Sandra Goldoni

Kates Abenteuer in Portici


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      »Nicht nur für den Altar«, korrigierte ihn Kate. »Auch der Eingang und jede Sitzreihe will Sharon feierlich schmücken lassen. Sie hat es mir am Telefon erzählt.«

      »Wow«, kam es von Mo, die sich das Foto der Kirche ansah. »Das wird ganz bestimmt eine traumhafte Hochzeit werden.«

      »Zeig doch mal her«, murrte Granny, die sich kurz von ihrem Sitz erhob und Mo das Foto aus der Hand nahm. »Oh, la Basilica di Santa Maria della Natività e San Ciro.«

      Mo zog ihre Stirn in Falten.

      »Wie bitte?«

      Granny nickte schmunzelnd.

      »So nennt sich dieses Gotteshaus.«

      Kate sah mit großen Augen zu ihr auf.

      »Und woher weißt du das?«

      »Sie ist sehr bekannt«, erklärte ihr Granny. »Nicht nur, weil sie so hübsch aussieht, sondern auch, weil sie am 16. Dezember 1631 durch den Ausbruch des Vesuvs verschüttet wurde.«

      »Ach herrje«, japste Mo. »Ist der Vesuv etwa dort in der Nähe?«

      Granny schüttelte ungläubig ihren Kopf.

      »Portici liegt am Fuße des Vesuvs, mein Kind.«

      »Du kennst dich ja wirklich gut aus«, wunderte sich Will.

      Granny wandte sich ihm zu.

      »Mein Name ist Granny Valuto, mein Junge.«

      Will schlug sich mit seiner flachen Hand gegen die Stirn.

      »Na klar, du bist ja auch eine Italienerin. Kommst du etwa aus dieser Region?«

      »Nicht aus Napoli, aber aus Kampanien. Allerdings habe ich dort keine Verwandten mehr. Sie sind zwischenzeitlich alle verstorben.«

      »Das gibt es doch gar nischt«, mischte sich Etienne, ein Franzose ein. Er saß Granny gegenüber und strich sich mit seiner Hand über seine polierte Glatze. »Die italienischen Familien sind, wie bei den Franzosen immer riesengroß. Irgendwelsche Neffen oder Nischten wirst du bestimmt noch ’aben?«

      »Sicher, aber zu denen habe ich keinen Kontakt mehr. Ich war nicht mehr in Italien, seit meine Eltern und meine Schwester gestorben sind.« Sie neigte nachdenklich ihren Kopf und meinte dann: »Mein letzter Besuch dürfte jetzt schon sechs Jahre her sein.«

      »Dann ist es ja umso besser, dass wir unsere Hochzeit in Italien feiern«, meinte Will. »Wird Zeit, dass du mal wieder in dein Heimatland kommst!«

      Von vorne war ein schriller Schrei zu hören.

      »Nein, habe ich gesagt. Du bleibst hier sitzen. Und zwar angeschnallt!« Kate reckte sich etwas, sah über Mo hinweg und konnte Despina sehen, die einen hochroten Kopf hatte. Ihr Blick folgte ihrem Mann, der auf dem Weg zu ihnen war. Jetzt konnte sie Derek sehen, einen ihrer beiden Söhne, der ebenfalls aufstehen und seinem Vater hinterherlaufen wollte. »Bleib sitzen, habe ich gesagt!«, fauchte Despina ihn an.

      »Ich wollte euch auch noch kurz gratulieren«, sagte Allen. »Im Namen von mir und meiner Frau.« Er deutete nach vorne. »Despina hat Flugangst, seit wir auf den Malediven waren. Sie möchte nicht, dass die Kinder aufstehen. Ich werde auch gleich wieder zu ihr gehen, aber ich dachte, wir sollten euch wenigstens mal schnell gratulieren.«

      »Das ist lieb von dir, Allen«, sagte Will. »Despina kann sich beruhigen, der Flug dauert ja nicht mehr lange.«

      »Knapp drei Stunden«, mischte sich Mo ein.

      Granny stand erneut von ihrem Sitz auf.

      »Papperlapapp. Wir sind doch schon über eine Stunde in der Luft«, murrte sie. »Ich gehe mal vor zu Despina. Vielleicht kann ich sie auf andere Gedanken bringen.«

      Als Kate ihr hinterher sah, konnte sie ihren langen grauen Haarzopf hin- und her schwingen sehen.

      »Sie ist immer so nett«, meinte Kate. »Ich glaube, Granny kann nichts aus der Ruhe bringen.«

      »Da hast du wohl recht«, sagte Allen. Er sah ihr ebenfalls hinterher, bemerkte dabei den besorgten Blick von seiner Frau und meinte: »Ich gehe besser auch wieder vor. Wir sehen uns ja dann, wenn wir in Neapel aussteigen.«

      »In Ordnung, Allen«, sagte Will.

      »Hu hu«, rief Jojo, der jüngste Sohn von Allen und Despina ihnen winkend zu. Er hatte es irgendwie geschafft sich umzudrehen und mit den Knien auf seinem Platz zu sitzen.

      »Setz dich wieder ordentlich hin«, tadelte ihn Despina genervt. Kate konnte jetzt auch Derek noch einmal kurz sehen. Er winkte ihnen ebenfalls zu, hörte damit jedoch sofort auf, als sein Vater wieder zu ihnen kam.

      »Du hast recht, Will. Die Kinder haben sich wirklich nicht verändert. Sie sind sogar immer noch so speckig, wie wir sie von den Malediven her kennen.«

      Es war bereits Nachmittag, kurz vor zwei, als sich der Pilot über Funk bei ihnen meldete.

      »Sehr geehrte Fluggäste, wir beginnen jetzt mit dem Landeanflug auf Neapel. Ich bitte Sie, Ihren Sitz in eine aufrechte Position zu bringen. Bitte bleiben Sie solange angeschnallt, bis die Triebwerke abgeschaltet wurden und die Anschnallzeichen über Ihnen erloschen sind. Aktuelle Wetterlage in Neapel, sonnig und mit dreiundvierzig Grad Celsius ziemlich warm. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt, hier in Napoli und bedanken uns für Ihr Vertrauen in unsere Crew.«

      »Sieh mal«, bat Kate ihren Mann und deutete neben sich zum Fenster hinaus. »Da führt eine Autobahnbrücke durch die ganze Stadt. Neapel ist ja wirklich riesig.«

       Die Ankunft

      Kurz vor zwei Uhr am Nachmittag kam die Maschine sanft auf dem Boden auf.

      Kate sah neugierig zum Fenster hinaus.

      »Wir haben ein herrliches Wetter, Schatz. Schau dir nur diesen atemberaubend blauen Himmel an.«

      »Ja«, sagte Will. Er blickte jedoch nicht hinaus, sondern kramte in Kates Handtasche herum.

      »Was suchst du denn?«

      »Hurley erwartet uns auf dem Parkplatz. Ich wollte ihn nur anrufen und Bescheid geben, dass wir gelandet sind.«

      Mo schnaubte laut.

      »Warte lieber noch, bis wir ausgestiegen sind«, warnte sie ihn. »Im Flugzeug soll man doch nicht telefonieren.«

      Rooie verdrehte ungläubig seine Augen.

      »In der Luft, Mo. Aber wir sind doch schon wieder am Boden.«

      »Sie hat ja recht«, beruhigte Will die beiden. »Ich warte noch, bis wir ausgestiegen sind.«

      Einer der Stewards öffnete ihnen jetzt die Tür.

      Kate spürte eine angenehm warme Luft in die Maschine hereinkommen, die verheißungsvoll nach Lavendel, Vanille, Fisch, Salz und Meer roch.

      Der Steward blieb neben der Tür stehen.

      »Ihr Gepäck wird Ihnen gleich hier draußen gereicht«, sagte er, während Kate und ihre Freunde an ihm vorbei, in die warme Sonne traten.

      »Danke«, sagte Kate. Sie stieg die Treppe hinunter, atmete die warme Luft tief ein und blieb mit ihren Freunden vor der Maschine stehen. »Oh ist das herrlich und man kann von hieraus sogar das Meer sehen. Sieh doch, Will.«

      »Ja. Und den Vulkan auch. Du musst dich nur umdrehen, Kate. Ist er nicht toll? Das ist der Vesuv.«

      Kate wandte sich zu ihm um.

      Er lag da, stumm, wie ein einfaches Hügelchen in einem Mittelgebirge.

      »Der sieht ja ganz harmlos aus«, sagte Kate etwas enttäuscht.

      »Sei froh«, meinte Jon. Er hatte seine Reisetasche schon in der Hand und sah ebenfalls zu dem Vulkan hinüber. »Ab und an bebt die Erde hier. Es ist, als würde der Vulkan die Menschen daran erinnern, dass er noch immer aktiv ist.«

      »Wirklich?«,