dieser drei Monate erlebt. Sie marschierten stundenlang! Oft wanderten sie zwanzig Stunden lang durch, ohne zu schlafen. Eine Frau wäre einmal fast einen Abgrund hinuntergestürzt, aber Farid konnte sie in letzter Sekunde festhalten und rettete damit ihr Leben. Ihr eigener Mann stand nur verzweifelt daneben und war nicht fähig, zu reagieren. Er war selbst so kaputt, dass er nicht einmal seine eigene Frau vor dem sicheren Tod hätte bewahren können. Farid half vielen auf diesem schweren Weg. Er trug einen kleinen Jungen, der nicht mehr weitergehen konnte, obwohl einer der Schlepper ihn aufforderte, das Kind zurückzulassen. „Wer nicht selbst gehen kann, der wird es auch später nicht schaffen!“, sagte der Schlepper zu ihm. Aber Farid half dem erschöpften Buben trotzdem und trug ihn, oder erzählte ihm Geschichten, um ihn von der schlimmen Situation abzulenken. Er war ein guter Mensch, der gerne anderen in der Not half. Obwohl er in seinem Leben so schlimme traumatische Dinge erlebt hat, bewahrte er sich trotzdem seine Güte und Herzenswärme.
Plötzlich ruckelt das Flugzeug und beinahe hätte ich mein Buch fallen lassen. Die Maschine wackelt und bebt. Es fühlt sich an, als würden wir mit einem riesigen Schlitten über eine harte, holprige Schneebahn jagen. Ein paar Reihen vor mir schreit eine Frau kurz auf. Etwas weiter hinten beginnt ein kleines Kind zu weinen. Ich bin damit beschäftigt, das Ende des Buches zu lesen, das mir ein Unbekannter vor mehreren Monaten anonym zugeschickt hat. „Der geheimnisvolle Fremde“ von Mark Twain. Ich entdeckte es vor Monaten in meinem Postkasten. Voller Überraschung und Freude trug ich es, zusammen mit der Post, in meine Wohnung. Oben angekommen, machte ich das Päckchen auf. Nirgends war ein Absender zu finden. Das Päckchen enthielt dieses Buch von Mark Twain und einen kleinen Zettel, der wie ein Lesezeichen darin steckte. „Ich wünsche dir, dass es dir immer gut geht, und dass du glücklich bist!“, stand in schöner, geradliniger Handschrift darauf geschrieben. Bis heute weiß ich nicht, wem ich dieses Büchlein zu verdanken habe. Aber es ist auch egal – es hat sich jemand Gedanken über ein Geschenk für mich gemacht! Nur das zählt für mich. „Der geheimnisvolle Fremde“ von einem geheimnisvollen Fremden.
Die Turbulenzen sind sehr stark. Die meisten Passagiere haben Angst. Ich fürchte mich nicht. Ich habe während des letzten Jahres so viele Schwierigkeiten und Tiefpunkte erlebt, dass es mir egal wäre, wenn das Flugzeug wirklich abstürzen würde. Ich bin völlig ruhig und entspannt. Neugierig beobachte ich die Reaktionen der anderen Passagiere. Sie werden unruhig. Geflüster mischt sich unter das Dröhnen der Maschine. Ein paar Reihen vor mir, beginnt ein weiteres Kind zu weinen. „Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis sich das Wetter wieder beruhigt hat!“, ertönt die Stimme einer Stewardess. Plötzlich klappt der Deckel eines Gepäckfachs, schräg über mir, auf. Eine Tasche donnert laut zu Boden. Noch mehr Kinder beginnen zu weinen und die Frau unter dem, nun weit geöffneten Gepäckfach, stößt einen lauten Schrei aus. Eine rothaarige Flugbegleiterin eilt sofort herbei, um das Gepäckstück wieder in das Fach zu räumen und die erschrockenen Leute zu beruhigen. Ein Kind, aus der letzten Reihe, beginnt nun laut zu schreien. Schnell läuft ein Mann von hinten nach vorne. Die Flugbegleiterin, die immer noch mit der erschrockenen Frau unter dem besagten Gepäckfach beschäftigt ist, ermahnt den Mann, sich wieder auf seinen Platz zu setzen. Das Kind schreit und weint immer lauter. Die Stimmung im Flugzeug wird unangenehm unruhig. Der Mann wechselt mit der Stewardess ein paar Worte, dann laufen beide zu dem Platz ganz nach hinten. Neugierig drehen sich plötzlich die meisten Passagiere um. Auch ich werfe einen Blick zurück. Inzwischen laufen zwei weitere Flugbegleiterinnen zu dem schreienden Kind. Eine davon hat einen Erste-Hilfe-Koffer dabei. Ein Mann, drei Reihen vor mir, schnallt sich ab und geht selbstbewusst ebenfalls nach hinten. „Ich bin Arzt“, höre ich ihn sagen. „Kann ich helfen?“ Langsam beruhigt sich das Kind. Ich schaue nicht mehr zurück, aber immer wieder sehe ich, wie sich die neugierigen Köpfe der Passagiere vor mir, vorsichtig nach hinten drehen. Langsam lassen auch die Turbulenzen nach. Es wird wieder ruhiger in dem Flugzeug und schon bald werden die Leute vergessen haben, dass es überhaupt Turbulenzen und ein Kind mit offensichtlichen Problemen gab. So wie sie alles sofort vergessen – als wären sie alle nur auf kurzzeitiges Erinnerungsvermögen programmiert. Zumindest weiß ich, wie dieses Buch endet! Egal, was auch passiert, es ist wichtig, den Schluss eines stundenlang gelesenen Werkes zu kennen, bevor man stirbt! Und somit genieße ich den turbulenten Flug und lese entspannt das Finale: >>Es stimmt, was ich dir enthülle; es gibt keinen Gott, kein Weltall, kein Menschengeschlecht, kein irdisches Leben, keinen Himmel, keine Hölle. Es ist alles ein Traum – ein grotesker und törichter Traum. Nichts existiert, nur du. Und du bist bloß ein Gedanke – ein schweifender Gedanke, ein nutzloser Gedanke, ein heimatloser Gedanke, der inmitten leerer Ewigkeiten umherwandert!“ Er verschwand und ließ mich entgeistert zurück; denn ich wusste und sah ein, dass alles, was er gesagt hatte, Wahrheit war.<<
Emal hieß uns, zusammen mit seiner Freundin Nicole, willkommen. Mein Hund Felix durfte auch mit, obwohl eine Katze im Haus war. Aber Felix, mein eleganter Spaniel, hatte kein Interesse an Katzen. Er war sehr folgsam und ruhig. Nicole war ebenfalls um einiges älter als Emal und hatte ein großes, wunderschönes Haus. Sie ließ sich vor zwei Jahren scheiden, weil sie sich unsterblich in Emal verliebt hatte. Sie hatte zwei minderjährige Kinder. Wir machten es uns auf der großen, weißen Couch im Wohnzimmer bequem. Emal und Nicole waren sofort damit beschäftigt, uns zu bewirten. Wir bekamen Safran-Tee und sehr gute, orientalische Kekse. Wir verbrachten einen sehr netten Abend miteinander. Die beiden Männer freuten sich, dass sie sich nach fast vier Jahren wiedersahen und gleichzeitig überschattete eine große Sorge unsere Runde, nämlich dass Farid noch immer nicht am Ziel war, während Emal bereits eine Lehre begonnen hat und bereits fix in Deutschland bleiben durfte. „Und Heiraten in Österreich bringt auch nichts?“, fragte Emal vorsichtig. „Für Asyl bringt das gar nichts“, antwortete Farid. „Wir haben uns schon erkundigt, weil wir wollen heiraten, auch wenn es für das Asylverfahren nichts bringt. Aber es ist insgesamt sehr schwierig, weil ich keine Papiere habe. Die Polizei hat meine Dokumente behalten, als ich mich in Österreich angemeldet habe. Ohne Dokumente kann man nicht heiraten. Und damit es für Asyl etwas bringt, müsste ich nach dem Heiraten die EU verlassen und dann einen Antrag stellen, um wieder zurückkommen zu können. Und dafür vergehen mindestens drei Monate! Es kann aber auch ein paar Jahre dauern!“, erklärte er weiter. Aber dann sprachen wir auch schon wieder über andere Themen, um diese Situation zu verdrängen. Es hat keinen Sinn, über etwas zu sprechen, das man nicht ändern kann. Die beiden Männer haben sich schon lange nicht gesehen. Da ist es bestimmt besser, über Themen zu reden, die schön sind und Energie geben. Deshalb entschieden wir uns, an diesem Abend Spaß zu haben und über die ganzen Probleme weder nachzudenken, noch zu sprechen. Erst spät nachts gingen wir dann ins Bett. Nicole hat uns das Bett im Gästezimmer frisch gemacht. Überall roch es nach orientalischen Gewürzen und überall standen Figuren aus fernen Ländern. Wir schliefen sehr gut in dieser Nacht und fühlten uns wohl. Es war so schön, wieder mit ihm einzuschlafen. Ich habe seine Nähe so vermisst. Seine zärtlichen Küsse bedeckten mein Gesicht und meinen Körper, bis ich einschlief. Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam und verbrachten einen wunderbaren Tag in München. Das Wetter war schön und warm. Wir blieben noch den ganzen Tag zusammen. Nicole und Emal waren beide der Meinung, dass es besser wäre, wenn Farid weiterhin in Österreich bleiben würde. „Vielleicht schaffst du doch noch eine positive Lösung?“, meinte Emal. „Nein, es hat keinen Sinn, ich habe alles versucht“, antwortete Farid. „Ich will nicht abgeschoben werden!“
Es ist unglaublich, was die Regierungen auf der ganzen Welt tun, um an Geld und Macht zu kommen. Menschenleben sind völlig egal! Hauptsache, die selbsternannte Elite kann ihren Willen durchsetzen und so viel Geld bekommen, wie sie niemals in ihrem Leben ausgeben kann. Es geht ihnen nur um die Macht über andere Menschen. Nur aus diesem Grund ist die EU an Abschiebungen nach Afghanistan so interessiert. Und nur aus dem Grund ist die EU auch so brutal in der Durchsetzung dieser Abschiebungen von Menschen, die zu uns kommen, weil sie Hilfe brauchen. Sie flüchten aus Ländern, in denen die westlichen Länder Krieg führen! Es geht den weltbeherrschenden Eliten einzig und allein nur darum, Länder auszubeuten, Waffen und Munition zu verkaufen – Menschen zu ermorden und immer beide Seiten des Krieges zu finanzieren. Die Gewinner und die Verlierer der Kriege bewirken, dass diese wenigen Menschen, die die Welt beherrschen, noch mehr Geld und Macht bekommen – die Frage ist eigentlich, ob es sich dabei tatsächlich um Menschen handelt. Die Welt soll permanent gespalten und in Angst und Schrecken versetzt werden. Die gekauften