Klaus Paschenda

terrane Manifestationen


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auf alle Steuerungsfunktionen war möglich. Die Person im Fahrzeug war ebenfalls identifiziert. Es war die Juristin von ihrem Geschäftspartner in der Sache Nachrichtenübertragung durch verschränkte Signale. Die biometrischen Daten von Daphne liefen über die Screens, Größe, Gewicht, andere sehr persönliche Daten wie etwa Körbchengröße 75C. Eine derartige Informationstiefe war dem theoretischen Physiker Maxim peinlich. Da er sowieso gerade eine Pause machte, übermittelte er an alle: „Ich übernehme das, kommt rüber oder bleibt vor euren Screens.“ Die roten Leuchtdioden erloschen.

      Pierre meldete sich: „Das ist eine gute Gelegenheit, unseren neuen Empfang zu testen.“

      „Denke ich auch“, kommentierte Marie aus der Küche.

      „Benimm dich anständig und sei höflich zu der Dame“, warf Geniè ihm nach. Sie wusste, wie stur und steif ihr Bruder sein konnte. Maxim wies Watsons Kinder an, die Steuerung des Fahrzeugs zu übernehmen. Das Fahrzeug sollte langsam auf das Tor zu fahren, damit es direkt davor nochmals gescannt werden konnte.

      Daphnes Aufmerksamkeit richtete sich schlagartig auf die Kontrolle ihres E-Autos. Statt der Anzeige ‚Autopilot‘ stand dort ‚externe Steuerung‘. Sie hatte weder eine Anforderung dazu erhalten noch eine Freigabe erteilt. Gleichzeitig teilte ihr die freundliche Stimme der Bord-KI mit: „Ihre Fahrt wird fortgesetzt. Der Parkvorgang wird durch die KI der eingegebenen Zielkoordinaten übernommen.“ Damit hatte sie nicht gerechnet. Offensichtlich war man hier nicht nur auf dem aktuellsten Stand der Technik, sondern auch in der Lage andere Dinge zu tun. Kurz vor dem Tor verringerte sich die Geschwindigkeit auf Schritttempo. Das Tor öffnete sich. Der Wagen rollte langsam in einen dunklen Raum. Alle Wände schienen das Licht, welches durch das sich schließende Tor noch eindrang, zu absorbieren. Langsam erhellte eine diffuse Beleuchtung den Raum. Sie war von Spiegeln umgeben, kein Laut war zu hören. Ihr wurde ein wenig mulmig. Doch das Spiel mit der Realität ging weiter. Die Spiegel wechselten zu Bildern. Vor ihr schien der Weg durch eine grüne Wiese bis zum Horizont zu gehen. Sie schaute nach links, nach rechts: überall grüne Wiese, ein paar weiße Schäfchenwolken auf einem kitschig blauen Himmel. Hinter sich das gleiche Bild wie vorne, absolute Stille. Wusste man hier, warum sie kam: Die Frage nach der Realität. Bot man ihr deswegen diese Show? Sie hatte niemandem gesagt, dass sie diesen Besuch plante. ‚Ich hoffe nur, sie sind so freundlich, wie sie technisch gut sind‘, dachte sie. Sie löste den Sicherheitsgurt und wollte die Tür öffnen. Es blieb bei einem vergeblichen Versuch.

      „Guten Tag, Frau Konstantineopulos.“ Das war ihre Bord-KI.

      „Ebenfalls einen guten Tag. Dürfte ich bitte aussteigen?“, gab sie höflich zurück.

      ‚Wer oder was hat mein Auto gehackt? Gibt es auch Menschen hier? Was soll das werden? Vielleicht hätte ich mich doch anmelden sollen‘, ging es ihr durch den Kopf.

      „Sie sind nicht angemeldet. Haben Sie also bitte Verständnis, dass unsere Sicherheitsverfahren direkt greifen. Mein Name ist Maxim. Bitte legen Sie Ihr Tablet und Ihre Watch in das Sicherheitsfach Ihres Autos. Anschließend können sie aussteigen.“

      Sie folgte den Anweisungen. Das Fach verriegelte sofort. Das ging eigentlich nur durch Eingabe ihres persönlichen Codes. Offensichtlich auch geknackt. Die Fahrertür ließ sich öffnen. Ratlos, verunsichert stieg sie aus. Gekleidet hatte sie sich mit einem schlichten dunkelblauen Kleid, für ihren Berufsstand schon fast auffällig, aber laut Dress-Consultant waren blau, grau, weiß die passenden Farben in Frankreich. Mutige trugen einen Hauch rot dazu. Farblich ergänzte sie die Landschaft perfekt. Die Luft hatte sich in echte Landluft gewandelt, passend zu den Bildern, die sie umgaben. Aber kein Mensch weit und breit.

      „Sie haben doch keine Angst vor Hunden, oder?“, ließ sich Maxims Stimme vernehmen, die aber nicht zu orten war. Was half es, da musste sie durch. Schon hörte sie ein Tappen und ein großer Berner Sennenhund tauchte aus einer Nebelwolke auf, die vor einem Teil der linken Wand entstanden war. Er schnupperte, nahm ihren Duft auf, während sie ruhig, aber angespannt stand. Dann trollte er sich wieder davon.

      „Gut, für Hamlet sind Sie unauffällig!“, kommentierte Maxim und fuhr fort:

      „Es mag indiskret sein, aber wir haben Sie gescannt. Sicherheit wird hier sehr groß geschrieben. Das Ergebnis ist in Ordnung. Sie tragen keine aktiven Halbleiter, aber ein Silberkettchen, wenige kleinere Drahtteile konnten wir ebenfalls detektieren.

      Ich muss Sie darauf hinweisen, das alles, was Sie von uns erfahren, und ich ergänze, hier bei uns erleben, gemäß den Verträgen der absoluten Geheimhaltung unterliegt.“

      Durch die noch vorhandene Nebelwolke trat ein mittelgroßer Franzose etwas steif auf sie zu. „Folgen Sie mir bitte.“ Geheuer war ihr das nicht. Für einen Security-Typen bewegte er sich zu eckig, nicht sonderlich durchtrainiert, obwohl er ansonsten gut aussah.

      Offensichtlich befanden sie sich in einem Nebenraum des Torgebäudes. Ein kleines Fenster ermöglichte den Blick auf die umliegenden Felder. Moderne Technik konnte sie nirgends entdecken. Mit Holz verkleidete Wände und Lampen mit echten Glühbirnen waren im originalen Zustand von vor wahrscheinlich hundert Jahren. An einer Theke, auch schon älter, standen mehrere Hocker. Klassische Corbusier-Sessel36 in dunkelrotem Leder boten auf der anderen Seite des Raumes Sitzplätze an. Das war ein kleiner Stilbruch, harmonisierte aber mit dem gemütlichen Raum.

      „Mein Name ist Maxim, ich bin Mitbesitzer dieses Anwesens. Was darf ich Ihnen anbieten?“

      Augenblicklich erschien auf der Wand hinter der Bar ein Bild von mehreren Getränken. Die Holzwand war doch keine Holzwand. Realitäten waren hier nicht immer so real wie sie ausschauten. Sie wählte eine Orangina.37 Maxim öffnete umständlich eine Kühlschublade und stellte die kleine, kugelförmige Flasche auf die Theke. Daphne versuchte, die technische Ausstattung zu analysieren, fand aber keine Ansatzpunkte.

      „Was ist Ihr Anliegen?“ kam es kurz und knapp von Maxim. In seinem Kopf arbeitete es: Ob das jetzt unhöflich ist, so direkt zu fragen? Vielleicht sollte man es angehen, wie er es neulich in einer dieser Seifenopern gesehen hatte: ‚Oder machen Sie nur einen netten Landausflug? Dann muss ich Sie enttäuschen. Wir sind kein Motel, wo man nett mit dem Barkeeper schäkern kann. Obwohl, ich muss zugeben, bei Ihnen würde ich auch die Rolle des Barkeepers übernehmen.‘

      Da Daphne sich mit der Antwort Zeit ließ, konnte Maxim mit seinen Gedanken wieder zurückkommen.

      „Erstens bin ich grundsätzlich daran interessiert, meine Vertragspartner persönlich kennenzulernen. Da Sie mich nicht eingeladen haben, schau ich von mir aus hier vorbei. Zweitens ist für mich aus dem letzten Treffen mit Ihrer Gruppe noch die Frage der realen Wahrnehmung beispielsweise eines Tisches offen. Ich nehme an, Sie kennen das Protokoll.“

      „Ja, ich lese alle Protokolle“, bestätigte Maxim. ‚Was soll ich sonst sagen‘, dachte er, ‚dass ich ihren Lebenslauf, ihre Schuhgröße oder was auch immer kenne. Sie wird ebenfalls genau wissen, wer ich bin.

      Geniè wäre wahrscheinlich jetzt frech: Wo ist denn, bei der ganzen Technik, das Problem mit dem Tisch? Soll ich die Orangina vielleicht auf den Fußboden stellen? Dann können wir die Theke entsorgen und sind das Tischproblem los.‘

      Maxim versuchte es mit einem einfachen Satz: „Der Tisch hier, auf dem ihre Orangina steht, existiert.“

      Daphne schaute ihn verdutzt an. ‚War der immer so kommunikativ?‘ Sie wusste, dass er Physiker war, aber das Thema war sachlich und unpersönlich. ‚Da konnten die doch auch wohl reden oder? Vielleicht kann ich ihn ein wenig aus der Reserve locken.‘

      „Sie sollten wissen, dass der Tisch hier nur scheinbar existiert“, erwiderte sie „und auch die Orangina existiert ebenfalls nur vermutlich.“

      ‚Warum sollten Orangina und Tisch nur vermutlich existieren? Die Frage hatten wir doch schon beantwortet.‘

      Da fiel Maxim auf, dass er weder die Flasche geöffnet noch ein Glas dazugestellt hatte.

      ‚Manchmal bin ich ein echter Depp‘, dachte er. Schweigend öffnete er die Flasche.

      Jetzt brauche ich einen netten Satz.‘

      „Sie