bewirkt hatte.
Jedenfalls war es so gekommen, wie es nach dem Trennungsspektakel kommen musste. Die Turbulenzen mündeten in ein Aufbäumen meinerseits, aber leider auch in die Kälte meiner Gefühle, und die richtete sich gegen alle Frauen, auch gegen die, die mich bewunderten.
Besonders zwei verwundete Opferlämmer können ein trauriges Lied darüber singen, denn sie waren die Leidtragenden an der Geschichte. Sie machten schmerzvolle Erfahrungen mit mir, also mit einem Mann, der von seiner Verzweiflung aufgefressen wurde.
Doch das Thema auszubreiten würde zu weit führen. Dazu später mehr. Ich werde den Verwicklungen nicht vorgreifen.
Fest steht jedenfalls, und dazu gibt es keine zwei Meinungen, dass mich meine Liebe zu Lena aus meiner Lebenskrise herausgeholfen hat. Aber bin ich mir meiner Gefühle so sicher? Bin ich tatsächlich über meine Zuneigung zu Karla hinweg?
Beim Nachdenken darüber gerät mein Blutdruck in Wallung. Auch jetzt, rund dreißig Jahre nach dem Beziehungstaumel, spüre ich das Verlangen nach Karlas anschmiegsamem Körper und ihren Zärtlichkeiten, aber auch den Zorn durch meine Adern fließen.
Um Himmels Willen. Das darf doch nicht wahr sein. Liebe das Satansweib immer noch?
Es ist an der Zeit, meinem unbelehrbaren Gefühlszustand auf den Grund zu gehen, prompt beschäftigt mich eine geniale Eingebung: Die Jahre des Wahnsinns mit dem Vamp und die Qualen für mein Herz schreibe ich mir von der Seele.
Jawohl, ich verfasse einen Rechenschaftsbericht über Karlas und meine Unzulänglichkeiten. Das Versickern der Quelle an einst sprudelnde Gefühle gilt es zu verhindern, daher werde ich analysieren, was das Liebesband durchtrennt hat, und wodurch die grenzenlose Liebe so unverhofft ins Grab gelegt wurde.
Dass das für mich unangenehm werden kann, darüber darf ich mir nichts vormachen, vor allem dann, sollte meine Schuldfrage eine übergeordnete Rolle spielen. Trotz allem ist die Idee phänomenal. Eine bessere hatte ich lange nicht mehr.
Durch die Aufarbeitung stehe ich lichterloh in Flammen, denn ich brenne auf die Widergabe der Liebesquerelen, obwohl ich durch dessen Wirren an eine Schmerzgrenze stoßen könnte. Vielleicht helfe ich von ähnlichen Kapriolen Betroffenen durch eine Veröffentlichung bei deren Rettungsversuchen, und so mancher Leidtragende zieht seinen Nutzen aus dem Liebesgefecht?
Mein Ziel ist klar umrissen. Ich werde mich an den Computer setzen und einen Roman über die des Nachdenkens würdige Dramaturgie der gescheiterten Liebe verfassen. Dessen einzigartige Verquickungen, mit denen mir Karla den Verstand geraubt hatte, bringe ich als Vergangenheitsbewältigung zu Papier.
Dann soll es so sein, denn ich bin gewappnet. Inzwischen habe ich den nötigen Abstand zu meinem Schicksalsschlag und stürze mich bedenkenlos in mein persönliches Waterloo. Und um dessen Bedeutung zu durchleuchten, bedarf es einer Zeitreise.
Erinnern Sie sich an die achtziger Jahre? Nicht mehr so gut?
Nun gut, dann helfe ich Ihnen auf die Sprünge, denn es war der 26. April des Jahres 1986, an dem sich die verhängnisvolle Tschernobyl-Katastrophe ereignete, und der Atomunfall hatte die westliche Welt erschüttert.
Folgerichtig mache ich einen Sprung in den Herbst des abscheulichen Jahres. In der Aachener Region war als einzige Maßnahme der Sand auf den Spielplätzen ausgetauscht worden, nichtsdestotrotz tat die Politik, als wäre Tschernobyl ein Fliegenschiss.
Auch ich war Politiker als Stadtrat der Grünen, daher machte ich das Todschweigen des Debakels nicht mit und sorgte für mächtig Rabatz. Zum festen Bestandteil meiner Kleidung gehörte der Sticker: Atomkraft - nein danke.
Schon damals hatte mich mein Bein durch den Knochenfraß außer Gefecht gesetzt, doch leider war ich ein Bruder Leichtfuß, denn mir fehlte als freier Mitarbeiter die Krankenversicherung als Lebensgrundlage, also war das Finanzdesaster vorprogrammiert.
Und obwohl ich mich gewaltig nach der Decke gestreckt hatte, war ich auf keinen grünen Zweig gekommen. So hatte ich, aus der Not geboren, mit meiner kurzfristigen Arbeitsaufnahme das Ende des Geldproblems eingeläutet, daher hockte ich nach sechswöchiger Pause wieder am Arbeitsplatz in Herberts Umweltbüro.
Meine Aufgabe zum Einstieg bestand aus der Kontrolle langweiliger Koordinatenreihen, weswegen ich ärgerliche Laute von mir gab.
„Ich hasse Schlampereien, liebe Kollegen. Die Flüchtigkeitsfehler waren sicher vermeidbar.“
Um mich zu beruhigen, wechselte ich die Kühlkompresse über meinem Unterschenkel, doch das ohne die gewünschte Wirkung, denn mein Unmut hatte sich in mir festgefressen.
„So bitte nicht, werte Kollegen“, schnauzte ich rückhaltlos. „Erledigt den Krempel gefälligst allein.“
In mir brodelte es, wie in einem Wasserkessel vor dem erlösenden Pfiff, als mein Chef Herbert den Kopf durch die einen Spalt geöffnete Tür steckte und sich räusperte: „Mensch, Georg. Hör auf mit dem Herumkrakeelen.“
Er lächelte verschmitzt.
Dann fragte er mich, wobei er sich die viel zu dominantgeratene Nase rieb: „Liegt deine miese Laune an deinem Bein, oder ist dir ist eine andere Laus über die Leber gelaufen?“
Der unrühmliche Herbst übte seinen feuchten Abgang. Es war das Wetter zur Flucht in den sonnigen Süden. Doch das nicht für mich, denn die mit Spannung erwartete Bundestagswahl ‘87 warf unübersehbare Schatten voraus. Eine Armee an Parteifratzen ohne politische Aussagekraft hing auf zig Plakatwänden überall im Stadtbild herum.
Zerknirscht starrte ich durchs Bürofenster auf einen Regenbogen. Und das tat ich in dem Büro, das in einem heruntergewirtschafteten Anbau mit vor Nässe triefenden Wänden angesiedelt war. Durch die Feuchtigkeit wellten sich die Planunterlagen, außerdem entsprach nur die Zeichenmaschine dem gehobenen Fortschritt. Der Computer befand sich damals in der Entwicklung. Aber auch der Anblick kahler Bäume vor den Fenstern hellte das Gesamtbild nur unwesentlich auf. Und obwohl ich im Umweltschutz arbeitete, worauf ich als Grüner sehr stolz war, glich der Büroalltag einer Keimzelle der Monotonie, gelegentlich von Trouble unterbrochen.
Vor allem aber war ich von meinem chaotischen Privatleben gestresst, denn das verlief alles andere als in ordnungsgemäßen Bahnen.
Bevor ich mich in mein Zuckermäulchen Karla verliebt hatte, beschäftigte mich ein schwerwiegendes Problem, das meine vollste Aufmerksamkeit erforderte. Zu einem Verlierer passend, erwischte mich ein Absturz in den Suff. Mit der Gefahr vor Augen, in die Abhängigkeit des Alkoholismus abzugleiten, näherte ich mich einem verhängnisvollen Abgrund, denn nächtelang hatte ich meine Ängste vor dem Alleinsein in einem riesigen Meer an Bier ertränkt.
Jetzt fragen Sie sich sicher, warum?
Ja, warum eigentlich? War es nicht eher so, dass mich zwei putzmuntere Kinder unterstützten, dass ich einen gutbezahlten Job besaß und einer reizvollen politischen Herausforderung nachging?
Aber der Anlass für meine Sauferei lag auf der Hand: Mir steckte die Trennung von meiner Frau ganz tief in den Knochen. Ausreichend Beweismaterial in Form von leeren Bierkästen stand haufenweise vor meiner Tür. Im Bekanntenkreis galt ich als hoffnungsloser Fall, denn durch die Sauferei war mein Selbsterhaltungstrieb unter die Räder gekommen.
Wohin aber hatte sich meine warnende innere Stimme Alfred verkrochen? Warum hatte er mich in solch einer heiklen Situation kläglich im Stich gelassen?
Ach Gott, was für eine Frage. Ich selbst hatte Alfreds übliche Proteste mit enormen Promillewerten auf barbarische Weise mit Alkohol betäubt.
Ich war so weit abgerutscht, dass ich mich im End-stadium des Deliriums bewegte, und im flehenden Tonfall nach meiner Frau gerufen hatte: „Wo bist du, Andrea?“ Danach hatte ich abstoßend gelallt. „Warum hilfst du mir nicht?“
Aber meine Ex-Frau war nicht in der Lage, mein