A. F. Morland

Krimi-Sammlung Tod im Leuchtturm und 7 andere Krimis


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wägte er ab … Würde es hier vielleicht anders sein? Jerry hoffte es. Instinktiv erkannte er jedoch, dass er sich irgendwie allein helfen musste, schließlich wollte er diese Aktion überleben, aber was konnte er tun?

      Finlay hatte eine Zeit lang als Chauffeur für McAllister gearbeitet, bis Jerrys Vater dahintergekommen war, dass er nebenbei mit Drogen dealte. Daraufhin setzte er ihn von einem auf den anderen Tag auf die Straße.

      „Lass dir keine Angst einjagen“, zwinkerte er Jerry kumpelhaft zu. „Du und ich, wir kennen Sam. Er wird sicherlich alles tun, damit er dich so schnell wie möglich wiedersieht. Hoffen wir, dass er nicht lange zögert, denn wer weiß, welches Getier sich hier herumtreibt und die Nähe des Wasserlochs sucht …“ Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, holte etwas aus seiner Gesäßtasche, warf es zu Boden und fuhr fort: „Hier hast du was zu lesen, falls es dir langweilig wird und leg dich lieber in den Schatten. In der prallen Sonne ist es ganz schön heiß, nicht dass du noch einen Sonnenstich bekommst. – He, lass uns verschwinden, Cole, mir ist es hier entschieden zu heiß!“ Beide lachten auf, als sie zu ihrem Wagen gingen.

      Jerry sah sich noch einmal um. „Schatten, das ist ein Spaßvogel!“, sagte er vor sich hin und kickte einen Stein weg. Er hob den Schmöker auf, den Finlay ihm eben vor die Füße geworfen hatte. „Der Todesreiter von Santa Fe“ stand auf dem knalligen Deckblatt. „Wer liest denn heutzutage noch Western?“, rief der Junge den beiden nach, wurde jedoch nicht mehr gehört.

      Cole startete bereits den Motor und Dave schwang sich neben ihn. Minuten später sah Jerry McAllister nur noch eine Staubfahne, die allmählich verblasste.

      *

      Tagsüber unerträglich heiß, wurde es nach Anbruch der Dunkelheit empfindlich kühl. Hinter einer Bodenwelle heulte ein Kojote und weiter in der Ferne hörte er andere Tiere der Nacht, und diese Geräusche waren nicht gerade vertrauenserweckend, ließen ihn regelrecht zusammenfahren. Der fast volle Mond spendete genug Licht, sodass er seine Umgebung gut erkennen konnte.

      Unwillkürlich rückte Jerry näher zum Tümpel. Außer den Keksen und dem Schmöker besaß er lediglich sein Taschenmesser und einen Filzstift. Sein Handy hatten sie ihm gleich zu Beginn der Entführung, man hatten ihn von seinem Fahrrad gezerrt, als er kurz noch mal draußen war, abgenommen und zerstört. Nicht einmal eine Decke hatten ihm die Kidnapper dagelassen. Vor allem aber besaß er nichts, womit er auch nur einen Mund voll Wasser hätte transportieren können.

      Das hieß, dass ihm nichts anderes übrig blieb, als hier auszuharren und darauf zu hoffen, dass Henshaw und Finlay tatsächlich wieder zurückkamen. Der Blick zwischen ihnen ging ihm nicht aus dem Sinn. Außerdem war da noch die Frage, warum sie sich zur eigenen Sicherheit nicht maskiert hatten.

      Seine Hoffnung schwand, als er intensiver darüber nachdachte. Was sollte die beiden veranlassen noch einmal in diese öde Gegend zu kommen, wenn sie erst einmal das Geld seines Vaters hätten. Und sicherlich würden sie ihm auch nicht den richtigen Weg weisen, damit er seinen Sohn zurückbekam. Das erklärte ihre Sorglosigkeit.

      Um sich abzulenken, blätterte Jerry den „Todesreiter“ auf. Der Mond schien so hell, dass er jeden Buchstaben deutlich sah.

      *

      Jerry verbrachte eine unruhige, nahezu schlaflose Nacht, da die ungewohnten, teilweise beängstigenden Geräusche der Nachtgeschöpfe, der mittlerweile quälende Hunger und die trüben Gedanken um seine Zukunft ihn wachhielten. Er stutzte, als er sich am nächsten Morgen völlig übermüdet umblickte. In der Ferne sah er einen dunklen Punkt, eine Staubfahne hinter sich her ziehend, der direkt auf sein Lager zuhielt. Einige Zeit später erkannte er das Fahrzeug: Es war der schwarze Land Rover, der zurückkam.

      Plötzlich raschelte es hinter ihm und er sah sich erschrocken um …

      *

      „Ihr kriegt keinen Cent von mir, solange ich keinen Beweis habe, dass mein Sohn lebt“, hatte Sam McAllister sie am Telefon abgefertigt.

      Also machten sie sich Zähne knirschend auf den Weg zu dem Jungen. Sie nahmen sich vor, mit dem Handy entsprechende Beweise zu erbringen, die sie dem Firmenboss präsentieren konnten. Gleichzeitig ärgerten sie sich maßlos, nicht gleich daran gedacht zu haben.

      „Ein drittes Mal sieht mich diese Gluthölle aber nicht wieder“, schimpfte Cole, als er den Wagen an der Wasserstelle in einer Staubwolke zum Stehen brachte.

      Nachdem sich der Staub um sie herum etwas gelegt hatte, blickten sie sich suchend um und ihr erster Eindruck bestätigte sich.

      Hier war niemand!

      Nichts rührte sich. Henshaws Blick glitt erneut über die Kreosotbüsche. Aber nicht einmal ein Kaninchen hätte sich hinter ihnen verstecken können, ohne gesehen zu werden. Auch die Schilfrohre standen viel zu weit auseinander. Misstrauisch starrte der Kidnapper auf den Tümpel. Nirgends eine Luftblase. Keine Bewegung kräuselte die bräunlich-gelbe Brühe. Außerdem hätte es auch der beste Taucher nicht so lange unter Wasser ausgehalten.

      „Abgehauen!“, keuchte Cole. „Dieser Idiot ist wirklich abgehauen.“

      „Da sind Spuren!“, rief Dave und deutete in die Richtung.

      Die Abdrücke von Jerrys Turnschuhen waren deutlich erkennbar, aber nach einer kurzen Strecke hatte der Junge sie offenbar mit einem abgebrochenen Zweig verwischt. Die Richtung wies zu der eine Viertelmeile entfernten Felsgruppe. Dort gab es die einzige Möglichkeit Schatten zu finden oder sich zu verbergen.

      „Ich wette, er versteckt sich dort drüben …“

      „Okay. Holen wir uns die Beweisfotos und dann nichts wie weg von hier! Diese Hitze macht mich noch wahnsinnig.“

      Mit einem Anflug von Überheblichkeit machten sie sich auf den Weg. Ihre knirschenden Schritte waren das einzige Geräusch. Bis plötzlich, nachdem sie gut die halbe Strecke zurückgelegt hatten, der Motor des Land Rovers ansprang. Wie elektrisiert fuhren sie herum.

      „Idiot, du hast den Zündschlüssel stecken lassen!“, schrie Finlay aufgeregt. Das Fahrzeug wendete bereits. Die schmächtige Gestalt hinter dem Lenkrad war nur undeutlich zu erkennen.

      Henshaw und Finlay begannen zu rennen. Sie brüllten dem Wagen Beschimpfungen hinterher, die jedoch von dem Jungen, der ihn steuerte, nicht gehört wurden.

      Völlig ausgepumpt und vor Schweiß triefend erreichten die Kidnapper kurze Zeit später den Tümpel. Der Land Rover hatte sich bereits ein ganzes Stück entfernt. „Der Todesreiter von Santa Fe“ lag aufgeschlagen und mit einem Stein beschwert am Boden. Er konnte von den beiden nicht übersehen werden. Dave bückte sich und griff danach. Eine Passage war mit einem Filzstift markiert: „Jims Verfolger hielten dicht am Ufer, nur ein halbes Dutzend Yards von seinem Versteck entfernt“, las Finlay mit heiserer Stimme. „Reglos lag Jim im trüben Wasser. Er atmete durch ein hohles Schilfrohr, das nur eine Handbreit über die Oberfläche ragte. Nun kam es einzig darauf an, Ruhe zu bewahren …“

      Wütend brach Finlay ab. Seine Hand zitterte. Henshaw starrte den Kumpan fassungslos mit hängendem Unterkiefer an. Am Rand der nächsten Seite stand mit Jerrys eckiger Schrift: „Ich lasse euch vom Sheriff abholen, Jungs. Entfernt euch besser nicht zu weit vom Tümpel, ihr könntet sonst verdursten und gebt Acht, gerade nachts treiben sich wilde Tiere am Wasserloch rum …“

       Ende

      Notruf aus“Haus Nachtigall“

      von Reiner Frank Hornig

      „Schwere, schlurfende Schritte im Erdgeschoss?“ wiederholte Sergeant Presslie ungläubig und hielt den Hörer fest an sein linkes Ohr. Mit dem Bleistift in seiner rechten Hand zog er die Konturen des bluttriefenden Messers nach, das die Titelseite eines Kriminalromans zierte, in dem er gerade gelesen hatte.

      „Keine Sorge, Madam. Ich werde sofort einen Streifenwagen vorbeischicken.“

      „Legen Sie nicht auf!“ Die Stimme bekam einen weinerlichen Tonfall. „Was soll ich nur machen, wenn