zutiefst dankbar! Weißt du, Cornelia leidet ja entsetzlich darunter, dass sie so ein Mauerblümchen ist. Sie ist furchtbar geknickt, irgendwie. Wenn ich mir leisten könnte, ihr Entrees zu verschaffen – aber du weißt ja, wie das ist, seit Ned tot ist.«
»Ich nehme sie sehr gern mit«, sagte Miss Van Schuyler. »Cornelia war immer ein nettes und praktisches Mädchen, sie ist immer da, wenn es etwas zu besorgen gibt, und nicht so eigensüchtig wie manche jungen Leute heutzutage.«
Mrs Robson stand auf und küsste ihrer reichen Verwandten die faltigen gelblichen Wangen. »Ich bin dir ja so dankbar«, erklärte sie.
Auf der Treppe kam ihr eine große, energisch aussehende Frau entgegen, in der Hand ein Glas mit einer schaumig gelben Flüssigkeit.
»Ach, Miss Bowers, also bald geht’s nach Europa?«
»Ja, ja, Mrs Robson.«
»Was für eine wunderbare Reise!«
»Ja, ja, sie dürfte sehr vergnüglich werden.«
»Sie waren doch schon im Ausland, nicht?«
»O ja, Mrs Robson. Ich war schon in Paris mit Miss Van Schuyler, im letzten Herbst. In Ägypten war ich allerdings noch nie.«
Mrs Robson zögerte. »Hoffentlich … gibt’s da keine … Schwierigkeiten.« Sie flüsterte fast.
Miss Bowers behielt ihre übliche Lautstärke bei. »O nein, Mrs Robson; dafür werde ich schon sorgen. Ich habe immer ein sehr scharfes Auge auf alles.«
Trotzdem blieb ein Hauch von Besorgtheit auf Mrs Robsons Gesicht, als sie langsam die Treppe weiter hinunterstieg.
X
In seinem Büro in Manhattan saß Mr Pennington über seiner Privatpost. Plötzlich ballte sich seine eine Hand zur Faust und sauste krachend auf den Schreibtisch; sein Kopf lief knallrot an, und auf seiner Stirn traten zwei dicke Adern hervor. Er drückte auf einen Summer auf dem Tisch, und prompt, wie es sich gehört, erschien eine aufgeweckte Stenotypistin.
»Sagen Sie Mr Rockford, er soll herkommen.«
»Ja, Mr Pennington.«
Ein paar Minuten später erschien Penningtons Partner, Sterndale Rockford, in seinem Zimmer. Die beiden Männer sahen sehr ähnlich aus – groß, schlaksig, mit angegrauten Haaren und schlauen, glattrasierten Gesichtern.
»Was gibt’s denn, Pennington?«
Pennington sah von einem Brief hoch, den er gerade noch einmal gelesen hatte. »Linnet hat geheiratet …«
»Was?«
»Sie haben doch gehört, was ich gesagt habe! Linnet Ridgeway hat geheiratet!«
»Wie? Wann? Warum haben wir nichts davon gewusst?«
Pennington sah in seinen Tischkalender. »Sie war noch nicht verheiratet, als sie den Brief hier geschrieben hat, aber jetzt ist sie es. Am Vierten, vormittags. Das ist jetzt.«
Rockford sank in einen Sessel. »Hui! Ohne Vorwarnung? Gar nichts? Wer ist denn der Bursche?«
Pennington sah wieder in den Brief. »Doyle. Simon Doyle.«
»Und was ist das für ein Mann? Schon mal von ihm gehört?«
»Nein. Sie schreibt auch nicht viel …« Pennington überflog noch einmal die Zeilen in der klaren, steilen Handschrift. »Hab das Gefühl, da ist ein Haken an der Sache … Aber das ist jetzt egal. Das Entscheidende ist, sie ist verheiratet.«
Die Blicke der beiden trafen sich. Rockford nickte. »Da müssen wir uns wohl ein paar Gedanken machen«, sagte er dann leise.
»Was sollen wir tun?«
»Frage ich Sie.«
Sie saßen schweigend da. Schließlich fragte Rockford: »Schon irgendeinen Plan?«
Bedächtig antwortete Pennington: »Die Normandie läuft heute aus. Einer von uns könnte es gerade noch schaffen.«
»Sie sind ja wahnsinnig! Was haben Sie vor?«
Pennington setzte an: »Diese britischen Anwälte –«, brach aber sofort wieder ab.
»Was ist mit denen? Sie wollen doch nicht etwa über den großen Teich, bloß um denen auf die Füße zu treten? Sie sind ja verrückt!«
»Ich wollte nicht vorschlagen, dass Sie – oder ich – nach England fahren.«
»Was haben Sie dann vor?«
Pennington strich den Brief glatt. »Linnet fährt in die Flitterwochen nach Ägypten. Will da einen Monat bleiben, oder auch länger …«
»Ägypten – ja?« Rockford überlegte. Dann sah er hoch und seinem Geschäftspartner in die Augen. »Ägypten – also das haben Sie vor!«
»Ja – ganz zufällige Begegnung. Gerade auf Geschäftsreise. Linnet samt Mann in Flitterstimmung. Könnte klappen.«
Rockford war nicht so sicher. »Linnet ist nicht dumm … andererseits …«
Pennington klang jetzt fast sanft. »Ich denke, es gibt da Möglichkeiten, das zu – deichseln.«
Wieder trafen sich ihre Blicke. Wieder nickte Rockford. »In Ordnung, Big Boy.«
Pennington sah auf die Wanduhr. »Wir müssen uns ranhalten – wer immer von uns fährt.«
»Sie fahren«, sagte Rockford sofort. »Sie hatten immer Schlag bei Linnet, ›Onkel Andrew‹. Das ist der Türöffner.«
Penningtons Gesicht bekam einen harten Zug. »Ich will hoffen, dass ich das Ding geschaukelt kriege.«
»Sie müssen es geschaukelt kriegen«, sagte sein Partner, »die Lage ist kritisch …«
XI
William Carmichael hatte einen Auftrag für den schmächtigen Jüngling, der fragend in der Tür stand: »Schick mir Mr Jim rein, bitte.«
Auch Jim Fanthorp sah seinen Onkel fragend an, als er eintrat. Der sah hoch, nickte kurz und grunzte: »Na, da bist du ja.«
»Du wolltest mich sprechen?«
»Guck dir das mal an.«
Der junge Mann setzte sich und zog einen kleinen Stapel Papier heran. Der ältere beobachtete ihn. »Na?«
Die Antwort kam prompt: »Sieht mir nicht sauber aus, Sir.«
Wieder stieß der Seniorchef von Carmichael, Grant & Carmichael seinen bekannten Grunzlaut aus.
Jim Fanthorp las noch einmal genau, was eben per Luftpost aus Ägypten eingetroffen war:
»… Es ist ja fast ein Frevel, an einem solchen Tag einen Geschäftsbrief zu schreiben. Wir waren jetzt eine Woche im Mena House und haben einen Ausflug zur Oase Fayoum unternommen. Übermorgen fahren wir mit dem Dampfer den Nil aufwärts nach Luxor und Assuan und vielleicht weiter bis nach Khartum. Heute Morgen waren wir wegen der Billette bei Cook’s, und was glauben Sie, wen ich da als Erstes treffe? – Andrew Pennington, meinen amerikanischen Treuhänder. Sie haben ihn, glaube ich, kennengelernt, als er vor zwei Jahren in Europa war. Ich hatte keine Ahnung, dass er in Ägypten ist, und er hatte keine Ahnung, dass ich hier bin! Nicht mal, dass ich geheiratet habe! Er muss den Brief, in dem ich es ihm geschrieben hatte, gerade verpasst haben. Und er macht doch tatsächlich dieselbe Dampferfahrt den Nil hinauf wie wir. Ist das nicht ein drolliger Zufall? Herzlichen Dank für alles, was Sie in der gedrängten Zeit getan haben. Ich –«
Der junge Mann wollte die Seite umdrehen, aber Mr Carmichael nahm ihm den Brief aus der Hand. »Das reicht«, sagte er. »Der Rest tut nichts zur Sache. Na, was hältst du davon?«
Sein Neffe überlegte einen Augenblick. »Na ja – ich glaube nicht an den Zufall …«
Der