A. F. Morland

Auswahlband 11 Top-Krimis Herbst 2018 - Thriller Spannung auf 1378 Seiten


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      Freed starrte die Tapete an. War er kleinlich? Ein Paragraphenreiter? Mein Gott, hatte Barbara recht? Natürlich hatte sie recht! Er hatte sich dem Gesetz verschrieben. Es war die Leitlinie seines Lebens!

      „Schau, Barbara, das Gesetz“, begann er steif, um jedoch gleich wieder zu verstummen. Das Gesetz – schützte es ihn oder Ronny? Half es ihm? Oder band es ihm nicht vielmehr die Hände, indem es ihn zwang, untätig zu Hause herumzusitzen und zu warten, dass andere Männer eine Arbeit taten, die er auch tun konnte. Vielleicht sogar besser als sie.

      Er kannte die Mafia dieser Stadt wie kein anderer.

      Oder zumindest so gut wie kaum ein anderer. Nur einer kannte sie vielleicht besser, aber der stand auf der anderen Seite des Gesetzes.

      Verdammt, warum nahm er nicht seinen Smith & Wesson und holte sich einen von ihnen?

      „Art! Art! Hörst du mir zu?“

      „Ja, Barbara, verzeih, ich musste gerade an etwas denken ...“

      „Doris vertraut dir, Art. Enttäusche sie nicht.“

      Art Freed legte den Hörer zurück. Dann trat er wieder ans Küchenfenster und starrte auf die Straße hinaus.

      Natürlich hatte er die beiden Wagen bemerkt, die vor einer Stunde gekommen waren, oben an der Straße gewendet hatten und jetzt unten an der Einmündung in den breiten Boulevard standen.

      Gotthart ließ ihn überwachen. Das war ganz natürlich, denn es war möglich, dass die Gangster versuchen würden, irgendwie Kontakt mit ihm aufzunehmen. Er hatte ein Papier unterschrieben in dem er sich damit einverstanden erklärte, dass sein Telefon überwacht wurde. Das war ihm alles als selbstverständlich erschienen. Doch jetzt dachte er auch daran, dass man ihn zu überwachen versuchte. Um ihn von einem privaten Krieg abzuhalten. Um ihn vor sich selbst zu schützen. Er erinnerte sich, solche salbungsvollen Worte schon selbst gegenüber Kollegen benutzt zu haben. Allerdings hatte er keinen gekannt, dessen Kind entführt worden war.

      Art Freed kontrollierte seine Waffe. Aus dem Safe im Kleiderschrank holte er zwei Schachteln Munition. Er stopfte die Patronen in seine Jackentaschen, die daraufhin tief nach unten zogen.

      Er verließ sein Haus, ohne die Tür abzuschließen. Es war immerhin möglich, dass sie Ronny einfach in der Nähe absetzten.

      Er startete und stieß den Wagen rückwärts aus der Einfahrt. Er schaltete die Scheinwerfer ein und trat das Gaspedal durch. Das Malibu schoss die abschüssige Straße hinab.

      Im Haus gegenüber, oben in der Mansarde, schaltete der Todesengel das Funkgerät ein und flüsterte eine Nachricht ins Mikrofon.

      Mit wimmernden Reifen preschte der Wagen auf den Boulevard hinaus. Im Rückspiegel konnte Freed die beiden Limousinen sehen, die sich jetzt gegenseitig behinderten, als ihre Fahrer die Verfolgung aufnehmen wollten.

      Freed fuhr in Richtung Innenstadt. Er wusste, wie er sich einen von ihnen greifen konnte, und er wusste, wie er Stufe um Stufe an den Mann an der Spitze herankommen konnte.

      Aber dazu konnte er keinen Schatten brauchen.

      Er sah die tanzenden Lichtbündel im Rückspiegel. Er musste die Kollegen abschütteln. Er tat nur, was er tun musste, die Folgen bedachte er nicht mehr. Aber er durfte die Kollegen nicht mit hineinziehen. Diesen Kampf musste er allein ausfechten.

      Freed tippte aufs Gas, wobei er hoffte, nicht gleich einem Motorrad Cop in die Hände zu fallen. Er wusste nicht, wen Gotthart auf ihn angesetzt hatte, aber er wusste, dass es kaum einen Kollegen gab, der diese großflächige Stadt am Pazifik besser kannte als er.

      Bei Windsor Hills gab es ein paar Seitenstraßen, die um diese Zeit verlassen daliegen mussten. Auf einer Kreuzung hatte es einen Unfall gegeben, doch ein Stau hatte sich nicht gebildet. Zwei Cops leiteten den Verkehr vorbei. Mitten auf der Fahrbahn standen zwei Krankenwagen. Freed spähte in den Rückspiegel.

      Ein Wagen fiel ihm durch sein hohes Tempo auf. Der Kollege durfte ihn nicht verlieren. Freed wirbelte das Lenkrad herum und kurvte um die beiden Ambulanzen. Ein roter Einsatzwagen der Feuerwehr deckte ihn, als er in die Seitenstraße hineinschoss. Hinter einem Kleinlaster stoppte er und schaltete die Scheinwerfer aus.

      Er sprang aus dem Wagen und lief zur Kreuzung zurück, wo er gerade zurechtkam, um den braunen Chevrolet zu sehen, der vor ein paar Minuten noch an der Hicksville Road gestanden hatte. Der zivile Wagen des FBI District Office rauschte vorbei. Die zweite Limousine folgte ein paar Minuten später. Freed sah, wie der Mann am Steuer in den Hörer des Autotelefons sprach.

      Sie hatten ihn verloren. Feed buchte diesen Umstand als seinen ersten Erfolg.

      Er hielt ein Taxi an und ließ sich zum Bus Terminal Los Angeles West bringen. Dort mietete er einen zweitürigen Plymouth Fury, mit dem er nach Los Angeles zurückfuhr.

      Er konzentrierte sich auf das, was ihm in den nächsten Minuten bevorstand, wobei er versuchte, nicht an Ronny zu denken. Es gelang ihm jeweils für Augenblicke. Er fühlte sich einsam und frei zugleich.

      Wenigstens für Augenblicke.

      14

      Roberto Tardelli fuhr über die schnurgerade Straße, die die Wüste in zwei gleiche Teile zu zerschneiden schien. Das Mondlicht tauchte das öde Land in hartes, silbriges Licht. Adam Petrie war in sich zusammengesunken.

      Ein Schild glitt vorbei. Tucson – 34 Meilen,

      Xavier – 22 Meilen. Vielleicht gab es in Xavier ein Hospital. Je eher er den Gangster loswurde, desto eher konnte er versuchen, ein Flugzeug zu bekommen, das ihn nach LA brachte.

      Roberto war hellwach. Er stand unter Hochspannung.

      Er kurbelte die Scheibe herab und hielt seinen Kopf in den kalten Wind.

      Als er den Kopf wieder einzog und mechanisch den Rückspiegel mit einem Blick streifte, sah er die Scheinwerfer.

      Sie kamen rasend schnell näher. Zu schnell für einen normalen Verkehrsteilnehmer. Einen Augenblick lang beherrschte den jungen Mann am Steuer so etwas wie Panik.

      Wie sind sie dir so schnell auf die Spur gekommen?

      Er senkte den Fuß aufs Gas. Der Ramcharger beschleunigte langsam, die Nadel kletterte auf die Siebzig Meilen Marke, zitterte, blieb dort hängen. Der Wagen dröhnte. Die Maschine gab nicht mehr her. Roberto ließ ihn auf die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 55 Meilen zurückfallen.

      Die Scheinwerfer des fremden Wagens wurden heller und größer, und bald erfassten sie den Dodge und füllten die Fahrerkabine mit grellem Licht, das vom Rückspiegel direkt in Robertos Aussagen geworfen wurde.

      Der fremde Wagen blieb beharrlich hinter ihm. Roberto riskierte einen Blick aus zusammengekniffenen Augen in den Rückspiegel.

      Hinter dem gleißenden Lichtvorhang erkannte er die Konturen eines flachen Wagens. Über dem Dach bemerkte er die Umrisse eines Dachbügels und darauf die dunkel glotzenden Augen der roten Dachlichter und die weißen Trichter der Sirenen.

      Polizei! Die Burschen in dem Wagen langweilten sich garantiert. Da kam ihnen ein Fremder in einem staubüberkrusteten Ramcharger gerade recht. Roberto hatte keine guten Erfahrungen mit den Angehörigen der County Sheriffs Offices gemacht.

      Noch achtzehn Meilen bis Xavier. Der Streifenwagen machte keine Anstalten zu überholen. Die Deputys überlegten wahrscheinlich noch, was sie mit dem Fahrer anstellen sollten, oder was sie ihm anhängen könnten.

      Doch dann überfiel es Roberto siedend heiß. Die Gesetzeshüter hatten bestimmt das Kennzeichen des Ramcharger an ihre Dienststelle gegeben, um das Fahrzeug überprüfen zu lassen. Jemand rief jetzt in Nogales an, wo er auf die Autovermietung stieß. Dort würden die Deputys den Namen des Mannes erfahren, der den Wagen gemietet hatte.

      Dieser Mann hing bewusstlos neben Roberto im Gurt, mit zwei übel aussehenden Schussverletzungen.

      Verdammt, die Kerle würden ihn auf keinen Fall weiterfahren lassen. Sie würden