alles hat Ihnen der tote Peko zu Protokoll gegeben“, höhnte sie. Lene fand, Karins Busen war keine schlechte Ablenkung. Man schaute unwillkürlich dorthin und übersah deshalb sehr leicht, dass Karin Lochner eine intelligente und eine nicht leicht einzuschüchternde, fast schon kaltschnäuzige Frau war.
„Nein“, sagte sie vorsichtig. „Natürlich nicht Peko, aber eine Zeugin.“ Dass die sich mit einem Freund zurzeit Richtung Norddeutschland und Afrika via Helgoland bewegte, strafte Lenes Worte nicht direkt Lügen. Sobald sie gegangen war, begann Karin Lochner zu telefonieren, was Lene, die draußen vor der Tür auf dem Gang lauschte, mit großer Freude vernahm.
Dreizehntes Kapitel
Die nächste Ausgabe des Tageblatts brachte eine Kleinanzeige: „Leininger Heimatfreund sucht nach Geldgebern, um die Grabungen bei Stockenstein fortsetzen zu können. KlAnz 18/4712“
Lene las die Anzeige beim zweiten Becher Frühstücks-Kaffee und rief sofort den Vizepräsidenten der LHB an: „Guten Morgen, Herr Scheuren. Ich lese gerade Anzeigen im Tageblatt.“
Er seufzte: „Guten Morgen, Frau Schelm. Wissen Sie, wir schmeißen Unsummen für schwachsinnige Werbung raus, die doch nichts bringt. Da ist diese halbe Million zum Schutze unseres Rufes ausgesprochen günstig angelegt.“
„Herr Scheuren, eine heikle Frage. Werden bei Ihnen alle eingehenden Telefonate gespeichert?“
„Regelmäßig? Sie wissen doch, das geht nur mit …“
„Herr Scheuren, ja oder nein?“
Er seufzte wieder. „Der Anruf kam von einem Handy.“
„Bitte die Nummer.“
„0138/5561789“
„Danke.“
Man hörte förmlich, wie Anja Stich am Telefon lächelte. „Sofort? Oder darf ich vorher noch einmal auf die Toilette?“
„Sogar mehrmals: Ich muss erst mit Arne was aushecken.“ Hauptkommissar Arne Wilster, Leiter des Polizeiarchivs, war Anjas Chef und seit Jahren mit Lene eng befreundet, was sogar Egon Kurz inzwischen akzeptiert.
„Wunderbar, dann sehen wir uns ja gleich.“
Anja Stich drückte ihr einen Zettel in die Hand, als Lene durch das Vorzimmer in Wilsters Reich vordrang.
„Liebe Lene, was kann respektive soll ich für dich tun?“
„Drei Überwachungen, lieber Arne. Ohne Anweisung des Chefs, ohne Wissen des Staatsanwaltes und ohne Zustimmung des für den Fall zuständigen Achten.“
„Die LHB am Bühler Markt?“
„Genau. Uwe Lochner, Martin Lochner und Karin Lochner. Die lebt mit einem Axel Brunner zusammen und der ist zufällig EDV-Administrator der LHB.
„Und die Person auf dem Zettel da? Anja war sehr eifrig nach deinem Anruf.“
„Aus Frauensolidarität, mein Freund. Die werdet ihr Männer nie verstehen? Um diese Frau kümmere ich mich selbst.“
Auch „Zerg Nase“ hatte die Anzeige im Tageblatt gelesen und war außer der Reihe zu Sina gefahren, die ihm wortlos noch einmal ihr Handy überließ und sich dann auszog.
Scheuren war einverstanden: „dreiundzwnazig Uhr an der Ruine Burg Falkenweide. Ein junger Mann mit der Parole „Stockenstein“.
In seinem Büro im Rathaus klingelte das Telefon, als er zurückkam. Wie er befürchtet hatte: Karin Lochner wollte ihn an ihre Verabredung erinnern. „Du weißt doch, übermorgen kommt Axel aus Wiesloch zurück. Und dann herrscht zwischen uns notgedrungen erst einmal Sendepause.“
„Ja, ich weiß, aber …“
„Aber was“, fragte sie böse.
„Ich kann heute Abend nicht.“
„Und warum nicht?“
„Das kann ich jetzt am Telefon nicht erklären.“
„Ist sie schon da und hört zu?“
„Wer soll das sein?“
„Die Neue, meine Nachfolgerin.“
„Du bist ja verrückt!“, platzte er heraus.
„Dann sag mir, warum ich nicht kommen soll.“ Sie brauchte dringend die 150 Euro. Aber das musste er nicht wissen.
„Weil sich bei mir unerwartet ein wichtiger Besucher angemeldet hat, den ich nicht versetzen kann.“
„Toll“, höhnte sie. „Wichtiger als dein wöchentlicher Drang?“
„Ja.“
„Wer ist es denn?“
„Sag’ ich dir später.“ Damit legte er auf. Karin Lochner kochte vor Wut. Das dachte der sich so, schließlich war sie kein Callgirl, das man bestellen und dem man auch einfach absagen konnte. Den „Besucher“ würde sie sich mal genauer anschauen.
Bis zum „Abendgebet“ des R – 11 hatten Arne Leute die drei privaten Autos von Lene Schelm, Ellen König und Jule Springer und ein unauffälliges beschlagnahmtes Auto für Christine Dellbusch präpariert. Jedem Wagen wurde ein spezielles digitales Funkgerät mit hoher Sendeleistung verpasst, die alle über eine nicht übliche Einrichtung verfügten; sie sendeten, sobald man in ein Mikrofon sprach und schalteten damit die anderen Sender ab und die Geräte auf Empfang, sodass immer alle hörten, was der andere sagte und keiner dessen Meldung stören konnte. Die digitale Übermittlung machte sie abhörsicher.
Kurz vor dem Beginn der Sitzung brachte Anja Stich die Zettel mit den Adressen vorbei. „Einer hat sich leider verflüchtigt, weil eine warme Zelle auf ihn wartet.“
„Macht nichts.“
„Morgen Vormittag legen wir los“, bestimmte Lene.
Karin Lochner fand sich gegen neunzehn Uhr vor dem kleinen Häuschen von Zwerg Nase ein und wartete mehrere Stunden vergebens. Kein Mensch klingelte an Christian Weises Tür, doch als es dunkel geworden war, öffnete sich Weises Garagentor von innen. Karin kicherte in sich hinein: „So hast du dir das also gedacht. Geschnitten, mein Lieber.“
Weise fuhr sehr langsam Richtung Helberberg. Was zum Teufel wollte er um diese Zeit und bei Dunkelheit an der Burgruine Falkenweide?
Tatsächlich stellte Zwerg Nase sich auf den Besucherparkplatz, stieg aus und bummelte Richtung Burg. Auch sie verließ den Wagen und suchte am Waldrand so lange, bis sie einen starken Knüppel fand, der an einem Ende einen nicht bewachsenen Teil besaß. Sie lauschte, hörte aber nichts, keine Schritte, keine Stimmen. Fast unheimlich – und dann noch diese Dunkelheit. Sie klapperte mit den Zähnen und schwor sich, dass Zwerg Nase für diese unheimlichen Minuten würde bezahlen müssen.
Dann hätte der Zwerg sie beinahe abgehängt. Sie hatte ihn nicht zurückkommen hören, erst als er die Fahrertür öffnete und dadurch das Innenlicht aufleuchtete, bemerkte sie ihn. Er zog die Hintertür auf und warf etwas auf die Rückbank; als er sich hinter das Steuer setzen wollte, hatte Karin ihn erreicht. „Na, du Arsch, was machst du denn hier, ist sie nicht gekommen?“ Weise fuhr herum, aber sie hatte den Knüppel schon hoch gehoben, schlug nun mit aller Kraft und Wut zu und traf besser, als sie gedacht hatte. Christian Weise war sofort tot und fiel neben seiner Fahrertür auf den Boden. Sie nahm ein Taschentuch aus ihrer Anoraktasche, öffnete damit die Hintertür des Autos und zog den Metallkoffer heraus, den Zwerg Nase auf die Rückbank gelegt hatte.
Vorsichtig öffnete sie erst zu Hause den Koffer und konnte ihr Glück nicht glauben: Ein halbe Million Euro. Wie gut, dass Alex noch auf Dienstreise war. Sie teilte nicht gern.
Vierzehnte Kapitel
Die aufwendig vorbereitete Verfolgungstour fand nicht statt. Lene saß noch beim Frühstück, als der KvD anrief: „Wir brauchen Sie, Frau Schelm. Eine männliche Leiche auf dem Parkplatz vor der Burg Falkenweide.“