Karl Plepelits

Zu neugierige Mörder: 9 Krimis


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zumindest nicht zur Kategorie der Schwerstverbrecher. Jedenfalls noch nicht. Mit dem Überfall auf den Goldtransport vor drei Monaten hatten sie keinesfalls etwas zu tun. Gleichgültig, wie ihr ferneres Leben verlief, ob sie sich für immer krummere Wege entscheiden würden, eine verirrte Kugel bei einem Schusswechsel mit Jil Fernay hatten sie nicht verdient.

      Also musste Bount vorsichtig zu Werke gehen. Vor allem durften auch dem schielenden Harry keine Nachteile entstehen.

      Der schielende Harry gehörte zu den harmlosen Trickbetrügern. Bount Reiniger hatte ihn vor zwei Jahren aus der Patsche gezogen, als er durch unglückliche Umstände in einen Mordfall verstrickt war und er der schuldigen Bande als Sündenbock gerade recht kam.

      Lediglich dem misstrauischen Privatdetektiv, der dem eher einfältigen Gauner dieses raffiniert eingefädelte Verbrechen einfach nicht zutraute, hatte Harry es zu verdanken gehabt, dass ihn nicht nur die Gerichte unbehelligt lassen mussten, sondern vor allem auch die Killerbande, die für eine ganze Reihe von Jahren noch auf die verschiedenen Gefängnisse verteilt sein würde.

      Harry verabscheute Polizisten, gleich welchen Dienstranges. Er hatte auch mit privaten Schnüfflern nichts im Sinn. Bount Reiniger hatte er jedoch seit jener Zeit in sein Gaunerherz geschlossen, und der Privatdetektiv, der trotz all seiner berufsbedingten Härte noch immer den Menschen vor den Fall stellte, verdankte ihm bereits manche vertrauliche Information.

      So auch diese, dass Jil Fernay ein Auge auf die temperamentvolle Kessy geworfen habe, die sich ihre Sandwiches als Barfrau im Tropical Inn verdiente.

      Das Tropical Inn war eine üble Kneipe mit dem Flair des Besonderen. Bei dem Besonderen handelte es sich eben um Kessy, die ihre üppigen Formen freigebig in die Waagschalen des finanziellen Erfolges warf.

      Kessy besaß keinen Favoriten. Sie war niemandem Rechenschaft schuldig. Niemand wusste, wie sie das bis jetzt fertiggebracht hatte. Doch es war Tatsache, dass sie ausschließlich in ihre eigene Tasche wirtschaftete, wenn sie sich außer einem vielsagenden Lächeln ein paar Extras entlocken ließ.

      Dass Jil Fernay auf Kessy stand, war kein Wunder. Seine Vorliebe für das Wertvolle hatte er oft und gern unter Beweis gestellt. Zuletzt bei dem Überfall auf den Goldtransport der Gold and Diamond Company.

      Bei dem Überfall hatte Bount Reiniger ihn nicht erwischen können. Die GDC hatte ihn erst auf die Spur des Gangsters gehetzt, als das Malheur bereits geschehen war. Doch bei Kessy wollte Bount ihn fassen, und dann würde er sich endlich ein paar Tage Urlaub gönnen. June March lag ihm schon seit Langem deswegen in den Ohren.

      Dem Detektiv war klar, dass er es keinesfalls auf eine Schießerei im Tropical Inn ankommen lassen durfte. Der Gangster hätte keine Sekunde gezögert, auch Unbeteiligte darin zu verwickeln. Der Mann in der Tiefgarage musste nur deshalb sterben, weil er ihn für seinen Verfolger gehalten hatte.

      Bount hatte sich seinen Plan bis in die letzte Einzelheit zurechtgelegt. Es musste alles auf Anhieb klappen. Wenn sich Jil Fernay im Tropical Inn entdeckt sah, würde er unberechenbar werden, und vor allem war dann die einmalige Chance vertan.

      Bount Reiniger hatte auf seinen silbergrauen Mercedes 450 SL verzichtet. Der Gangster kannte diesen Wagen von einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd her. Er würde ihn prompt misstrauisch machen.

      Den schwarzen Rambler hatte Bount sich geliehen. Er diente ihm lediglich als Versteck.

      Bount Reiniger parkte den Wagen in sicherer Entfernung von der Bar. Er stellte den Sitz so weit zurück, dass er fast lag. Den Innenspiegel regulierte er auf den Eingang des Tropical Inn ein, den Außenspiegel auf ein ganz bestimmtes Fenster in der Etage über der Kneipe.

      Dieses Fenster gehörte, wie er sich geschickt informiert hatte, zu einem Zimmer, das Kessy benutzte. Hier sollte die Bombe platzen.

      Bount Reiniger machte es sich bequem und richtete sich auf eine lange Wartezeit ein. Er war nicht sicher, ob er bereits in der ersten Nacht Glück haben würde, doch er wollte nichts unversucht lassen. Immerhin ging es nicht nur darum, das geraubte Gold im Wert von ungefähr sechshunderttausend Dollar wieder heranzuschaffen, er wollte auch einem erbarmungslosen Killer das Handwerk legen.

      Bount wurde nicht schläfrig. Der Gedanke an Jil Fernay hielt ihn munter.

      Er behielt beide Rückspiegel im Auge. Ihm entging nichts. Er sah jeden neuen Gast kommen, er sah das dunkle Viereck im ersten Stockwerk, er sah die ersten Männer das Tropical Inn bereits wieder verlassen. Jil Fernay ließ sich nicht sehen.

      Bount blickte auf die Uhr. Es war halb drei.

      Ihm leuchtete ein, dass der Gangster nicht kommen würde, um sich volllaufen zu lassen. Falls er überhaupt auftauchte, dann ausschließlich wegen Kessy. Die aber hatte erst um vier Uhr an der Bar Feierabend. Dann wurde sie abgelöst und hatte Zeit für ihren gewinnbringenden Nebenerwerb.

      Jil Fernay musste nur aufpassen, dass ihm niemand zuvorkam. Deshalb würde er nicht bis zum letzten Moment warten. Es sei denn, er hatte bereits eine Verabredung mit dem Girl getroffen.

      Eine weitere halbe Stunde verstrich, ohne dass sich etwas Atemberaubendes ereignete.

      Dann glitt ein Mercury heran. Er war fliederfarben und trug eine Menge Chromleisten. Der Schlitten zwängte sich in eine Parklücke. Die Rücklichter erloschen.

      Bount Reiniger widmete dem Wagen die übliche Aufmerksamkeit. Nicht mehr und nicht weniger als den hundert anderen, die vor ihm in ähnlicher Weise vor der Kneipe gehalten hatten.

      Erst als der Fahrer ausstieg, klingelte bei dem Privatdetektiv die Alarmglocke.

      Jil Fernay.

      Der Halunke war allein. Natürlich! Bei Kessy konnte er keinen Begleiter gebrauchen.

      Der Mann ging mit elastischen Schritten auf den Eingang zu. Bevor er dahinter verschwand, warf er ein paar misstrauische Blicke nach allen Seiten. Er wusste, dass er ein Gejagter war. Doch das war für ihn kein ausreichender Grund, um auf die Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten.

      Er setzte auf seine Skrupellosigkeit. Und auf seinen auf fragwürdige Weise erworbenen Reichtum, der ihn befähigte, in kritischen Momenten wichtige Leute zu kaufen und dadurch seinen Häschern ein Schnippchen zu schlagen.

      Bount Reiniger rührte sich nicht. Ihm war zwar bewusst, dass das Tropical Inn auch einen Hinterausgang besaß, doch er glaubte nicht, dass Jil Fernay ihn benutzen würde. Noch gab es keinen ersichtlichen Grund dafür. Und wenn dieser Grund, nämlich er selbst, sichtbar wurde, würde der Hinterausgang für den Gangster unerreichbar sein.

      Nach drei Uhr. Eine Stunde würde es wohl noch dauern, bevor hinter dem dunklen Viereck Licht aufflammte. Eine Stunde hatte er also Zeit, in das Haus zu gelangen. Nicht durch den Hintereingang und schon gar nicht durch die Vordertür.

      Von dieser Stunde blieb Bount noch zwanzig Minuten im Wagen. Erst jetzt war er sicher, dass Jil Fernay sich länger aufhalten würde.

      Er stieg aus, nachdem er die Spiegel für eine eventuelle Verfolgungsfahrt wieder in ihre ursprüngliche Stellung gebracht hatte. Er hoffte zwar nicht, dass es dazu kommen würde, doch rechnen musste man bei diesem Verbrecher mit allem.

      Bount Reiniger hatte sich schon bei Tageslicht einen Überblick über die örtlichen Verhältnisse verschafft. Es bestand die Möglichkeit, eines der Fenster von außen zu erreichen.

      Das Tropical Inn befand sich in einer üblen Gegend in der hundertsiebenundzwanzigsten Straße. Es wurde von Abbruchhäusern umgeben. In manchen harrten noch ein paar Unentwegte aus. In dem einen oder anderen befand sich sogar noch ein Laden im Kellergeschoss.

      Männer, die ein Haus nicht durch die Tür betraten, waren hier nichts Ungewöhnliches. Niemand regte sich darüber auf. Keiner informierte die Polizei, die man in der 127 th ohnehin nur äußerst ungern sah.

      Bount musste also nur darauf achten, dass er nicht vom Besitzer oder einem Angestellten des Tropical Inn erwischt wurde.

      Er hoffte, dass das Fenster, auf das er es abgesehen hatte, wieder offenstand,