Tanja Janz

Leuchtfeuerherzen


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ist total nett von dir, aber ich möchte lieber ein bisschen allein sein und in Ruhe die Fotos von den Seelöwen bearbeiten«, wiegelte Alicia ab. »Vielleicht kommen welche davon auf die Homepage des Zoos.«

      »Du meinst, du möchtest in Ruhe Trübsal blasen«, stellte Clara fest und traf damit den Nagel auf den Kopf. »Meld dich einfach, okay? Ich sorge schon dafür, dass du auf andere Gedanken kommst.«

      »Da bin ich mir sicher. Wir können uns morgen treffen, ja?«

      »Na schön. Falls du es dir doch noch anders überlegen solltest oder es dir schlechter geht, ruf mich an, okay?«

      »Danke, Clara.« Alicia beendete das Gespräch und starrte einige Sekunden lang an die Zimmerdecke, bevor sie die Kraft fand, sich aufzuraffen. Sie hoffte, wenigstens bei der Bearbeitung der Fotos von ihrem Liebeskummer abgelenkt zu werden. Doch tief in ihrem Innern war ihr klar, dass sie damit keinen Erfolg haben würde. Elias spukte jede Sekunde in ihrem Kopf umher und es gab nichts, was das hätte ändern können.

      Wenigstens waren ein paar Aufnahmen dabei, die sie dem Zoo zur Veröffentlichung anbieten konnte. Sie hob den Blick zu dem großen Poster über ihrem Monitor, das sie beim Füttern der Seelöwen im Gelsenkirchener Zoo zeigte. Dies war ihr Abschiedsgeschenk von Ilka am letzten Tag ihres Praktikums gewesen. Sie erinnerte sich daran, wie glücklich sie damals gewesen war. Erst waren Elias und sie frisch zusammengekommen und dann hatte sie endlich den heiß ersehnten Praktikumsplatz ergattert.

      Alicia schloss das Bildbearbeitungsprogramm und rief YouTube auf. Dort fand sie ein neues Video, das Kalifornische Seelöwen in Freiheit vor der nordamerikanischen Küste zeigte. Wie gerne würde sie mal dorthin reisen. Bislang kannte sie die Tiere nur aus dem Zoo. In freier Wildbahn hatte sie bisher bloß Kegelrobben und Seehunde an der Nordseeküste beobachtet, wo ihre Tante Heide lebte.

      Betrübt schaute Alicia auf ihren Kalender, der neben dem Poster hing. Sechs Wochen Sommerferien! Normalerweise war dies die schönste Zeit im Jahr. Aber dieses Mal? Im Moment erschien es ihr wie eine Zeit, die sie irgendwie überstehen musste. Elias würde wochenlang in seinem Trainingscamp sein und Clara flog die kompletten sechs Wochen nach Florida, weil ihre Eltern dort Ferienhäuser verkauften.

      Würde sie doch wenigstens mit ihren Eltern in den Urlaub fahren, so wie Clara. Aber daran war in diesem Jahr nicht zu denken gewesen, weil ihre Eltern nicht zusammen freibekommen hatten. Die Warteliste für ein weiteres Praktikum im Zoo war verdammt lang und auch ein Besuch bei Tante Heide, die in St. Peter-Ording eine Pension betrieb, kam nicht infrage, weil alle Zimmer in der Sommerzeit belegt waren. Ihre letzte Hoffnung auf aufregende Ferien war ein Ferienpraktikum in der Schutzstation Wattenmeer in Westerhever gewesen. Ferien mitten im Nationalpark zu machen und die Chance zu bekommen, Robben in freier Wildbahn zu beobachten, was könnte es Schöneres geben?! Aber ein paar Wochen nach Eingang ihrer Bewerbung hatte sie die Absage aus Westerhever vorliegen gehabt.

      Es schien in diesem Jahr für sie aussichtslos zu sein, die Ferien mit schönen unvergesslichen Erlebnissen zu füllen. Und nun kam auch noch die Beziehungskrise mit Elias hinzu, die dem Ganzen das i-Tüpfelchen aufsetzte.

      Leise Kratzgeräusche unterbrachen Alicias Grübeleien. Sie drehte sich um. Ihr Kater Mäxchen versuchte, die geschlossene Tür mit einer Pfote zu öffnen. »Hast ja recht, mein Dicker. Es ist Zeit für das Abendbrot.« Sie öffnete ihre Zimmertür und folgte dem Kater, der zielstrebig in die Küche im Untergeschoss lief. Alicia füllte Mäxchens Napf mit Futter und warf gerade die leere Dose in den Müll, als es an der Haustür klingelte. Das konnte nur Clara sein. »Schaff dir nie Freunde an, für die ein Nein eigentlich ja bedeutet«, sagte Alicia zu ihrem Kater und öffnete dann die Tür.

      »Hi!«

      »Du?« Alicia starrte Elias überrascht an und ihr Herz schlug sofort schneller. Der Streit hatte ihn doch nicht kaltgelassen!

      »Kann ich reinkommen?«, fragte er ohne Umschweife. Seine Haare waren nass vom Regenwasser und von seiner Trainingsjacke perlten einige Tropfen ab. Er sah hinreißend aus.

      Alicia trat einen Schritt zur Seite, um ihn reinzulassen. In ihr keimte die Hoffnung auf, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde.

      Elias putzte sich die Schuhe auf der Fußmatte ab und betrat den Flur. Alicia wartete vergeblich auf einen Begrüßungskuss. Er vergrub seine Hände in den vorderen Taschen seiner Jeans. »Ich bin froh, dass du da bist. Ich wollte mit dir über die Sache von vorhin sprechen.«

      »Okay«, erwiderte sie nur einsilbig, damit er weitersprechen konnte. Gleich würde er sich bei ihr entschuldigen und dann war alles wieder gut. Sie war inzwischen sogar bereit, ihm noch einmal zu verzeihen.

      »Mir geht unser Gespräch von vorhin nicht mehr aus dem Kopf«, erklärte er.

      »Geht mir genauso.«

      »Ich konnte mich vorhin gar nicht richtig auf das Fußballspiel im Fernsehen konzentrieren, weil ich immer daran denken musste. Das ist nicht gut. Ich muss den Kopf für das Fußballcamp frei haben.«

      »Dann lass uns darüber reden«, sagte Alicia und überhörte dabei bewusst seinen vorwurfsvollen Unterton. Sie wollte jetzt kein weiteres Drama machen, sondern die Sache aus der Welt schaffen, bevor Elias ins Trainingscamp fuhr. »Du kannst schon mal hoch in mein Zimmer gehen, ich hole uns was zu trinken.« Alicia wandte sich von ihm ab, um die Getränke aus der Küche zu holen, doch Elias hielt sie am Arm fest.

      »Ich bin nicht gekommen, um länger zu bleiben. Ich wollte die Sache bloß eben mit dir klären.«

      Alicia runzelte die Stirn. Das hörte sich nicht nach der großen Versöhnung an, auf die sie insgeheim gehofft hatte. »Okay …«

      »Ich muss im Fußballcamp den Kopf frei haben, um mich ganz auf die Trainings und Spiele zu konzentrieren«, wiederholte er. »Das kann ich aber nicht, wenn ich weiß, dass du beleidigt bist, weil ich keine Zeit für dich habe. Dann fühle ich mich wie ein Vollidiot.«

      »Ach …«, Alicia winkte ab. »Ich bin schon happy, wenn du unser nächstes Date nicht vergisst.«

      Elias schüttelte den Kopf. »Alicia, darum geht es nicht.«

      »Worum dann?« Sie nahm Mäxchen auf den Arm, weil sie das Bedürfnis hatte, sich an etwas festhalten zu müssen. Es lag eine merkwürdige Stimmung in der Luft und Alicia spürte, dass eine Katastrophe bevorstand.

      »Mir wird das einfach zu viel. Ich kann mich nicht auf den Fußball und gleichzeitig auf die Beziehung mit dir konzentrieren. Sonst hätte ich unsere Verabredung nicht vergessen.«

      Mäxchen strampelte und sie ließ ihn runter. »Dann muss ich dich wohl beim nächsten Mal an unser Date erinnern, wenn es nicht anders geht«, meinte sie. Obwohl sie ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief, versuchte sie, es mit aller Macht abzuwenden.

      »Nein. Das musst du nicht. Ich will eine Pause. Ich will nicht ins Camp fahren und mich schuldig fühlen, weil wir nichts in den Ferien zusammen unternehmen können. Lass uns unsere Beziehung auf Eis legen und gucken, was nach den Ferien ist.«

      Alicia musste schlucken. »Du machst mit mir Schluss?«

      Elias zuckte mit den Schultern. »Es funktioniert im Moment nicht anders.«

      Sie kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. »Ich fass es nicht.«

      »Sorry.« Elias wich ihrem Blick aus. Scheinbar ließ ihn das Ganze auch nicht völlig kalt. Aber bevor sich neue Hoffnung in ihr regen konnte, trat er einen Schritt von ihr zurück. »Ich muss dann auch wieder los. Mach’s gut.«

      Sprachlos schaute sie dabei zu, wie er die Haustür öffnete und von außen wieder schloss. Sie fühlte sich, als hätte er ihr besagte Tür vor den Kopf geschlagen. Eine Art Schockstarre hinderte sie daran, sich zu rühren und klar zu denken. Sie fühlte sich wie in einem Traum gefangen, so unwirklich erschien ihr das, was gerade passiert war.

      Mäxchen strich wieder um ihre Beine und mauzte. Mechanisch nahm sie ihn auf den Arm und stieg die Treppen hoch. Sie rollte sich auf ihrem Bett zusammen, dann brachen die Tränen aus ihr heraus. Und der Schmerz, der mit ihnen kam, war nur