A. F. Morland

Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane


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als habe der Besitzer mal zu testen versucht, wie geländegängig diese deutsche Wertarbeit war. Und wer mit einem Jaguar zum Morden fuhr, der musste verrückt sein.

      Vielleicht war Werneck also noch gar nicht hier. Möglich, dass er zwischendurch noch was anderes zu tun hatte. Zwischen zwei Morden schnell etwas Verwaltungsarbeit erledigen. So lobt man sich doch einen verantwortungsbewussten und effizienten Chef einer deutschen Kommune!

      Die andere Möglichkeit war natürlich, dass ich völlig auf dem Holzweg war mit dem, was ich mir in meinem Kopf zurechtgelegt hatte.

      Ich klingelte an der Tür.

      In der nächsten Sekunde ging sie auf, und ich blickte in Grossmanns stumpfsinniges Gesicht. "Du?", fragte er.

      "Ja, ich."

      Er runzelte die Stirn, was ihm einen unerwartet intellektuellen Zug gab. "Was willst du?", knurrte er.

      "Vielleicht gehen wir erst einmal rein und unterhalten uns ein bisschen."

      Er grinste. "Was hätte ich davon? Das mit dir war ein Irrtum. Da waren wir auf dem Holzweg. Nochmal Sorry dafür. Und nun verpiss dich!"

      Er wollte mir die Tür vor der Nase zuschlagen, aber ich stellte den Fuß dazwischen.

      Grossmann grunzte etwas Unfreundliches in meine Richtung und packte mich dann mit seiner Gorilla-Pranke am Kragen.

      "Ich will dir das Leben retten, aber du scheinst nicht interessiert", sagte ich, noch ehe er einen Laut hervorbrachte. Er ließ mich los. Sein Gesicht veränderte sich.

      Er schien sich nicht so ganz schlüssig darüber zu sein, was er jetzt mit mir anfangen sollte. "Wovon redest du?", fragte er.

      "Von deinem Freund Marco Leschek."

      "Ach ..."

      "Und von einem anderen guten Bekannten."

      "Wer soll das sein?"

      "Einer, dessen Bild mehr oder minder regelmäßig in der Zeitung erscheint: Dr. Werneck!"

      Ich sah den blonden Riesen schlucken. Die Farbe floh innerhalb einer halben Sekunde aus seinem Gesicht, und ich spürte, dass ich richtig lag.

      Ein gutes Gefühl war es trotzdem nicht.

      Grossmann atmete tief durch. Das Telefon klingelte. "Warum gehst du nicht ran?", fragte ich.

      Er bewegte den Kopf zackig hin und her.

      "Komm rein", sagte er. "Vielleicht unterhalten wir uns wirklich besser mal.“

      Ich folgte ihm und machte die Tür zu. Grossmann trug im Moment kein Jackett, sondern nur ein schmuddeliges Sweat-Shirt. Gut so. Das hieß, dass er keine Waffe bei sich trug.

      Grossmann ging ans Telefon. "Ja?", knirschte er genervt.

      Dann knallte er den Hörer auf die Gabel. "Arschloch!", zischte er.

      "Was war denn?", fragte ich.

      "So'n Blödmann, der sich verwählt hat, schätze ich. Es hat sich niemand gemeldet."

      "Ich wette, dass das dein Freund Werneck war!"

      "Was?" Er hob die Schultern und verdrehte die Augen, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf. Aber der Dummkopf war er.

      Er kam auf mich zu und kniff seine Augen genauso zusammen, wie meine Western-Helden das so gerne machen. "Du scheinst ja ziemlich hartnäckig zu sein. Was weißt du inzwischen?"

      "Zum Beispiel, dass Werneck vermutlich bald hier auftauchen wird, um dich kalt zu machen!"

      Er verzog das Gesicht und lachte heiser. "Du redest Unfug!", meinte er.

      Aber da war eine deutliche Spur von Unsicherheit in seinem Gesicht. Er fummelte nervös an seinen Gürtelschlaufen herum.

      "Na, dann brauchst du ja auch keine Angst zu haben", meinte ich. "Werneck wurde erpresst. Und zwar von der Friedrichs und diesem Jürgen Lammers. Ich habe noch keine Ahnung, wie dieses Paar zusammengefunden hat, aber das dürfte auch zweitrangig sein."

      "Eine schöne Story", murmelte Grossmann. "Und weiter?"

      "Dann hat Werneck zwei Leute engagiert, die der Sache ein Ende machen sollten. Die Erpresser wurden nämlich zu gierig. Ich nehme an, du weißt, wer die zwei waren."

      Er lächelte dünn. "Keine Ahnung!"

      "Du und Marco Leschek!"

      Jetzt musste er Luft holen.

      "Ich habe den Eindruck, du willst um jeden Preis Ärger!", grunzte er.

      "Du bekommst ihn jedenfalls bald gratis!"

      "Was du nicht sagst!"

      "Leschek ist tot", sagte ich. "Erschossen. Werneck kam gerade von dort, als ich seine Adresse aufgestöbert hatte."

      Einen Moment lang schien er verunsichert. Aber das dauerte nicht lange. "Ich weiß nicht, was du willst!", knurrte er.

      "Sagte ich doch: Dein Leben retten und dir vorher ein bisschen Angst machen!"

      "Du bluffst!"

      "Fahr hin und sieh dir die Leiche an. Sie liegt in der Küche."

      "Oh, mein Gott!" Er wurde plötzlich sehr hektisch.

      "Ihr habt versucht, das Geschäft selbst zu machen, anstatt den Erpressern das Handwerk zu legen", fuhr ich ruhig fort. "Obwohl ihr das in gewisser Weise ja auch gemacht habt. Lammers und die Friedrichs gehen doch auf euer Konto? Und danach sollte dann bei Werneck abkassiert werden!"

      "Die Friedrichs?", fragte er. "Sie ist tot?"

      "Die Nachricht ist aber schon etwas älter!"

      "Was ...?"

      "Ja, scheint so, als wärst du nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand der Dinge. In manchen Branchen ist das tödlich. Könnte sein, dass deine dazugehört!"

      Er stockte, und man konnte ihm ansehen, wie sein Gehirn zu arbeiten begann. Dann sagte er: "Du irrst dich. Du bist der Erste, der mir sagt, dass die Friedrichs tot ist. Ich hatte keine Ahnung."

      "Wer soll das glauben?"

      "Wir haben Werneck nur gesagt, wo sie sich aufhielt. Sie war bei einer Freundin und ... Umgebracht haben wir sie jedenfalls nicht!"

      "Ach, nein?"

      Er sah mich nachdenklich an: "Ich weiß nicht, wie du das alles herausgekriegt hast, aber ich nehme an, du willst dich jetzt auch noch anhängen! Richtig? Wie viel willst du?"

      "Keinen Cent."

      "Du spinnst."

      "Es ist die Wahrheit."

      "Quatsch!"

      "Ich will, dass der Mörder von Annette Friedrichs gefasst wird!"

      Er grinste. "Persönliches Interesse?"

      "Kann dir doch egal sein! Vorausgesetzt, es stimmt, was du sagst, und du warst es wirklich nicht!"

      Er machte eine schnelle Bewegung und hatte im nächsten Moment eine Waffe in der Hand. Es musste die Waffe sein, die er im Schulterholster getragen hatte. Eine Gaspistole. Ich war zwar nicht einmal bei der Bundeswehr, aber als Westernschreiber eignet man sich nach und nach ein paar Grundkenntnisse über Waffen an. Falls das seine einzige Waffe war, konnte es sogar stimmen, was er in Bezug auf Annettes Tod gesagt hatte.

      "Was willst du denn damit?", fragte ich. "Vielleicht Werneck zum Duell fordern? Du hast schon verloren."

      "Halt's Maul."

      "Leschek starb ja nicht durch eine Gaspistole, falls das überhaupt möglich ist. Das war schon ein anderes Kaliber. Mit so einem Spielzeug kannst du gerade noch jemanden wie mich ein bisschen erschrecken − aber nicht Werneck."

      Er hielt mir die Waffe unter die Nase und meinte dann: "So, du Schlaumeier,