Klaus Paschenda

terrane Manifestationen


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      „Habe ich euch so weit, dass wir reden können?“

      „Wir haben doch dich!“ meinte spitz Geneviève.

      „Ok, Geniè, aber nur wenn du all die Fragen, die ich gerade gestellt habe, nach wissenschaftlichen Verfahrensstand von heute mir schriftlich beantwortest.“

      „Krämerseele“, war ihr Kommentar, auch wenn sie eigentlich nicht wusste, was hinter diesem Wort stand.

      Sokrates ließ sich nicht beirren: „Jeder von uns könnte das, was ich jetzt sage, vortragen. Gelegentlich muss man sich nochmals die Grundlagen in den Kopf holen.

      Zur Erinnerung: Wie ihr alle wisst, sollte man beim Denken mit Systemen beginnen. Systeme sind eine Konstruktion der abstrakten Wissenschaften. Wie komme ich zu einem System? Ein System existiert in einer Umgebung, das heißt, wir ziehen eine Grenze um etwas, dass wir in Zukunft System nennen. Die Grenze eines Systems kann diverse Eigenschaften aufweisen. Ihr wisst ja, offene Systeme, geschlossene Systeme und so weiter.

      Anders gesagt: Die Definition von System und Umwelt wird vom Beobachter vorgenommen. Es ist eine Betrachtungsweise. Das System Mensch ist bildlich leicht abzugrenzen. Für unser IT-System sind die Grenzen überlebenswichtig, aber wo sie überall hergehen, können wir uns nicht so einfach vorstellen. Da ist viel zu tun, bis auch beim letzten vernetzten Kühlschrank die Grenzen klar formuliert sind. Wenn wir das nicht im Griff haben, ist es um die Abgeschlossenheit unserer Daten schlecht gestellt. Und ihr habt Gigawatts durch eine uns unbekannte Systemgrenze geschickt!

      Unsere gesamte bekannte vierdimensionale Welt, die höheren Theorien lasse ich außen vor, bildet für uns ein System. Was hinter der Grenze dieses Systems ist, wissen wir nicht. Unser System befindet sich in einer unbekannten Systemumwelt. Jemand, der dort sitzt, wird aus seiner Perspektive unsere vierdimensionale Welt als Teil seines Heimatsystems sehen. Daher die Frage:

      Was haben wir in einem System? Viele Dinge, die aus einer anderen Sichtweise betrachtet, ebenfalls Systeme sein können. Ein System ist eine Menge von Elementen, die untereinander in einer Beziehung stehen. Die Beziehung kann auch darin bestehen, dass keine Beziehung besteht, quasi die Null der Beziehungen.

      Jedes Element eines Systems kann selber ein System sein. Umgekehrt ist jedes System ein Element innerhalb seiner Umgebung, innerhalb eines größeren Systems. Die Begriffe System und Element sind zueinander komplementär24. Ihnen wohnt eine Rekursivität25 inne. Das Ganze hängt wie gewöhnlich von Ort und Zeit ab, so auch die Systemgrenze, die wir durch unsere Betrachtung in der Wirklichkeit ziehen.

      Was bedeutet das für unser Experiment?

      Aus Sicht auf die Systemgrenze ist damit nachgewiesen, dass unser bekanntes Universum kein abgeschlossenes System ist. Grundsätzlich ist damit ein Verlassen unserer Welt möglich. Herzlichen Glückwunsch! Oder vielleicht auch nicht!

      Aus Sicht der Elemente unseres Systems: Ihr habt ein Element in unserem System gefunden, welches zugleich Element in einem anderen System ist. Dieses andere System ist uns im Moment absolut unbekannt. Da es Energie aufnehmen kann, muss es eine gewisse Ähnlichkeit mit unserer Welt haben.

      Ihr habt Unmengen an Energie in die fremde Welt transferiert. Welche Systemänderungen habt ihr angestoßen? Stellt euch vor, hier in unserer Mitte würden plötzlich einige Gigawatt auftauchen. Wir wollen doch lieber an unserem kuscheligen Feuer sitzen.

      Keiner hier kennt die Konsequenzen, die sich aus eurem Handeln ergeben werden. Unsere primäre Aufgabe ist zu klären, dass wir nichts Böses oder Schädliches anstellen.“

      Betroffenheit machte die Runde. Was Sokrates gesagt hatte, war ihnen ja bekannt. Diese Standpauke erdete sie wieder. Dabei war es so schön gewesen, ungehemmt neue Dinge zu entdecken.

      „Gut“, meinte Lodo, „dieser Rücksturz zur Erde war notwendig. Das war eine Alpha-Order unseres alten Griechen. In der Sache haben wir eine ernste Situation. Also: Tragen wir alles zusammen, was wir über dieses Element, durch das die Energie verschwunden ist, wissen. Wir sollten es Brücke nennen. Zumindest unseren Brückenkopf kennen wir. Das ist der MF_02 im Moment.

      Zweitens benötigen wir vorläufige Theorien für die Konstruktion des Durchgangs, Übergangs in das fremde System. Anschaulich gesprochen: Wie geht man über diese Brücke? Was darf man mitnehmen? Und was sollte man tunlichst lassen? Wenn ich für unser System Alpha und das andere System Beta einsetze, heißt das, wie geht man in Beta hinein, was darf und kann ich dort tun? Und gibt es noch ein Gamma oder auch ein Omega?

      Und drittens: Was machen eigentlich Watsons Kinder, unsere KI, sind sie eingebunden, wenn ja, wie? Ich schlage vor, dass wir unsere Vermutungen inklusive ihrer Begründungen bezüglich der anderen Welt zentral in die KI einspeisen. Die Schwarzwälder sollen dann alles, was an Software zum Theoretisieren zu haben ist, damit beschäftigen. Auch ein Weg. Wir haben hier die Chance, die Entwicklung einer Theorie und die damit verbunden Technik gleichzeitig zu erfassen. Das in ein evolutionäres Softwaremodell zu übertragen, könnte helfen.“

      Geniè war mit den Gedanken schon in der Zukunft: „Weiter ist zu klären, ob mit Beta kommuniziert werden kann.“

      Das war Lodo zu viel: „Stopp! Wir haben null Ahnung, was dahinter ist. Wissen nicht, wie wir schreiben müssen, geschweige denn, dass wir einen Brief über die Brücke bringen können.“

      Pierre ergriff das Wort: „Wo wir bei der Generaldebatte sind. Lodo und ich haben die Box gebaut, Stand MF_02 im Moment, die unser Brückenkopf nach Beta ist. Dahinter steckt die Theorie, die im Wesentlichen von Marie und Maxim mathematisch formuliert wurde. Im Grunde ist es einfach. Man nehme einen Satz von Regeln, wende diese Informationsstruktur auf ausgewählte Materie an und erhält ein zeitlich stabiles Raumgebiet in der Box. Bisher wissen wir, dass alles, was wir hinein stecken, spurlos aus unserer Welt verschwindet.“

      Maxim meldete sich zu Wort: „Pierre und Lodo haben lediglich einen Teil der Theorie in die Praxis umgesetzt. Allgemeiner geht das so: Man wähle ein paar Gesetze, wende sie auf ein X an und erhält das, was ich als Manifestation definiere. Es ist wie beim Kochen. Man nehme die Regeln des Rezepts, wende sie auf die Zutaten an und es manifestiert sich hoffentlich was Essbares. So gesehen sind auch Menschen Manifestationen, nämlich die Anwendung der Naturgesetze, die hier gelten, auf das hier vorhandene, vornehmlich energetische, materielle X.

      Eine Theorie ist ebenfalls eine Manifestation, nämlich die Konstruktionsregeln zum Bau einer Theorie angewandt auf ein anderes X, das hier aus unserer Sicht eher informationelle Dimensionen hat. Da es für alles und jedes Regeln gibt, die man auf ein X anwenden kann, ist folglich alles und jedes so gesehen eine Manifestation. Weiter gedacht: Die erste Metatheorie26 besagt dann, dass ein Manifestationsprozess ebenfalls eine Manifestation ist. Vermutlich ist diese Rekursivität im Sinne der klassischen Mathematik unendlich. Das hat im Moment keine Bedeutung für uns, obwohl ich da Hypothesen habe.“

      „Bleiben wir auf dem Teppich; jetzt ist ja allen klar, worum es geht“, schaltete sich Geniè ein. „Für die Box, den MF_02, kennen wir X und die Regeln zumindest in dem Sinne, dass wir sie konstruieren können. Da die Box von Beta aus betrachtet auch existiert, ist Beta ebenfalls eine Manifestation, die zumindest in Teilen auf energetischer Basis beruht. Hat Sokrates ja schon vorhin aus Systemsicht begründet. Solange wir nichts Besseres wissen, sollten wir annehmen, dass unsere Gesetze bezüglich der Quantengravitation auch dort gelten.“

      Sie fuhr fort: „Ich habe einen Kommunikationsversuch dorthin vorgeschlagen. Wir sollten verschränkte, modulierte Photonen einsetzen. Das sollte gehen, oder könnt ihr das nicht?“

      „Langsam, ganz langsam“, meinte Sokrates, „die Verschränkung verknüpft Beta direkt mit uns. Das könnte ein Risiko sein!“

      Unsichere Blicke gingen durch die Runde. Aber sie waren schon wieder auf dem Trip.

      „Wir sollten die notwendigen Modifikationen an der Box hinkriegen. Was meinst du