Agatha Christie

Der Tod auf dem Nil


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auf einem Paar ruhen ließ. Zwei, die zueinander passten – groß und breitschultrig der Mann, schmal und zart das Mädchen. Zwei Körper, die sich bewegten im vollkommenen Rhythmus des Glücks. Des Glücks, hier und jetzt beieinander zu sein.

      Plötzlich brach die Tanzmusik ab. Es wurde geklatscht, bis sie weiterspielte. Nach der zweiten Zugabe ging das Paar zurück an einen Tisch dicht neben dem Poirots. Das Mädchen lachte und hatte einen roten Kopf. Als sie sich gesetzt hatte, konnte er ihr Gesicht, das sie lachend ihrem Gefährten zuwandte, genauer sehen. Aus ihren Augen sprach noch etwas anderes als Lachen. »Sie hängt zu sehr an ihm, die Kleine«, sagte er zu sich. »Das ist nicht ungefährlich. Gar nicht ungefährlich.«

      Und dann drang ihm ein Wort ans Ohr: »Ägypten.«

      Er konnte die Stimmen deutlich hören – die des Mädchens war jung, frisch und hochmütig mit einer winzigen Spur weicher, ausländischer Rs, die des Mannes wohlklingend, tief, bestes Englisch.

      »Ich brate keine ungelegten Eier, Simon. Ich sage nur, Linnet lässt uns nicht im Stich!«

      »Aber vielleicht lasse ich sie im Stich.«

      »Unsinn – das ist genau die richtige Stelle für dich.«

      »Das ist sie, das glaube ich auch … Ich zweifle auch gar nicht an meinem Können. Ich will mich ja bewähren – deinetwegen!«

      Das Mädchen lachte sanft, das lachende reine Glück. »Wir warten jetzt die drei Monate ab – dann wissen wir, dass du nicht wieder entlassen wirst – und dann –«

      »Und dann teil’ ich mit Euch mein irdisch Hab und Gut – darauf läuft’s hinaus, nicht?«

      »Und in die Flitterwochen fahren wir, wie gesagt, nach Ägypten. Egal, was es kostet! Ich wollte mein Leben lang nach Ägypten. Der Nil und die Pyramiden und der Sand …«

      Seine Stimme war jetzt etwas undeutlicher. »Wir sehen es uns zusammen an, Jackie … Ist das nicht herrlich?«

      »Ich bin nicht ganz sicher. Findest du das eigentlich so herrlich wie ich? Hängst du wirklich an mir – so wie ich an dir?« Sie klang plötzlich erregter und hatte weit aufgerissene, fast angstvolle Augen.

      Seine Antwort kam schnell und scharf. »Red keinen Unsinn, Jackie.«

      Aber das Mädchen sagte noch einmal: »Ich bin nicht ganz sicher …« Dann zuckte sie die Schultern. »Lass uns tanzen.«

      Hercule Poirot murmelte in sich hinein: »Une qui aime et un qui se laisse aimer. Nein, sicher wäre ich da auch nicht.«

      VII

      »Und wenn er nun ein furchtbarer Grobian ist?«, gab Joanna Southwood zu bedenken.

      Linnet schüttelte den Kopf. »Ach, das wird er schon nicht. Auf Jacquelines Geschmack ist Verlass.«

      »Na ja, nur –«, murmelte Joanna, »verliebt sind die Leute nicht unbedingt in Hochform.«

      Linnet schüttelte den Kopf noch unwirscher und wechselte das Thema. »Ich muss zu Mr Pierce wegen der Pläne.«

      »Pläne?«

      »Ja, ein paar furchtbar unhygienische alte Hütten. Ich lasse sie abreißen und die Leute woanders unterbringen.«

      »Wie gesundheitsbewusst und menschenfreundlich von dir, Liebling!«

      »Die Hütten mussten sowieso weg. Man hat von da aus Einblick in mein Schwimmbecken.«

      »Wollen denn die Leute, die da jetzt wohnen, auch weg?«

      »Die meisten liebend gern. Ein, zwei stellen sich ein bisschen dumm an – die sind sogar ziemlich lästig. Die wollen offenbar nicht einsehen, wie viel besser sie woanders leben könnten!«

      »Trotzdem hast du es ganz eigenmächtig entschieden, nehme ich an.«

      »Meine liebe Joanna, es ist tatsächlich zu ihrem Besten.«

      »Aber ja, Liebes. Ganz bestimmt. Zwangsbeglückung.«

      Linnet runzelte die Stirn.

      Joanna lachte.

      »Na komm, du bist ein Tyrann, gib’s zu. Ein wohltätiger Tyrann, wenn du so willst!«

      »Ich bin kein Tyrann, kein bisschen.«

      »Aber du willst immer alles nach deiner Fasson machen!«

      »Nicht unbedingt.«

      »Linnet Ridgeway, kannst du mir in die Augen sehen und ein einziges Mal nennen, bei dem nicht alles genau so gemacht wurde, wie du es wolltest?«

      »Dutzende.«

      »O ja, ›Dutzende‹ – sagst du so –, aber kein einziges konkretes Beispiel. Dir fällt auch partout keins ein, und wenn du dich noch so anstrengst! Linnet Ridgeway beim Triumphzug im goldenen Wagen.«

      »Willst du damit sagen, ich bin selbstsüchtig?«, fragte Linnet spitz.

      »Nein – nur unwiderstehlich. Die geballte Macht von Geld und Charme. Vor dir geht alles auf die Knie. Und was du nicht mit Geld kriegst, das kriegst du mit einem Lächeln. Fazit: Linnet Ridgeway, das Mädchen, das alles hat.«

      »Sei nicht albern, Joanna!«

      »Wieso, hast du etwa nicht alles?«

      »Doch, habe ich wohl. Aber das klingt so … irgendwie ekelhaft.«

      »Natürlich ist das ekelhaft, Liebling! Wahrscheinlich langweilst du dich bald entsetzlich und wirst mit der Zeit blasiert. Bis dahin genieß nur deinen Triumphzug im goldenen Wagen. Ich weiß allerdings nicht, ich weiß wirklich nicht, was passiert, wenn du irgendwann eine Straße entlangfahren willst, und da steht ein Schild: ›Keine Durchfahrt‹.«

      »Du bist ja übergeschnappt, Joanna.« Linnet drehte sich um zu Lord Windlesham, der gerade dazugekommen war. »Joanna sagt ganz gemeine Sachen zu mir.«

      »Die reine Bosheit, Liebling, die reine Bosheit«, murmelte Joanna und stand auf. Sie ging ohne ein Wort aus dem Zimmer. Sie hatte das Funkeln in Windleshams Augen gesehen.

      Er schwieg eine Weile und fragte schließlich ganz direkt: »Hast du dich entschieden, Linnet?«

      Langsam antwortete Linnet: »Bin ich gefühllos? Ich müsste doch wohl, wenn ich mir nicht sicher bin, nein sagen –«

      Er fiel ihr ins Wort. »Sag’s nicht. Du hast Zeit – alle Zeit, die du willst. Aber weißt du, ich finde, wir sollten miteinander glücklich sein.«

      »Sieh mal«, Linnet klang fast kindlich trotzig, »ich bin so gern allein – vor allem hier, mit alldem.« Sie fuhr mit der Hand durch die Luft. »Ich wollte mit Wode Hall mein Ideal von einem Landhaus verwirklichen, und ich finde, das habe ich doch ganz gut geschafft, oder?«

      »Es ist wunderschön. Schön entworfen. Alles vollkommen. Du bist sehr klug, Linnet.«

      Wieder hielt er einen Augenblick inne. »Aber du magst doch Charltonbury auch, oder? Man müsste es natürlich modernisieren und alles – aber in solchen Dingen bist du ja sehr geschickt. Es wird dir Spaß machen.«

      »Aber ja, natürlich, Charltonbury ist himmlisch.« Sie klang begeistert, aber tief innen spürte sie einen Schauder. Ein fremder Ton war da mitgeschwungen, und der trübte ihre vollkommene Zufriedenheit mit dem Leben. Sie ging dem Gefühl nicht weiter nach. Erst später, als Windlesham gegangen war, fing sie an, die geheimen Winkel ihrer Gedanken zu durchstöbern.

      Charltonbury. Ja, das war es gewesen – der Name Charltonbury hatte das in ihr aufgerührt. Aber warum? Charltonbury war sogar ziemlich berühmt. Windleshams Vorfahren saßen dort seit den Zeiten von Königin Elisabeth. Herrin von Charltonbury war eine kaum zu überbietende gesellschaftliche Position. Windlesham war einer der begehrenswertesten Adligen in ganz England. Und Wode Hall konnte ihn natürlich nicht beeindrucken. Es war gar kein Vergleich mit Charltonbury.

      Nein, aber Wode Hall gehörte ihr!