.

      Die Wiese mit ihren verdorrten braunen Flecken nahm er nur durch eine handbreit große gelochte Visieröffnung im Helm wahr. Toll – alles sah so aus, als würde er durch ein Küchensieb gucken. Was hatte er sich nur bei der Wahl dieses bekloppten Helms gedacht? Der Helm hatte im Laden authentisch und cool ausgesehen.

      Cool – bei dem Gedanken musste er selber schon sarkastisch grinsen. Jetzt trug er das ganze Zeug schon seit mehr als vier Stunden. Er hatte die Nase voll von diesem Scheißturnier. Was er wollte, war eine Dusche, Shorts, T-Shirt und ein kaltes Bier – und zwar in der Reihenfolge.

      »Stolze Recken, edle Damen, Mägde, Knechte – Volk des Westerwaldes«, die Stimme des Herolds riss ihn aus seinen Gedanken, »mein Name ist Dieter von Greifenklau, und ich habe die Ehre, Euch den letzten Kampf anzukündigen. Lasst mich Euch die mutigen Kämpfer vorstellen. Auf der Seite mit der grünen Fahne steht Bruno von Waldhaus, Ritter des Goldenen Löwen und Sieger des letzten Turniers. Erhebt Eure Stimme, lasst Eurer Begeisterung freien Lauf.«

      Aus den Reihen der Zuschauer war vereinzeltes Klatschen zu hören. Was für ein armseliger Haufen, Begeisterung sah weiß Gott anders aus, dachte er grimmig.

      »Soll das der ganze Respekt sein, den Ihr den edlen Kämpfern unseres Turniers zollt?«

      Zugegeben, dieser Greifenklau machte seine Sache gut, der wusste, was man von ihm erwartete.

      »Spendet Beifall. Handgeklapper, ich will Euch johlen und kreischen hören. Nicht ganz so ehrbare Mägde dürfen gern auch Tücher und andere Kleidungsstücke unseren Kämpfern als Treuepfand zu Füßen werfen.«

      Das Klatschen wurde deutlich lauter. Immerhin – Greifenklau hatte sein Ziel erreicht.

      »So, und nun, wo Ihr Eure Aufgabe kennt, haltet Euch mit Eurer Begeisterung nicht zurück, denn hier, auf der Seite mit der roten Fahne, steht er, der Herausforderer, Wolfgang von Woooolfenstein! Sein Wappentier ist der Heulende Wolf vor einer dreizackigen Krone. Er hat heute bereits acht ehrbare Gegner besiegt. Beifaaalll!«

      Er machte zwei Schritte nach vorne, verbeugte sich, so weit es die Metallteile seiner Rüstung zuließen, und reckte dann die Faust mit seinem Schwert in die Luft. Da waren tatsächlich unter den Zuschauern einige ganz hübsche Dinger in engen Miedern und langen Röcken, die ihm belustigt ein paar Kusshände zuwarfen.

      He, ihr süßen Schnecken, ich merk mir eure Gesichter. Wenn ich aus dieser Blechbüchse wieder draußen bin, zeig ich euch mal, wo der Frosch die Locken hat, dachte er zufrieden. Er verbeugte sich ein zweites Mal vor den kreischenden Mägden, nur um zu zeigen, dass er sie bemerkt hatte, und wandte sich dann seinem Gegner zu.

      Der Herold trat zwischen die beiden Kämpfer. Mit gesenkter Stimme sagte er: »Ihr kennt ja die Regeln. Ein Hieb zählt hier nur als Treffer, wenn er, mit einer scharfen Waffe ausgeführt, eine ernsthafte Verletzung zur Folge gehabt hätte. Passt eure Hiebe der Rüstung eures Gegners an. Auf ungeschützte Körperteile will ich keine Hiebe mit voller Wucht sehen. Und dies ist kein Vollkontakt-Turnier, also denkt daran, es gilt die kleine Trefferzone, damit meine ich Kopf, Oberkörper, Oberarm und Oberschenkel.«

      Der Herold streckte beide Arme in die Höhe und rief laut: »Die Recken sind bereit, um den Sieg und die Ehre zu kämpfen. Möge der Bessere gewinnen.«

      Na, dann los, dachte Wolfgang von Wolfenstein und fixierte durch das gelochte Visier seinen Gegner, der mit breiten Schritten auf ihn zustapfte. Gedämpft hörte er durch den Helm das Johlen der Menge. Jetzt zählten nur die nächsten Minuten – der Schweiß, die Hitze, die Mädels im Mieder und sogar das kalte Bierchen waren vergessen. Als Bruno von Waldhaus nur noch zwei Schritte entfernt war, nahm Wolfgang die Grundstellung zum Schwertkampf ein. Die Arme gehoben, die Klinge über dem Kopf nach vorne in Richtung Gegner gestreckt, bereit, Brunos ersten Hieb zu parieren. Der kam auch prompt, allerdings anders, als er das erwartet hätte. Bruno schlug einen Bogen, verfehlte ihn um fast einen halben Meter, es war, als hätte der auf einen unsichtbaren zweiten Mann neben ihm eingeschlagen.

      »Höh, Bruno«, durch den Helm klang Wolfgangs Stimme dumpf und blechern, »biste besoffen, oder was? Hier steh’ ich.«

      Bruno von Waldhaus hob erneut sein Schwert, aber langsam, viel zu langsam. Was soll’s – wenn der so luschig kämpfen will, ist das nicht mein Problem, Wolfgang schlug zu. Bruno machte keine Anstalten sich zu verteidigen. Wolfgangs Klinge traf ihn mit der Breitseite am Oberarm, und ein zweiter Hieb donnerte gegen seinen Helm. Zack, direkt noch ein dritter Treffer auf die andere Seite. Ein vierter Hieb ging ins Leere, denn Bruno von Waldhaus war zu Boden gegangen. Langgestreckt wie eine gefällte Eiche. Ohne sich abzufangen, donnerte er mit voller Wucht auf den ausgedorrten Rasen.

      Für einen Moment herrschte auf dem ganzen Turnierplatz atemloses Schweigen, dann johlte die Menge los.

      Mit beiden Händen nahm Wolfgang endlich den bekloppten Helm ab und schnappte gierig nach Luft. So konnte er genau sehen, wie plötzlich das Gesicht des Herolds, der neben Bruno am Boden kniete, käsig bleich wurde. Ganz unmittelalterlich schrie der plötzlich: »Ach du Scheiße! Einen Arzt, schnell, wir brauchen einen Arzt.«

      Wolfgang von Wolfenstein, mit bürgerlichem Namen Wolfgang Schmertbach, Inhaber des Elektroinstallationsbetriebes Schmertbach, hatte sein erstes Turnier gewonnen. Allerdings hätte er nie damit gerechnet, dass sein Finalgegner bewusstlos mit einem Rettungswagen und Blaulicht ins Krankenhaus geschafft werden müsste. So kräftig waren seine Hiebe schließlich auch nicht gewesen.

      Zwei Stunden später, ohne Rüstung und mit einem Krug Bier in der Hand, wollte Wolfgang gerade die Mädels ansteuern, als ihm der Herold die Hand von hinten auf die Schulter legte. »Alles klar, ich hab gerade einen Anruf aus dem Krankenhaus bekommen. Unserem Bruno geht’s schon wieder