A. F. Morland

Das Krimi All Star Jahrbuch 2020: 7 Romane


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wissen, wonach sie suchen ..."

      "Sie reden Unfug! Von unseren Mitarbeitern demoliert niemand eine Wohnungseinrichtung!"

      "Na, dann sehen Sie sich mal meine Polstermöbel an, Frau Kossow! Ich glaube nicht, dass Sie noch gerne darauf sitzen würden!"

      Ich hatte natürlich keine Ahnung, ob ich ihr und ihrer Agentur den Kerl, der in meine Wohnung eingedrungen war und mich niedergeschlagen hatte, nicht zu Unrecht aufs Butterbrot schmierte.

      Aber egal. Ich wollte einfach die Reaktion abwarten.

      Die Kossow stemmte ihre kurzen, schlanken Arme in die Hüften und sagte dann in gebieterischem Tonfall: "Vielleicht sagen Sie mir jetzt doch Ihren Namen, und ich überprüfe dann die Sache!"

      Ich sah sie offen an.

      "Michael Hellmer", sagte ich.

      "Sie sind der Kerl, der hier angerufen hat, nicht wahr?"

      "Möglich."

      "Ich erkenne Ihre Stimme wieder."

      "Warum fragen Sie dann?"

      "Ich habe unter anderem für die Koordination zu sorgen", erklärte sie mir. "Und wenn jemand namens Michael Hellmer zu beschatten wäre, dann wüsste ich das. Aber wenn Sie wollen, werde ich gerne in unseren Unterlagen nachsehen. Denn wenn Sie tatsächlich unter Beobachtung gewesen sind, haben wir davon natürlich einen Bericht für den Auftraggeber erstellt."

      "Na gut", meinte ich, "schauen Sie nach."

      Sie schaute nach. Und es war, wie ich erwartet hatte. Sie fand nichts.

      "Ich weiß nicht, mit wem Sie Schwierigkeiten haben, aber wir haben damit sicherlich nichts zu tun!", dröhnte die Kossow daraufhin. Sie schien glatt um zwei Zentimeter gewachsen zu sein.

      Ich fingerte indessen die Visitenkarte heraus, die der Blondschopf mir gegeben hatte.

      "Die habe ich von einem Ihrer Leute. Oswald. Er hat sogar zugegeben, dass mich Ihre Agentur observiert."

      Die Kossow nahm die Visitenkarte, starrte eine volle Sekunde darauf und nickte dann.

      "Ja", sagte sie. "Die ist von uns." Dann atmete sie tief durch und fuhr schließlich fort: "Vielleicht ist das doch etwas für den Chef."

      31

      Raimund Schmidt war Anfang sechzig, sehr hager und sehr grauhaarig. Er lehnte sich in seinem Drehsessel zurück und musterte mich eingehend, nachdem ich ihm gegenüber Platz genommen und ihm meine Story erzählt hatte.

      "Es kann sich da nur um ein Missverständnis handeln", meinte Schmidt dann. "Aber das werden wir gleich leicht aufklären können."

      Ich hob die Augenbrauen.

      "Ich bin gespannt."

      "Herr Oswald ist im Moment leider nicht im Hause, aber müsste eigentlich jeden Moment wiederkommen. Wenn Sie sich einen Moment gedulden wollen ..."

      "Wenn der Moment keine Ewigkeit dauert!"

      "Wollen Sie einen Kaffee?"

      "Nein, danke."

      Er zuckte die Achseln. "Hätte ja sein können."

      Wir warteten fünf Minuten, dann meldete sich die Kossow über das Sprechgerät. "Herr Oswald ist jetzt da", säuselte sie.

      "Soll reinkommen", murmelte Schmidt.

      Zwei Sekunden später ging die Tür auf, und ein kleiner, gedrungener Mann kam herein, der so gar keine Ähnlichkeit mit dem muskulösen Blondschopf besaß, der mir die Visitenkarte gegeben hatte.

      Er reichte mir die Hand.

      "Sie sind Oswald?", fragte ich erstaunt.

      Er nickte. "Sicher bin ich Oswald."

      "Ich kann's nicht glauben!"

      "Ich zeige Ihnen gerne meinen Ausweis!"

      "Und sonst gibt es niemanden hier, der so heißt?"

      Oswald sah mich an, als habe er einen vor sich, der wirres Zeug redete. Vielleicht tat ich das ja auch, ohne es zu ahnen.

      "Ich verstehe nicht", meinte er. "Worum geht es hier eigentlich?"

      Ich wandte mich an Schmidt. "Dies ist nicht der Mann, der mir begegnet ist."

      "Wie sah der denn aus?"

      "Groß, blond − wie Arnold Schwarzenegger nach einem ausgiebigen Bleichmittel-Bad."

      Schmidt runzelte die Stirn und warf Oswald einen kurzen Blick zu. "Dann hat sich jemand für dich ausgegeben."

      "Das könnte jeder sein", meinte Oswald. "Unsere Visitenkarten halten wir schließlich nicht als geheime Verschlusssache."

      "Moment", murmelte Schmidt. Er schien nachzudenken. "Wir hatten vor drei Jahren mal einen bei uns, auf den Ihre Beschreibung passen könnte ..." Er wandte kurz den Kopf und sagte an Oswalds Adresse: "Du erinnerst dich sicher. Der Kerl war Bodybuilder. Ich musste ihn feuern. Er hat versucht, Klienten zu erpressen. Das ist kein Problem, wenn man unsere Datei zur Verfügung hat." Schmidt zuckte die Achseln. "Zum Glück entstand kein größerer Schaden für unser Geschäft."

      Wie schön für dich!, dachte ich nicht ohne Sarkasmus. Nach dem Schaden für seine Klienten schien er weniger zu fragen. Die bissige Bemerkung, die ich auf den Lippen hatte, verkniff ich mir. Stattdessen fragte ich: "Wie hieß der Kerl?"

      "Grossmann. Mike Grossmann."

      Da klingelte es natürlich bei mir. Ich fragte: "Sein Vorname ist wirklich Mike? Oder wurde er nur so genannt."

      "Nein, er hieß wohl wirklich so."

      "Letzte Adresse?"

      Schmidt seufzte. "Sie scheinen hartnäckig zu sein. Warum nehmen Sie die Sache so wichtig?"

      "Persönliche Gründe", sagte ich knapp, denn ich hatte keine Lust, ihm die ganze Geschichte zu erzählen.

      Schmidt schien einen Moment nachzudenken. Dann sagte er: "Frau Kossow wird Ihnen die Adresse geben."

      "Ich danke Ihnen."

      "Nichts zu danken", erwiderte Schmidt. "Ich habe Ihnen einen Gefallen getan, und Sie tun mir jetzt vielleicht auch einen."

      Ich hob die Augenbrauen. "Welchen?"

      "Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Mike Grossmann aufgestöbert haben. Wenn einer vorgibt, im Auftrag unserer Firma zu handeln, dann interessiert uns das brennend ... Das verstehen Sie doch?"

      Ich nickte. "In Ordnung", sagte ich.

      32

      Ich kaufte mir als Erstes einen Stadtplan und fand Grossmanns Adresse schließlich in Münster-Coerde, einem Gebiet, das immer dann in die Schlagzeilen kam, wenn es etwas Trauriges zu berichten gab. Sozialer Brennpunkt nennt man so etwas wohl euphemistisch.

      Grossmanns Wohnung lag im vierten Stock eines Betonquaders.

      Eine Frau mit Lockenwicklern machte mir auf. Irgendwann musste sie mal sehr gut ausgesehen haben, aber ob das zehn Tage oder zehn Jahre her war, traute ich mich nicht einzuschätzen.

      Es war Nachmittag, aber sie schien gerade erst aufgestanden zu sein. Im Hintergrund hörte ich den Fernseher laufen.

      "Ich möchte gerne zu Mike Grossmann", sagte ich wahrheitsgemäß.

      Die Frau sah mich trantütig an. "Ich heiße Berend", sagte sie. "Und ich kaufe nichts. Oder sind Sie von der Post?"

      "Wieso?"

      "Wegen dem Telefon."

      "Was ist denn damit?"

      "Abgestellt."

      Wohl die Rechnung nicht bezahlt, dachte ich.