A. F. Morland

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten


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sparen? Die Inflation und die Strafzinsen fraßen doch alles auf; nur die Jahresboni für die Oberen und die Diäten für die Politiker stiegen. Peko begann wieder zu spielen, und jetzt, wo er es nicht brauchte, zeigten die einarmigen Banditen, Spielautomaten oder Würfelbänke Großzügigkeit, gemäß der bösen Regel: „Wer hat, dem wird gegeben.“

      Die Arbeit bei der Tellheimer Tafel behielt er bei, schon, um seinen Bewährungshelfer, den er ab und zu bei Behörden brauchte, bei Laune zu halten. Ihm erzählte er auch nicht, dass er wie vor seiner Haft abends durch die Spielhallen in der Kanalstraße zog. Zu seiner Verblüffung begegneten ihm gelegentlich die beiden Mulatten, die BB und ihm mal vom Rimini aus gefolgt waren. Er sprach sie nicht an und sie wollten offensichtlich nichts von ihm. Peko – immer noch ohne Auto, also Bus- und Straßenbahnfahrer, wälzte noch so eine elementare Frage: Kaum stiegen Leute ein, holten sie ein Handy heraus und begannen zu erzählen, was sie alles erlebt hatten. Woher nahmen sie die Zeit, um alles zu erleben, was sie dann unbedingt anderen mitteilen mussten, und zwar je belangloser, desto dringender.

      BB begegnete er in letzter Zeit, außerhalb ihrer Kochstunden, selten, bis sie eines Abends bei ihm klingelte, eine Flasche Rosé auf den Tisch stellte und sofort zur Sache kam: „Ich wollte mich verabschieden, Peko.“

      „Wieso? Ziehen Sie aus?“

      „Nicht sofort. Ende der Woche fahre ich zu meinen Eltern nach Saarlouis. Und anschließend mache ich eine Tour unter anderem über die Schnellstraßen der Sahara und eine Kreuzfahrt auf dem Niger.“

      Er sagte nicht, dass er sie vermissen werde, und brachte nur ein steifes „Viel Glück. Viele Erfolg!“ heraus. „Und kommen Sie heil wieder!“

      „Ich werde mir Mühe geben. Bis dahin – nicht vergessen: Nudeln grundsätzlich nur in kochendes Wasser.“

      „Ich werde hoffentlich daran denken. Alles Gute.“ Er sagte nicht: „Auf Wiedersehen oder auf bald.“

      „Ich schaue noch einmal kurz rein, bevor es am Samstagvormittag losgeht.“

      Doch daraus wurde nichts. Am Samstag klingelte sie mehrfach vergeblich bei Peter Korn und erst als sie sich bückte, um zu klopfen, bemerkte sie, dass die Wohnungstür nur angelehnt und nicht ins Schloss gezogen war. Sie stieß sie auf und ging hinein, wobei sie rief: „Peko, wo sind Sie?“ Keine Antwort und erst als sie in den Wohnraum trat, bemerkte sie ihn; Peko lag auf dem Rücken und starrte blicklos zur Decke. Links neben ihm hatte sich auf dem Boden eine dunkle feuchte Lache gebildet. BB hatte in Afrika mehr als eine Leiche gesehen, um zu wissen, dass Peko tot war. Das geronnene Blut stank widerlich.

      Sie trat nicht näher an den Körper heran, nahm ihr Handy und tastete die 110.

      „Guten Morgen, mein Name ist Brigitte Berger. Ich habe gerade meinen Nachbarn Peter Korn tot in seiner Wohnung gefunden. Ja, Korn wie Getreide, Bertoldstraße 25 … Brigitte Berger … nein, ich fasse nichts an … natürlich warte ich auf Sie. Bis gleich.“

      Ihr Vater war betrübt, als sie ihm am Telefon mitteilen musste, dass sie wenigstens vierundzwanzig Stunden später kommen würde, und reagierte entsetzt, als er erfuhr, warum.

      Was dann folgte, hätte aus einem Fernseh-Tatort stammen können. Die einzige Abweichung war die energische Frau, die das Kommando führte. Um die vierzig, wie BB schätzte, ausgesprochen hübsch und selbst in Jeans, Shirt und Laufschuhen fast elegant angezogen. Sie stellte sich als Marlene Schelm vor, „Hauptkommissarin in der Abteilung, die im Fernsehen immer Mordkommission genannt wird.“ Sie war in Begleitung einer ebenfalls sehr attraktiven Beamtin, der BB nur übelnahm, dass sie auch kurze naturblonde Locken hatte. Der Mann, der sie begleitet hatte, kam nach drei Minuten aus der Wohnung heraus: „Steckschuss im rechten Lungenflügel. Verblutet. Exitus gestern gegen zweiundzwanzig Uhr. Ich nehme die Leiche gleich mit.“

      „Okay, Dr. Rupp. Ist ein Kampf voraufgegangen?“

      „Nach dem ersten Augenschein zu urteilen, nein. Sieht eigentlich so aus, als sei er ahnungslos zur Wohnungstür gegangen, um zu öffnen. Vielleicht hat sein Besucher sofort geschossen. „Korn ist wohl noch nach rückwärts gestolpert und in dem Wohnraum auf den Rücken gefallen.“

      „Und wann ist das geschehen?“

      „Gestern um einundzwanzig Uhr fünfundvierzig spätestens. Er hat auf keinen Fall noch länger als fünfzehn Minuten nach dem Treffer gelebt.“

      „Du hast’s gehört“, sagte die Kommissarin zu einem kleinen, beleibten Mann, der an eine Kugel erinnerte. „Die Nachbarn gestern zwischen einundzwanzig Uhr fünfundvierzig und zweiundzwanzig Uhr dreizig. Wenn er oder sie einen Schalldämpfer aufgesetzt hatte, sind wir gekniffen. Egon, ich verlasse mich mal wieder ganz auf dich. Und Sie, Frau Berger, müssen uns leider aufs Präsidium begleiten.“

      Zweites Kapitel

      Es wurde eine mehrstündiger Sitzung: „Er hat Ihnen gesagt, dass alle Welt ihn Peko nenne?“

      Lene Schelm, Erste Kriminalhauptkommissarin im Tellheimer Referat 11 (Gewaltsame Todesfälle und Entführungen) schaute voller Wohlwollen auf die hübsche blonde Zeugin Brigitte Berger, die leise seufzend erzählte, wie sie durch Artischocken mit dem Nachbarn Peter Korn bekannt geworden sei, und wie daraus eine Kochenlernbeziehung wurde.

      „Nicht mehr, Frau Berger? Er war doch in Ihrem Alter und sah lebend eigentlich ganz gut aus.“

      „Ja. Aber es ist bei beschichteten Bratpfannen und Pflanzenfett geblieben.

      „Seit wann kannten Sie Peter Korn?“

      BB erzählte noch einmal ausführlich die Artischocken-Episode. Lene aß auch gerne Artischocken und kannte noch einige Dips mehr als BB. Verbal-Kulinarisch kam man sich rasch näher.

      „Wussten Sie, was Peter Korn beruflich machte?“

      „Er war gelernter Schlosser und zurzeit arbeitslos. Und weil er sich langweilte, hat er bei der Tellheimer Tafel ausgeholfen und mit meiner bescheidenen Hilfe eben auch angefangen, Kochen zu lernen.“

      „Also war er nicht verheiratet?“

      „Nein.“

      „Und was machen Sie beruflich?“

      „Ich habe in Frankreich studiert und schreibe nun hier in Tellheim an meiner Dissertation.“

      „Würden Sie mir verraten, bei wem und worüber.“

      „Über die Handelsstraßen in der Sahara, bei Professor Stierle.“

      „Dem Geografen?“ Lene gluckste.

      „Ja. Kennen Sie ihn?“

      „Die Welt ist manchmal sehr klein, und Tellheim nicht wirklich groß. Ja, ich kenne ihn und seine Frau privatim. Und war auch zur Hochzeit der Tochter nach Florenz eingeladen. Kommen Sie aus einer größeren Stadt?“

      „Ich denke, das kann man von Saarlouis nicht wirklich behaupten.“

      „Sie sagten eben, Sie hätten in Aix en Provence und in Paris studiert.“

      „Ja.“

      „Wie kommt man von Paris ausgerechnet nach Tellheim.“

      „Das will ich Ihnen gerne erzählen, wenn Sie mir versprechen, es geheim zu halten. Frau Stierle darf es auf keinen Fall erfahren.“

      „Keine Angst. Ich werde schweigen, aber vermute, sie weiß es längst. Man kann vor Annika Stierle wenig geheim halten. Aber trotzdem. Wir Frauen müssen zusammenstehen. Ich werde also schweigen.“

      „Harald Stierle hat einige Semester in Paris studiert und dabei eine sehr hübsche und sexy Schwarzafrikanerin aus dem Senegal kennengelernt.“

      „Also wohl nicht nur kennengelernt?“ Lene seufzte. „Ich liebe den Bois de Boulogne auch.“

      „Hm, anzunehmen. Bei dieser Schönheit, sie heißt übrigens Yvonne Dubois – habe ich Examen gemacht. Yvonne Dubois hat für ihre Dissertation nach der großen Dürre eine lange Recherchereise