Klaus Rose

DU BIEST BRINGST MICH UM


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für sie gestorben.

      Davon geknickt, hatte ich die Saufexzesse bis an die Belastbarkeitsgrenze vorangetrieben, bis die mir heilige Umwelt vor meinen glasigen Augen verschwamm. Und das passierte ausgerechnet einem Grünen. Sogar mein Arbeitsplatz war in Gefahr geraten.

      Aber ein Donnerwetter meines Chefs, der mir kräftig den Kopf wusch, brachte mich zur Besinnung.

      „Himmelherrgott“, schimpfte er unheilschwanger. „Nun schenke dir das dämliche Gewäsch. Vor allem hör endlich mit dem Selbstmitleid auf.“

      Wutentbrannt hatte mich Herbert zur Brust genommen, und beschwichtigend ergänzt: „Wem hilfst du mit der Sauferei? Dir etwa? Zeige Charakter und denke an deine Kinder.“

      Die Kopfwäsche wirkte, mit positiven Folgen als Konsequenz, denn trotz aller Querelen war meiner Frau und mir das äußerst Seltene geglückt. Wir hatten uns ohne Schlammschlacht, also friedvoll getrennt, und eine annehmbare Freundschaft zueinander aufgebaut, die meine Kinder, Julian sieben, und Anna fünf Jahre alt, regelrecht beflügelt hatte.

      Ich hatte zwei herrliche Kinder gezeugt. Mit Julian ein nachdenkliches Geschöpf mit blondem Schopf, und mit Anna einen Hurrikan an Temperament. Befanden sie sich bei mir, vergaß ich meine vertrackte Situation, denn die Schmuckstücke waren mein EIN und ALLES.

      Weiß der Aasgeier, was mich geritten hatte. Es war wohl eine Art Selbstüberschätzung. Weshalb sonst hatte ich das Zusammenleben mit Frau und Kindern leichtfertig aufs Spiel gesetzt? Es kann nur eine geistige Umnachtung gewesen sein.

      Sexuell war die Zeit bis zur Trennung zähflüssig abgelaufen. Es war ein langweiliger Trott. Das tägliche Einerlei. Die Macht der Gewohnheit, ohne jegliche Überraschungen, nur mittelmäßige Pflichtübungen, auf die ich gut und gerne verzichtet hätte.

      Dennoch war Andrea das Passstück zu meinem ausgefüllten Leben. Und obwohl ich die Gründe für die Trennungskatastrophe gern verdränge, bei der bei mir eine andere Frau, oder bei Andrea irgendein Blödmann die Auslöser waren, wollte ich die Seitensprünge nicht über-bewerten.

      Einen Augenblick mal, hieß meiner nicht Ilona?

      Eigentlich war’s eine harmlose Romanze, aber gerade diese Nebensächlichkeit ließ meinen Frust in einem noch trostloseren Licht erscheinen.

      Bleibt die Feststellung, und an der komme ich bei dem Beziehungswust nicht vorbei, dass die wahren Gründe für die Trennung nicht auf den dummen Seitensprüngen beruhten, sondern sie lagen auf der Ebene der Abnutzungserscheinungen. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen und lebten, ohne den anderen zu bemerken, eigensinnig aneinander vorbei.

      Dennoch war der Frust vergessen, wenn die Kinder bei mir waren. Das war an drei Abenden pro Woche der Fall. Mit den Kids lag ich vor dem Einschlafen auf meiner riesigen Matratze, dabei schmiegte sich Julian links, und Anna rechts in meine Arme. Stundenlang erzählte ich ihnen selbstkreierte Geschichten, bis sie vor Müdigkeit eingeschlafen waren.

      Toll fanden sie die Storys von dem von mir erfundenen kleinen Ritter mit der verrosteten Rüstung, der allen Gefahren heroisch trotzte. Sie liebten seine Heldentaten, mit denen er alle Gegner in die Flucht schlug. Ich dachte jede freie Minute an meine Unternehmungen der vergangenen Jahre mit den Kids.

      So zum Beispiel an den zweiwöchigen Urlaub in Südfrankreich, als wir mit dem Campingbus an einem AKW entlang knatterten. Als Atomkraftgegner schmetterten wir alle möglichen Antiatomkraftlieder bei seinem Anblick, und natürlich die Lieder der Friedensbewegung.

      „Was sollen wir trinken, sieben Tage lang“, sangen wir, und so weiter, bis wir in Avignon angekommen waren und aus Erschöpfung aus dem Bus schwankten.

      Die Protestlieder bereiteten uns viel Freude. Wir kannten die Strophen in und auswendig, denn auf unzähligen Demos, an denen wir teilgenommen hatten, bestimmten die Lieder unsere Abläufe.

      Den diesjährigen Sommerurlaub hatte ich mit meinen Kindern in der traumhaften Toskana zugebracht, und dort in Siena, aber auch in Pisa und San Gimignano. Wir konnten uns nicht satt sehen an den wunderbaren Bauten und Denkmälern, die für unvergessliche Wochen gesorgt hatten.

      Und wegen der Kinder hatte ich mir beim Alkoholkonsum Selbstbeherrschung auferlegt, obwohl Rückschläge zum rauen Tagesgeschäft gehörten, doch aus Liebe zu ihnen hatte ich die Finger endgültig von dem Teufelszeug gelassen und die Sauferei in den Griff bekommen. Allein die Vorstellung, ich wäre als ein Suffkopf vor meinen Kindern herumtorkelt, die hätte mir das Herz gebrochen.

       2

      Trotz Trennungsschmerz und meinem Unverständnis über eigene Fehler, ich Narr hatte den Traum von der großen Liebe nie aufgegeben. Irgendwann läuft mir das Geleestück eines Frauenzimmers über den Weg, von dem ich nächtelang geträumt hatte. Von der Wunschvorstellung war ich wie beseelt.

      Und dazu kam es, denn total unerwartet kehrte Hoffnung in mein Innenleben ein. Gerade noch rechtzeitig war meine Retterin in der Person der unwiderstehlichen Karla auf der Bildfläche erschienen. Und die verlieh meinem Lebensgefüge einen vielversprechenden Sinn.

      Sofort faszinierte mich die wunderbar anzusehende, betörend weibliche, und wahnsinnig hübsche Frau mit ihrem braungelockten Wuschelkopf. Besonders war ich angetan von ihrem temperamentvollen und einnehmenden Wesen.

      Sie war dreißig Jahre jung, und wie der Zufall es wollte, geschah unsere Begegnung im Supermarkt direkt um die Ecke. In dem hatte es booing gemacht.

      Und das „Booing“ hatte mich wachgerüttelt. Mit Karla hatte mich eine gewaltige Explosion erschüttert, mehr als ein beliebiger Paukenschlag.

      Es war ein elektrisierender Stromstoß, der meine Daseinsberechtigung umgekrempelte. Was folgte war eine Rückbesinnung auf den positiven Wert der Liebe, denn Karla hatte mein aus den Fugen geratenes Unterbewusstsein repariert. Auf den Punkt war ich hellwach, sogar aufgedreht und tatendurstig, wie zu meinen besten Tagen. In grenzenlose Euphorie versetzt, fragte ich mich: Wer soll mich aufhalten, geschweige meinen wiedergewonnenen Elan bremsen?

      Pah! Ich wüsste nicht wer.

      Mein siegessicheres Selbstbewusstsein hatte jubiliert. Ich war wieder intakt und sah mich als Glücksgriff für die Frauen, denn das in sich zusammengesunkene und bemitleidenswerte Häufchen Dreck, das ich vorher war, das gab es nicht mehr. Das Kapitel gehörte zu meiner bedauernswerten Vergangenheit. Endlich lag mir eine Frau mit ihrer schier unbeschreiblichen Schönheit zu Füßen.

      Schnapp dir das Fabelwesen. Wer außer dir hätte das Zeug dazu? Mit einer ähnlichen Bewunderung für Karla, wie ich sie empfand, hatte mich mein zu mir zurückgekehrter Alfred aufgeputscht. Der war rechtzeitig von seiner Alkoholvergiftung genesen.

      Jener besagte Alfred war mein innerer Schweinehund. Sie kennen sicher das Ekel Alfred Tetzlaff aus der Fernsehserie: Ein Herz und eine Seele.

      Ja? Kennen Sie? Na sehen Sie. Eben an jenen Tetzlaff dachte ich bei der Vergabe des Namens an meinen inneren Randalierer, denn so wie dieser Tetzlaff führte sich mein Alfred in mir auf. Zwischendurch gestatten Sie mir eine Frage. Krakelt auch in Ihnen ein derartiges Prachtexemplar?

      Doch zurück zu Karla. Durch sie hatten die Nächte der neuentflammten Liebe gehört, nicht mehr dem betäubenden Alkohol. Danach hatte ich mit dem Prachtweib gefrühstückt, und vor der Arbeit waren wir in den Wald zum Joggen gefahren, sodass mein Blutdruck irrational triumphiert hatte. Der Routinescheck verlief zufriedenstellend.

      „Na also, Georg. Es geht doch.“

      Diese Bestätigung bekam ich von meinem Hausarzt. Er war ein guter Freund aus gemeinsamen Kinderladentagen.

      Aber Frischverliebte brauchen Zuneigung, vor allem ausreichend Zeit, doch die fehlte mir meistens. Durch den Mangel konnte ich Karlas hochgeschraubte Ansprüche nur leidlich erfüllen. Ihr sexueller Nachholbedarf prägte die ruhelosen Nächte. Mein durch Karla hervorgerufenes Schlafdefizit begann an meinen Gesichtszügen zu zehren und ich machte mir berechtigte Sorgen, doch Karla hatte mich mit ihrem Charme eingewickelt.

      Ihr zuliebe hatte ich sogar meine Bereitschaft signalisiert, meine Lebensideale hinzuschmeißen.