Klaus Rose

DU BIEST BRINGST MICH UM


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ich ab. „Die Auseinandersetzung war harmlos und unnötig, aber wegen der Frauen nehme ich sie auf meine Kappe.“

      „Muss das sein?“

      „So ist es“, bekräftigte ich meinen Standpunkt. „Zudem nützt es nichts, wenn ich den Vorwurf abstreite. Gerade du solltest aus gemeinsamer Zeit wissen, wie gemein sich die Presse im Verdrehen von Tatsachen gebärdet.“

      Mit dieser Erklärung vermittelte ich die Zuversicht, mit der ich sie bat: „Ich habe eine Bitte. Erzähle nichts den Kindern. Meine knifflige Situation erkläre ich ihnen besser selbst.“

      Das war’s dann auch. Mehr hatten wir uns nicht zu sagen. Tendenziös für Getrenntlebende. Aber der Anruf war Balsam auf meine Wunden, hatte sie mich wenigstens in den schwärzesten Stunden meines Politikerlebens nicht ganz vergessen.

      Dennoch stimmte mich der Anruf nachdenklich. Ich grübelte, erneut von Fluchtgedanken erfasst, dann eröffnete ich Karla einen erlösenden Vorschlag.

      „Ich muss schleunigst raus aus dem Irrenhaus“, wurde ich deutlich. „Wir verduften und verbringen das Wochenende am Meer.“

      „Am Meer?“

      Karla zog erstaunt ihre Schultern hoch und machte große Augen.

      „Ja, an Hollands Küste“, betonte ich unmissverständlich. „Aus den Augen, aus dem Sinn. Nur in den Dünen mit ihrer Abgeschiedenheit finden wir viel Ruhe und Abstand. Nach Arbeitsschluss düsen wir zur Halbinsel Walcheren hinauf.“

      Nun strahlte Karla, ähnlich einem reich beschenkten Kind.

      „Deine Idee ist phänomenal“, freute sie sich. „Aber du lässt die Grünen im Stich.“

      „So mit Wut vollgestopft, wie ich jetzt bin, kann ich keine Hilfe sein“, wiegelte ich ab.

      „Trotzdem werden sie sauer sein. Doch was soll’s. Wir fahren einfach.“

      Karla hatte den Kurztrip zur abgemachten Sache erklärt, so hatte ich ihr beim Gehen zugerufen: „Wer weiß, was mich am Arbeitsplatz erwartet? Vielleicht stempeln mich sogar meine Kollegen zu einem heimtückischen Schläger ab?“

      Das war Gott sei Dank nicht so, obwohl der spektakuläre Pressebericht für Zündstoff unter ihnen gesorgt hatte. Die Kollegen behandelten mich unvoreingenommen, dadurch wurde es ein ansprechender Arbeitstag.

      Direkt nach Feierabend machte ich mich auf den Weg zu den Kindern. Damit erfuhren auch sie den wahren Sachverhalt der mir vorgeworfenen Tat, ehe sie durch falsche Quellen versaut werden konnten.

      „Stellt euch vor, euer Vater soll ein Schläger sein“, beklagte ich mich bei ihnen und betrieb Aufklärung über die zum Sachlage.

      Und eben diese endete mit dem Stoßseufzer: „Ist das nicht absurd?“

      Vorher hatte ich Julian und Anna den Schund aus der Zeitung vorgelesen, dabei hatten sie vor Unverständnis ihre Köpfe geschüttelt.

      Daher verwunderte es mich wenig, dass mich mein Sohn beruhigte: „Ach, Alter“, stöhnte er, als er mich drückte. „Die Story ist doch erstunken und erlogen.“

      Na und erst die kecke Anna. Die setzte prompt die Wohltat obendrauf: „Warum solltest du Jemanden schlagen? Uns hast du nie geschlagen.“

      So gut, so schön. Ich pfiff in schweren Stößen die Luft aus der Lunge, denn nun konnte ich mein Anliegen nicht mehr zurückhalten.

      „Aber nun zu was anderem“, begann ich meine Änderung im Wochenendfahrplan, bei der ich mich wie ein Vaterlandsverräter fühlte.

      „Das gemeinsame Wochenende fällt leider flach

      Und mit folgendem Wortlaut versuchte ich von meinen Schuldgefühlen abzulenken: „Die Hetze der Presse macht mich fix und fertig, daher verschwinde ich mit Karla an Hollands Küste. Bitte nicht böse sein.“

      „Por, ne, Alter“, stöhnte Julian abermals. „Was wird aus der Geschichte vom kleinen Ritter?“

      Ja, das war traurig, weshalb ich sein Stöhnen nachahmte:

      „Ach, Julian. Auch ich hatte mich tierisch drauf gefreut. Am Meer denke ich mir eine spannende Episode aus, das verspreche ich dir.“

      Als Julian und Anna die Kröte runtergeschluckt hatten, fand sich auch Andrea mit der neuen Wochenendregelung ab.

      Trotz allem fiel es mir schwer, meine Tränen zu unterdrücken, was Anna beobachtet hatte, die mich tröstete: „Bitte nicht weinen, Papa. Den Mist bekommst du wieder hin.“

      Meine wunderbaren Kater trugen die von den Kindern aus einer spaßigen Laune heraus gewählten Namen Tyron und Tyson. Gleich nach Feierabend, und weil Rosa verreist war, brachte ich sie zu Andrea und meinem Nachwuchs.

      Tyson, ein kräftiger, schwarzweißer Kater, lebte seit der Trennung bei mir. Und Tyron hatte ich vor wenigen Monaten aufgenommen, wegen Tysons Trieb zur Geselligkeit. Ihn schmückte ein dem Tiger ähnelndes Fell, mit dem er pfiffig aussah. Dazu bewegte er sich wie ein kleiner Tollpatsch.

      Der Abschied von den Kindern schmerzte. Mein Gefühlschaos glich einer Achterbahn. Dem Anstieg folgte jedes Mal das mit Karacho hinunterrauschen. In einsamen Stunden befürchtete ich, ein Leben ohne Julian und Anna würde mich umbringen. Ich litt an Höllenqualen allein bei der Vorstellung, sie könnten sich eines Tages von mir abwenden.

      Doch die Aussicht auf eine Rückkehr zur Familie sank täglich, denn meine Annäherung an Karla war angewachsen. Und zu allem Unglück hatte Andrea ein Verhältnis zu einer Flasche von einem Mann begonnen.

      „Mein Gott, ich verstehe dich nicht. Der Typ ist eine Zumutung“, warf ich ihr in einem Anfall an Größenwahn vor.

      Andrea aber wies die Vorwürfe zurück: „Du kennst ihn doch gar nicht, außerdem ist das meine Sache. Was geht’s dich an?“

      Mit der Herabwürdigung des Freundes hatte ich frisch verheilte Wunden aufgebrochen, so war Andreas Ablehnung mir gegenüber verständlich, obwohl sie meine Misere verschlimmerte. War der Traum von der gemeinsamen Zukunft ausgeträumt?

      Es sah ganz so aus.

      Umso mehr klammerte ich mich an meine Kinder. Tränenüberströmt sagte ich melodramatisch zu ihnen, als ich sie zum Abschied drückte: „Lieber Julian, liebe Anna. Was immer auch passiert, ich bin für euch da, darauf gebe ich euch mein Ehrenwort.“

      Ich wischte mir die Tränen weg und schloss die Haustür hinter mir, dann kehrte ich wieder in meine Mansarde zurück.

      In meiner Bleibe war eine Stunde seit dem Besuch bei den Kindern vergangen, da machte mich die Warterei auf Karla ungeduldig. Ich rieb mich unruhig an meinem Ledersofa und wartete.

      Ich wartete und wartete, dabei grunzte ich gereizt: „Ach Gott. Wo bleibst du bloß?“

      Das späte Erscheinen Karlas war allerdings normal. Es lag an ihrem zeitraubenden Job als schlechtbezahlte Sozialarbeiterin. Doch als Wartender schiss ich in meiner Hektik auf ihre geistig behinderte Kinderschar. Ihre vereinnahmende Tätigkeit, die keine regelmäßige Arbeitszeit zuließ, konnte mich mal. Ansonsten war Karlas unstete Lebensführung kein Problem für mich, denn auch ich pflegte ein chaotisches Privatleben zu führen.

      Doch weil es unser Abreisetag war, war ich durch ihr zu langes Wegbleiben ungehalten und zeterte: „Beeile dich, Karla. Nimm dir wenigstens heute die nötige Zeit für mich.“

      Es wurde fünf Uhr, danach schlug die Kirchturmuhr sechs Mal. Die Zeit schlich zähflüssig dahin. Ich blickte zum wiederholten Male auf die Wanduhr. Danach hörte ich, dass die Kirchturmuhr sieben Uhr ankündigte und von Karla keine Spur. Mein Puls raste. Ich geriet in Rage und fluchte: „Verdammter Mist! Mit wem und wo treibst du dich herum?“

      Erst kurz nach sieben stapfte Karla die Treppe zu mir in meine Mansarde hinauf, wo ich sie abfing, durch das Warten total aufgedreht.

      „Na