Urs Herzog

Das Ende ist immer nahe 1


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übergaben sie die gesamte Planung und Ausführung an Schneider. Er suchte die Spezialisten, organisierte den Ablauf und erledigte auch den finanziellen Teil. Alles aus einer Hand. Still und verschwiegen, so dass weder der Auftraggeber noch Schneider Consulting in Erscheinung traten. Und heute ging es wieder um einen solchen Auftrag.

      Den dunklen Anzug hatte er gegen ein dunkelblaues Sportsakko getauscht, dazu trug er eine hellgraue Cabardinhose. Der bordeauxfarbene Schlips zu dem weissen Hemd wurde von einer schlichten, silbernen Krawattennadel gehalten. Er schlenderte weiter und zog dabei die Blicke der Damen auf sich. Sein dunkelbraunes, volles Haar, der leicht gebräunte Teint und seine hellen, blauen Augen verfehlten nicht die Wirkung auf Frauen, ein Umstand, den er auch gekonnt auszuspielen wusste. Selten verfehlte seine Erscheinung die gewünschte Wirkung. Ein Mensch mit Charisma, eine starke und seriöse Persönlichkeit. Das Einzige was nicht so richtig ins Bild passte, war, dass Michael Schneider keine Vergangenheit hatte. Aber das war bis anhin den Wenigsten aufgefallen und die, welche um seine Vergangenheit wussten, hatte alle Gründe zu Schweigen.

      Erneut blieb er kurz stehen und schaute sich um. Prüfend schweifte sein Blick umher. Alte Gewohnheiten kann niemand so leicht abschütteln.

      Dann setzte er seinen Weg fort und steuerte auf das nächste Boulevardcafé zu.

      Die bunten Sonnenschirme leuchteten in warmen Farben und passten zu den gestreiften Tischdecken und den geflochtenen Korbstühlen, deren Kissen mit demselben Stoff bezogen waren. Er quetschte sich zwischen den wartenden Gästen, den Kellnern und Stühlen hindurch und erreichte endlich den Tisch an dem sich schon vier Personen niedergelassen hatten. Sie begrüssten sich als würden sie sich schon seit Jahren kennen, wären die besten Freunde. Er setzte sich auf den letzten freien Stuhl, den die Vier bis dahin tapfer verteidigt hatten. Stühle waren heute Mangelware.

      Dichtgedrängt sassen die Leute im Gartenrestaurant. Lachen und Stimmengewirr erfüllte die laue Frühlingsluft. Das klirren der Gläser, die Rufe nach der Bedienung, - zwischendurch konnte man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Es brummte und summte wie in einem Bienenhaus. Den fünf war es recht so. Hier mussten sie sich heute keine Sorgen machen, auch wenn jemand versucht hätte zu lauschen, an den Nebentischen waren allenfalls Gesprächsfetzen zu hören, der Rest ging im Stimmengewirr unter.

      Schneider winkte dem Kellner und bestellte sich ein grosses Bier, Lager, hell. Damit schloss er sich den Anderen an, die alle vor einem halben Liter Bier sassen. Sie plauderten angeregt miteinander. Endlich kam Schneiders Bier. Sie hoben die Gläser und prosteten einander zu. Es schmeckte köstlich. Schneider stellte sein Glas hin.

      „Der erste Schluck ist immer der Beste. Und nun lasst uns zum Geschäftlichen übergehen. Ich gehe davon aus, dass ihr alle mit eurer Bleibe zufrieden seid und ich diesen Punkt abhaken kann.“

      Die vier nickten zustimmend. „Gut, dann weiter.“ Er griff in sein Sakko, zog vier schmale Briefumschläge hervor und verteilte sie. „Hier drinnen findet ihr weitere Informationen und Angaben für euren Job. Zeitplan, Einsatzgebiet, Kontaktadresse -, steht alles da drinnen.

      Dazu der Name der kontoführenden Schweizerbank bei der ihr ein unbegrenztes Spesenkonto habt, zudem der Name der Bank auf den Cayman Islands und die Kontonummer eures Privatkontos. Selbstverständlich seid ihr wie immer versichert.

      Die Police liegt auch im Kuvert. Bei den Begünstigten habe ich dieselben Namen eingetragen wie letztes Mal.

      Den genauen Zeitpunkt für den Beginn des Auftrages werde ich noch bekannt geben. Es wird Anfang nächsten Monats sein.“

      Die Vier steckten die Briefumschläge ein ohne sie geöffnet zu haben. Schneiders Wort zählte.

      „Nun möchte ich euch in Basel willkommen heissen und hoffe, dass euch der kommende Job Spass machen wird.“ Dann bestellte er eine weitere Runde. Sie tranken auf den Erfolg, die gute Zusammenarbeit, den sonnigen Tag und den Frühling. Eine lustige, fröhliche Runde. Freunde die sich an diesem Sonntagnachmittag zu geselligem Zusammensein getroffen hatten.

       Es beginnt

      Schlagzeilen :

      Wieder mehr Alkoholtote

      Regionalbanken legen zu

      Positiver Dopingtest nach Weltrekord

      Im vergangenen Dezember war Moser pensioniert worden und nun hatte er endlich genügend Zeit für seine Hobbys. Lange genug hatte er darauf gewartet. Sein geliebter Garten, die Fussballspiele seines Lieblingsvereins, seine Sammlung alter Kaffeemühlen und das Kartenspielen mit seinen Freunden, einmal die Woche, im Gasthof Hirschen. Heute.

      Wenn es allzu laut wurde am grossen, schweren Stammtisch, mahnte Georg, der Wirt, die vier Spieler ruhiger zu sein um die anderen Gäste nicht zu vertreiben. Das kam oft vor, denn die Vier konnten sich beim Spielen echt ereifern und manch anderer Gast schaute sich in der alten Gaststube um, wer da so laut beim Karten spielen sei. Die Wände mit dem profilierten Holztäfer das im Laufe der vergangenen Jahrzehnte dunkel geworden war, die schweren Vorhänge und die verzierte Stuckdecke brachen den Schall ein wenig, so dass die Gäste nicht gleich lärmgeplagt davonliefen. Der „Hirschen“ war ein gemütliches Restaurant und das Stammlokal vieler Vereine.

      Die vier Pensionäre spielten nie um bare Münze, sondern darum, wer die nächste Runde zu zahlen hatte. So folgten dann Spiel um Spiel, Runde um Runde und die Stimmung stieg, wurde immer ausgelassener. Zwischendurch, in den seltenen Spielpausen, wenn sie warteten bis Georg die nächste Runde brachte, schwelgten sie in Erinnerungen. „Kannst du dich noch erinnern? Weißt du noch, damals...“

      Die vier Musketiere, Georg nannte sie so, kannten sich seit ihrer Kindheit.

      Sie besuchten dieselben Schulen, rauchten zusammen heimlich die ersten Zigaretten, erlebten gemeinsam den ersten Vollrausch und tauschten die ersten Erfahrungen über Mädchen aus. Sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel.

      Unfug mal vier, Kumpels, Freunde fürs Leben. Im Laufe der Zeit verloren sie sich dann doch aus den Augen, zerstreuten sich in alle Winde. Den Kontakt untereinander liessen sie nie ganz abreissen, trafen sich im Laufe der Jahre immer wieder und waren nun, nach ihrer Pensionierung nach Hause, nach Birrhausen, zurückgekehrt.

      Georg brachte die nächste Flasche "Brouilly".

      Er war die Seele des Restaurants. Wirt, Koch, Sommelier, wenn nötig auch Kellner, alles in Personalunion. Eine stattliche Erscheinung, ein Mann mit grauen Haaren, schwarzem Schnauzbart und fröhlichen, blauen Augen. Um den rundlichen Bauch hatte er wie immer eine weisse Schürze gebunden an der er ab und an seine Hände trockenrieb.

      „Habt ihr das Schild draussen gesehen? Die nächste Woche bin ich in den Ferien, ich muss mich von euch erholen!“

      „Was, schon wieder Ferien?“ Thomas Pfeiffer spielte den Entrüsteten.“

      „Wirt müsste man sein, dann könnte man sich so viele Ferien leisten“, resümierte Johann Moser.

      „Kein Kunststück bei den Preisen. Jetzt macht er wieder dicht und lässt seine besten Kunden verdursten, eine ungerechte Welt“, jammerte Pfeiffer und schaute wie ein weidwundes Reh umher.

      Dann fuhr er fort: „Wenn ich einen Notvorrat hätte anlegen können, dann würde ich die Trockenzeit besser überstehen, aber so?“

      „Die Beiden kannst du nicht erst nehmen, Georg, du kennst diese Krämerseelen. Komm, gib uns einen aus, dann ist die Welt wieder in Ordnung und du kannst ohne schlechtes Gewissen in die Ferien.“

      „Deine Idee ist sehr gut, Paul, ich bin dabei und wenn die anderen Zwei lieber weiter schmollen, sollen sie doch. Lasst uns auf Georg’s Ferien trinken.

      Möge er gesund und munter wiederkommen und uns während seiner Abwesenheit den Schlüssel für den Weinkeller überlassen. Wir werden bestimmt sehr gut auf die Flaschen aufpassen.“ Tobias Dreher lachte dem Wirt schelmisch zu. Die nächste Runde ging aufs Haus.

      Die vier Musketiere hatten noch ein gemeinsames Hobby. Kürbisse. Da war eine Geschichte für sich und nicht wenige sagten:

      „Die spinnen, die vier Alten.“