A. F. Morland

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten


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geht in den Ruhestand und will sich noch einmal an das große Rätsel wagen – was ist nach oder während der Dürre im Sahel passiert? Aber weil sie die Originale nicht aus der Hand geben will, habe ich für sie DVDs angefertigt, die sie an Freunde und Kollegen verschickt.“

      „Unter anderem an Harald Stierle?“

      „Nein, dem habe ich die DVD statt Blumen überreicht. Er hat mir die Wohnung in der Bertoldstraße besorgt und mir das Dissertationsthema verschafft. Vor allem Reisegeld, um bald auf den Spuren seiner Yvonne zu wandeln.“

      „Auf Bitten von Yvonne Dubois?“

      „Ja, alte Liebe rostet nicht.“

      Lene lachte leise. Ihrer Erfahrung nach war es hilfreich, mit wichtigen Zeugen vorher eine Art Vertrauensverhältnis herzustellen; und dass Lene das Ehepaar Stierle privat gut kannte, war wirklich ein seltener Glücksfall.

      „Hat Peter Korn mal erwähnt, was er früher gemacht hat?“

      „Er hatte von seinen Eltern einen kleinen Laden geerbt und – wie ich mir das zusammengereimt habe – finanziell wohl vor die Wand gefahren. Mir hat er mal gestanden, dass er noch Schulden zurückzahlen müsse.“

      „Waren Sie eng befreundet? Entschuldigung – wirklich nicht intim?“

      „Nein, nein, weder eng befreundet und erst recht nicht intim.“

      „Aber doch so gut, dass Sie zu ihm gegangen sind, um ihm zu sagen, dass Sie zu Ihren Eltern fahren würden und von dort nach Afrika aufbrechen würden?“

      „Ja, sicher. Kochen verbindet. Noch mehr als gemeinsames Essen.“

      „Hatte er viele Besucher, Freunde, Bekannte, alte Kumpel?“

      „Nein, überhaupt nicht. Wenn Sie mich fragen: Er war ein Einzelgänger und diese Arbeit bei der Tafel war auch ein Ersatz für fehlende soziale Kontakte.“

      „Keine Freundin? Keine Frauen?“

      „Nicht in seiner Wohnung. Ob er in einen Puff ging, weiß ich nicht, über so etwas haben wir nie gesprochen.“

      „Aber über die Menge an Kardamom und Kurkuma und Kreuzkümmel für ein gutes Curry?“

      „Ja, alles will gelernt sein.“

      „Sie haben also keine Ahnung, Verdacht oder Vermutung, wer ihn warum erschossen hat?“

      „Nein. Keinen Schimmer.“

      In diesem Moment kam eine sehr junge Frau ins Zimmer und Tine Dellbusch legte wortlos vor Lene einen Zettel ab, die ihn stumm las und dann BB überraschte: „Wir haben einen Peko in einer unserer Dateien. Wussten Sie, dass er auf Reststrafenbewährung aus dem Gefängnis entlassen worden war?“

      „Nein.“

      „Er hat Ihnen gegenüber gesagt, er lebe bescheiden, weil er noch Schulden zurückzahlen müsse?“

      „Ja.“

      „Die Kollegen haben in seiner Wohnung Kontoauszüge gefunden, danach hatte Peko fast 90.000 Euro auf seinem Konto und bezog aus irgendwelchen Anleihen oder Anlagen regelmäßig Zinsen oder Dividenden. Er war für einen Junggesellen ein reicher Mann.“

      „Nicht zu glauben. Dann hat er mich die ganze Zeit über an der Nase herumgeführt?“

      „Sieht ganz so aus. Ob dieses Geschichte von der Tellheimer Tafel überhaupt stimmt?“

      „Also, er hat mich einmal mitgenommen und seinen Tafelfreunden vorgestellt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles nur vorgetäuscht und vorgespielt war.“

      „Hat er mal den Namen Fabian Lausen erwähnt?“

      „Nein. Wer soll das sein?“

      „Sein Bewährungshelfer.“

      „Nein, den kenne ich nicht.“

      „Als Peko Sie mal auf die Tafelrunde mitgenommen hat – wo ist es losgegangen?“

      „Auf dem Betriebshof einer Spedition Walberg. Dort wurden über Nacht die Transporter abgestellt. Ich glaube, dieser Walberg erledigt die ganze Organisation und den unvermeidlichen Papierkrieg.“

      „Hm. Schreiben Sie mir doch bitte mal auf, welche Geschäfte Sie auf dieser Begleitrunde für die Tafel aufgesucht haben.“

      „Wir waren auch auf dem Kräutermarkt am Lonsepark, aber die Namen der Stände habe ich nicht behalten.“

      „Macht nichts, das kriegen wir mühelos heraus. Eine letzte Frage noch, Frau Berger: Besitzen Sie eine Waffe?“

      „Nein, habe auch nie eine gehabt.“

      Lene ließ sie, nachdem BB Fingerabdrücke und ein Haar mit Wurzel zum Spuren-Abgleich abgegeben hatte, zu ihren Eltern fahren und setzte sich beim „Abendgebet des R – 11“ enttäuscht zu den Kolleginnen Ellen König, Jule Springer und Christine Dellbusch. Tine Dellbusch hatte BB noch gesehen, als die ging: Sie heißt Brigitte Berger und hat in Frankreich studiert? Eine echte Blondine?“

      „Ich glaube, ja.“

      „Jede Wette, dann hat man sie dort BB genannt.“

      „Du kennst die Bardot noch?“, staunte die ebenfalls blonde Jule.

      Die sehr ernste und ziemlich humorlose Elle König lenkte in dienstliche Bahnen zurück: „Bis auf diese Tafel keine Bekannten, Verwandte, Freunde. Freundinnen?“

      „Nein, nichts. Sagt BB. Niemand hat am Freitagabend einen Schuss oder einen lauten Streit in der Bertoldstraße 25 gehört, trotz dieser papierdünnen Wände.“

      „Freunde, Freundinnen?“

      „Bis jetzt Fehlanzeige.“

      Sie verteilten noch die Aufgaben für den kommenden Montag und dann lud Lene ihre Kolleginnen zum Essen in die Spätlese ein. Der Pächter des Lokals, Fido Lorch, war ein ehemaliger Kripo-Kollege und zurzeit mit Tine Dellbusch liiert.

      Wie immer in der Spätlese, das Essen war so gut wie der Wein, es wurde fröhlich-laut und spät. Lene hatte keine Rufbereitschaft, sie schlief ungestört gut und lange und konnte beim Frühstück über die merkwürdige Geschichte nachdenken, die sie gestern von der blonden BB aus Saarlouis gehört hatte. Die Bertoldstraße war keine wirklich schlechte Adresse, aber beileibe keine gute. Eine laute, verkehrs- und feinstaubreiche Straße in einem citynahen Viertel, das – freundlich ausgedrückt – zurzeit schwer herunterkam.

      Kurz vor zwölf rief sie Harald Stierle an: „Ich habe gestern eine deiner Doktorandinnen kennengelernt.“

      „Ach nee.“

      „BB. Einer ihrer Nachbarn ist am Freitag in seiner Wohnung ermordet worden, und sie hat tags darauf die Leiche gefunden.“

      „Arme Brigitte.“

      „Ein sehr hübsches Mädchen, mit langen gerade Beinen; für ältere Herren, deren Kinder aus dem Haus sind, nicht ganz ungefährlich.“

      „Psst. Das sagt Annika auch. Ich lebe in permanenter Verteidigungsposition und in Erklärungszwang. Eine schwarze Französin aus dem Senegal habe sie sozusagen als Studentensünde zu den Akten genommen, aber dass die mir nun eine blonde Saarländerin als Platzhalterin oder so ähnlich schicken, gehe eigentlich zu weit.“

      „Armer Mann.“

      „Hat BB was mit dem Mord zu tun?“

      „Sie hat das Opfer gekannt und mit ihm kochen geübt. Von Artischocken-Dips über Curry, Chutney und gefüllte Avocados bis zu ordinären Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Speck.

      „Alles will gelernt sein.“

      „So hat sie es mir auch begründet.“

      „Ich sagte doch, eine so hübsche wie lernfähige und intelligente Frau. Und auch sexy, was ich gar nicht leugne.“

      „Grüß Annika von