konnte, immer noch sehr wichtig. Ich wollte meinem geliebten Paps seine letzten Lebenstage so angenehm wie möglich gestalten und das beinhaltete nunmal auch die Katzen. Noch mehr enttäuscht von der Welt und von meinem Leben und dem ganzen Chaos darin, verabschiedete ich auch diesen Tag. Warum muss man bloß immer wieder am nächsten Tag aufwachen? Ich sehnte mich oft danach, einfach für immer einzuschlafen. Aber einen Lichtblick gab es trotzdem einige Tage später. Gabi wollte wieder zurückkommen. Sie hat sich entschuldigt. Es hat ihr leidgetan, dass sie sich von Elena überreden ließ, bei den Forderungen mitzumachen. Ich war froh, dass sie bleiben wollte, denn ich mochte sie sehr. Sie ist über die Jahre eine richtig gute Freundin geworden. Also brauchten wir nur einen Ersatz für Elena zu suchen.
Die Woche verging unendlich langsam. Farid meldete sich nicht und der gefürchtete Freitag kam immer näher. Vergeblich wartete ich darauf, dass er mich doch noch zu seiner Abschiedsfeier am Donnerstag einlud. Er meldete sich nicht. Und plötzlich war der Freitag da und ich erhielt eine Nachricht von ihm: „Wenn du heute um 18.00 Uhr zum Bahnhof kommst, dann können wir uns noch ein letztes Mal treffen. Um 19.00 Uhr geht dann mein Zug.“ Ich war erleichtert und erfreut! Auch wenn er sich nur eine Stunde für mich Zeit nehmen wollte, war das für mich besser als nichts. Selbstverständlich stimmte ich zu und es war ganz klar, dass ich eine Viertelstunde früher in der Bahnhofshalle vor dem Mc Donalds stand und auf ihn wartete. Ich stand da, in meinem schönen, blauen Kleid und spürte, wie mich die Männer gierig anstarrten.
Und dann kam er. In Jeans und einer schwarzen Lederjacke, sowie mit einem riesigen, blauen Rucksack. Er schenkte mir das süßeste, zarteste Lächeln, als er mich sah und auf mich zukam. Wir umarmten und küssten uns. Danach setzten wir uns in das Lokal, ohne etwas zu konsumieren. Das war kein Problem – waren doch genügend Leute in der Bahnhofsfiliale, sodass es gar nicht auffiel, dass wir uns einfach so hineinsetzten. Wir saßen uns gegenüber. Ich wollte jede Sekunde mit ihm nutzen – noch dazu, wo uns anscheinend nur noch Sekunden blieben. „Wenn du möchtest, dann kann ich dich sofort, zumindest nach Deutschland fahren!“, sagte ich zu ihm. „Dann musst du das Risiko, im Zug erwischt zu werden, nicht eingehen!“ Farid sah mich ganz überrascht an. Damit hatte er nicht gerechnet. „Warum willst du denn sowas machen?“, fragte er erstaunt. „Ich liebe dich und ich mache mir Sorgen um dich“, erklärte ich ihm und senkte dabei meinen Blick. Ich schämte mich ein bisschen, dass ich diese starken Worte zu ihm sagte, obwohl ich ihn doch eigentlich noch überhaupt nicht kannte. Aber was hatte ich schon zu verlieren? Wofür sollte ich mich schämen? Es war gut möglich, dass ich ihn sowieso zum letzten Mal in meinem Leben sah. Was spielte es da schon für eine Rolle? Wann, wenn nicht jetzt – in diesem Moment! Es ist wichtig, absolut ehrlich zu sein und dem Menschen, den man liebt, zu sagen, was einem wirklich im Herzen steht? „Das ist wirklich sehr lieb von dir und damit hätte ich auch niemals gerechnet“, antwortete er. „Aber du brauchst das nicht machen. Ich fahre heute nach Graz zu meinem Cousin und der bringt mich morgen an die Grenze und von dort aus habe ich dann schon einen Plan, wie es weitergeht. Ich werde das schon schaffen, keine Sorge!“ Obwohl er meine Hilfe nicht in Anspruch nehmen wollte, veränderte sich trotzdem sein Gesichtsausdruck. Er sah weich und glücklich aus. Es war diese Liebe, die ihm offensichtlich jetzt erst bewusst wurde. Wahrscheinlich hätte er nicht gedacht, dass ich mich in ihn verlieben könnte – noch dazu nach so wenigen Begegnungen. Ein Inder betrat das Restaurant. Er hatte einen Bund mit großen, roten Rosen im Arm und versuchte diese zu einem teuren Preis an den Tischen zu verkaufen. Er kam auch zu unserem Tisch. Farid versuchte, ihn abzuwimmeln. Dann entschloss er sich doch, eine Rose für mich zu kaufen. „Danke für alles und bleib so, wie du bist!“, sagte er sanft und überreichte mir die Rose. Schon wieder spürte ich, wie meine Augen schmerzten und sich mit Tränen füllten. Aber ich riss mich zusammen. Nur dieses Zusammenreißen bewirkte, dass ich kein Wort herausbrachte. „Ich muss jetzt gehen“, sagte er weiter. „Geh noch nicht!“, presste ich hervor. „Ich muss“, sagte er sanft. „Mein Zug geht in zehn Minuten.“ Während ich aufstand, seufzte ich laut und kniff kurz meine Augen zu, um die Tränen ein wenig unterdrücken zu können. „Okay“, antwortete ich wie jemand, der gerade einen Kampf verloren hatte. „Dann werde ich dich zum Bahnsteig begleiten.“ Farid lächelte. Wieder freute er sich über meine Reaktion. Arm in Arm verließen wir das Lokal und stolz trug ich seine Rose. „Ich war richtig eifersüchtig, als ich dich so beim Eingang stehen sah“, flüsterte er mir zu, während wir zum Bahnsteig gingen. „Alle Männer haben dich angeschaut, in deinem schönen, blauen Kleid. Am liebsten wollte ich alle verjagen! Ich war plötzlich so eifersüchtig!“ Wir lachten beide und irgendwie spürte ich, dass sich innerhalb dieser einen Stunde seine Einstellung zu mir grundlegend verändert hat. Ich hatte schon auch vorher das Gefühl, dass er mich mochte und mich sympathisch und anziehend fand. Aber trotzdem änderte sich während dieser Stunde auch bei ihm etwas. Er fasste Vertrauen zu mir und tiefen Respekt vor meinem Verhalten. Vielleicht hielt er es nicht für möglich, dass sich Liebe so schnell entwickeln kann. Ausgesprochen werden diese Worte für viele leicht – doch nicht leicht für mich. Ich bin ein Mensch der Taten! Wenn ich jemanden von ganzem Herzen liebe, dann bin ich bereit, für diesen Menschen alles zu tun! Ich wäre auch bereit, für die Liebe zu sterben. Es spielte keine Rolle, wie lange ich ihn in diesem Leben kannte, denn von meinem Gefühl her, kannte ich ihn schon seit ewigen Zeiten!
Gemeinsam standen wir am Bahnsteig. Es war kalt, schließlich war es 19.00 Uhr, Anfang April. Ich stand da, in meinem kurzen, engen Kleid, einer schwarzen Übergangsjacke und schwarzen Overknees. Kurze Zeit später rollte der Zug in den Bahnsteig ein. Ich umarmte ihn, als würde ich in einem Meer von Gefühlen ertrinken und verzweifelt nach dem Rettungsring greifen wollen. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten. Ich wollte mir für immer in Erinnerung rufen, wie sich sein Körper anfühlte, seine Küsse, seine Umarmung, sein Geruch. Ich versuchte mir jede Berührung und jedes Wort ins Bewusstsein zu brennen, um dieses Gefühl nie wieder zu vergessen. „Bitte lass mich morgen zu der Grenze kommen!“, flehte ich ihn an. „Ich warte auf der Deutschen Seite auf dich und fahre dich zu deinem Freund nach München.“ Er hatte mir kurz vorher verraten, dass er zuerst ein paar Tage bei seinem Freund in München wohnen wollte, bevor er sich auf den Weg nach Frankreich macht. „Ich lasse es dich wissen!“, hauchte er mir zärtlich ins Ohr. Dann wollte er in den Zug steigen. Mein Herz schlug bis zum Hals, ich hatte solche Angst, dass ich ihn nie wiedersehen würde, dass er mich am nächsten Tag nicht anrufen würde. „Bleib noch!“, rief ich und hielt ihn fest. Ich drückte ihn ganz fest an mich und konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Schließlich befreite er sich sanft aus meiner Umarmung, küsste mich ein letztes Mal auf die Stirn und stieg in den Waggon ein. In mir schien alles zusammenzubrechen. Meine Sorgen um ihn waren riesengroß. Ich wollte meinen Seelenpartner nicht verlieren, nach dem ich schon mein ganzes Leben lang gesucht hatte. Er setzte sich extra an ein Fenster zum Bahnsteig hin, um mir noch zuzuwinken, während der Zug langsam anrollte. Ich sah dem Zug lange nach. Die Schienen machten weiter vorne eine leichte Linkskurve. Der Zug fuhr langsam und leise aus dem Bahnhof. Es war trüb, grau und kalt um diese Uhrzeit. Ich sah dem Zug so lange nach, bis er vollends verschwunden war und sogar dann konnte ich meinen Blick immer noch nicht abwenden. Ich starrte in die Richtung, in die meine große Liebe, mein Seelenpartner, mein Lieblingsmensch, in eine ungewisse Zukunft zusteuerte. Mein Herz war gebrochen als ich den Bahnsteig verließ. Beim Gang durch die Bahnhofshalle, fühlte ich eine unglaubliche Schwere im Herzen. Eine unglaubliche Trauer und Verzweiflung. Ich wollte alle Hebel in Bewegung setzen, um ihm zu helfen. Am liebsten hätte ich ihn angerufen und gesagt, dass alles in Ordnung ist und er wieder zurückkommen kann. Ganz bewusst ging ich noch einmal zu dem Mc Donalds, obwohl er nicht auf meinem Weg lag. Ich stand davor und rief mir noch einmal jede einzelne Minute in Erinnerung, die ich mit ihm zuvor in dieser Filiale erlebt hatte. Unser Platz war noch immer unbesetzt und der Zauber lag immer noch in der Luft. Obwohl viele Leute drinnen waren, hat sich niemand auf unseren Platz gesetzt. Seufzend roch ich an der Rose, die er mir geschenkt hat. Sie roch sehr gut und frisch. Es war eine wunderschöne, rote Rose. Aber es ist doch normal, dass man jede Rose und jedes Geschenk liebt, das man von einem geliebten Menschen bekommen hat. Dann drehte ich mich um und ging langsam durch die Bahnhofshalle hinaus zum Parkplatz, wo mein Auto stand. „Bitte, ruf mich morgen an und sag mir, dass du willst, dass ich dich zu deinem Freund fahre!“, sagte ich im Auto zu mir selbst.
Zu Hause angekommen, sprühte ich die Rose sofort und ganz intensiv mit Haarspray ein. Es war zwar momentan schade