Frau Lochner. Und dann noch Peko, das bedeutet lebenslänglich und anschließende Sicherheitsverwahrung. Sie haben Ihr Leben hinter sich.“
„Spielen Sie sich nicht so auf. Sie sind nicht das Gericht, und mit Pekos Tod habe ich nichts zu tun. Das war ganz anders.“
„Ach nee. Wer, wo und wie war es denn dann?“
„Das werden Sie mir ohnehin nicht glauben.“
„Versuchen Sie’s doch mal. Üben kann nicht schaden, sie müssen mal eine große Strafkammer überzeugen.“
„Natürlich wusste ich, dass Axel Brunner als EDV-Mann bei der Leininger Handelsbank arbeitete. Er hatte, wie viele Männer, eine saudumme Angewohnheit. Er steckte automatisch alles in die aufgesetzten Hemdentaschen. Ich musste immer ausräumen, wenn ich seine Hemden waschen oder in die Reinigung geben wollte. Einmal habe ich einen ganz klein zusammengefalteten Zettel mit dem Aufdruck LHB gefunden und darauf standen zwei vierstellige Ziffern, wie die PIN-Nummern einer EC-Karte, wenn man am Automaten Geld holen will. Ich habe Axel gefragt, ob das die Geheimnummern seiner Schweizer Nummernkonten seien. Er wollte den Zettel wegwerfen, ich habe ihn mir wiedergeholt und am nächsten Tag meinem Bruder Uwe gezeigt, der war aus dem Knast entlassen worden und wollte sich von mir Geld pumpen. Er wurde ganz aufgeregt, als er hörte, dass Axel in der LHB-Filiale Bühler Markt gearbeitet hatte. Dann kam Uwe zu mir und erzählte, dass ein alter Knastkumpel sich jeden Tag an der Bank herumtreibe, Peko wirke zwar total harmlos, habe es aber faustdick hinter den Ohren. Uwe hat mir versprochen, Peko in Ruhe zu lassen. Aber das habe ich ihm nicht geglaubt. Uwe war schon immer rücksichtslos. Und von ihm habe ich den Spruch gelernt: ‚Ein toter Zeuge ist der beste Zeuge.‘ So war das.“
Lene sagte nichts. Sie kannte auch einen passenden Spruch: „Wenn nicht wahr, so doch gut erfunden.“ Und Karins Aussage hatten sie auf Tonband und Video, davon musste sie später erst wieder einmal runter.
Kuno Traube war tags darauf der nächste Kandidat. Die Platzwunde war fast verheilt und der Schlag gegen die Stirn hatte sein Denkvermögen nicht nachhaltig beschädigt. Ja, das Schmuckstück, das aus dem Bruch bei Träger stammte, hatte er von Karin Lochner mit der Bitte erhalten, es möglichst günstig für sie zu verkaufen. Dass daran Blut klebte, hatte das Luder, mit dem er nicht nur das Büro, sondern auch gelegentlich das Bett teilte, ihm verschwiegen.
Lene hörte wortlos zu. Reden war Silber, Schweigen Gold.
„Sie hatten ja eine recht gefährliche Frau unter der Bettdecke. Herr Traube. Können Sie uns im Mordfall Christian Weise weiterhelfen?“
Die Liebe zu langen Märchen schien die ganze Bande zu erfüllen. Lene störte es nicht, sie wurde fürs Zuhören bezahlt, aber die armen Mädchen, die den ganzen Scheiß abtippen mussten, taten ihr jetzt schon aufrichtig leid.
Da war also eines Tages die Sommersprosse Uwe Lochner zu Traube gekommen, um ihm etwas Besonderes anzubieten. Er – Traube – hatte entsetzt abgelehnt, so was konnte man nicht verkaufen, das kannte doch jeder Fachmann.
„Sie reden jetzt vom ‚Keltenkönig‘?“
„Ja.“
„Haben Sie einen Blick in die Kiste geworfen, um sich davon zu überzeugen?“
„Nein, nie.“
„Sie haben sich auf Uwes Wort verlassen?“
„Ja.“
„Er war also nicht das erste Mal zu Ihnen gekommen?“
„Nein.“
„Aber so, wie Sie das darstellen, hätte sich doch alles Mögliche in der Kiste befinden können.“
„Ja, Von Alteisen über Blei bis zu Feldsteinen.“
„Ich wollte es gar nicht wissen. Nachdem er das Wort ‚Keltenkönig‘ ausgesprochen hatte, war jedes Geschäft gestorben.“
„Wie ging’s dann weiter?“
„Uwe hat die Kiste wieder mit in sein Haus genommen und dort ist sie ihm geklaut worden.“
„Nein! Und von wem?“
„Von seinem Bruder Martin.“
„Woher wollen Sie das wissen?“
„Weil ich Martin damit beauftragt und dafür bezahlt habe.“
Lene dachte, ihr fielen die Ohren ab: „Ich denke, das wäre viel zu heiß für Sie.“
„Stimmt, aber mir war ein Gedanken gekommen.“
„Und welcher?“
„Man könnte den Schmodder dem Museum, dem Land oder der Stadt zum Rückkauf anbieten.“
„Und an wen wollten Sie sich da wenden?“
„Das wollte Zwerg Nase für mich herausfinden. Gegen Honorar natürlich.“
Weise war tot, dem konnte man jetzt vieles in die Schuhe schieben.
„Martin hat Ihnen die Kiste besorgt?“
„Ja. Ich hab’ sie bei mir im Geschäft aufgehoben, bis Karin diesen Weise erschlagen und sich verdächtig gemacht hat. Da haben wir beschlossen, alle heißen Sachen in die alte Schmiede zu bringen.“
„Wer ist wir?“
„Karin Lochner, ich und ihre beiden Brüder.“
„Apropos Alte Schmiede. Was ist da eigentlich passiert? Einiges habe ich draußen hören können, aber natürlich nicht gesehen.“
Traube zögerte und Lene schubst ihn an: „Keine Sorge, wir wissen längst, dass mit der Pistole Peko erschossen worden ist.“
„Der Krach ging gleich los. Uwe brauchte unbedingt Zaster und wollte sofort wissen, was seine Schwester da in der Mappe hatte. Sie nahm die Pistole heraus und warf ihm die Mappe zu. Uwe jubelte und wollte gleich mit Geld abhauen. Damit war Karin nicht einverstanden und hat auf Uwe geschossen. Der ging zu Boden und Martin witterte seine Chance, schnappte sich die Mappe und wollte weg. Karin hat ihm in den Arsch geschossen. Daraufhin wollte ich nur weg und habe vorsichtshalber zuerst die Ballerlady k. o. geschlagen. Ich konnte ja nicht wissen, dass Sie an der Tür mit einer Latte auf mich warteten.“
„Sehr schön, Herr Traube, machen wir Schluss für heute. Keine Sorge, ich komme wieder.“ Die Ankündigung erfreute ihn nicht.
Vieles war ja nun geklärt, aber eine wichtige Frage stand noch offen. Wer von der Bande hatte nun Peko in seiner Wohnung erschossen?
Bis weit nach Dienstschluss studierte Lene noch einmal die mittlerweile stattliche Akte … Zum Nachteil von Peter Korn. Das beste Motiv hatte Uwe Lochner, der befürchten konnte, dass Peko ihn auf dem Parkplatz hinter der LHB-Filiale gesehen und erkannt hatte. Ihm würde der nichtsahnende Peko auch die Wohnungstür geöffnet haben: „Hallo Peko, hier ist ein alter Kumpel aus Lensen.“
Jetzt musste Uwe nur noch die Tat vor Zeugen zugeben.
Die Ärzte ließen sich Zeit. Erst wenige Tage vor der Jubiläumsfeier „Vierzig Jahre Keltenkönig“ durfte Lene den verletzten Uwe Lochner verhören.
Staatsanwalt Dobbertin und Kriminalrat Dembach hatten sich mit in das Verhörzimmer gesetzt. Lochner verzichtete auf einen Anwalt und schaute Lene hasserfüllt an: „Nun schießen Sie schon los. Ich habe nicht unbegrenzt Zeit.“
„Sie haben mehr Zeit, als Sie sich vorstellen können. Oder zieht es Sie so in die Einsamkeit einer leeren Zelle in der U-Haft?“, gab Dembach zurück. Er hatte es schon selbst mit solchen Typen zu tun gehabt.
„Dazu braucht es ja wohl erst einmal einen Haftbefehl.“
„Der Antrag ist schon unterwegs. Wir fangen erst mal klein an, mit dem Einbruch in die Leininger Handelsbank.“
„Den weisen Sie mir erst mal nach.“
„Kinderspiel. Ihre Schwester hat bereits ausgesagt, wie sie an die PIN-Nummern gekommen ist und dass sie