Urs Herzog

Das Ende ist immer nahe 1


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      Immer wieder rammte Moser den Spaten in den Boden, hob die schwarze Erde an, drehte den Spaten und liess die Erde zurückfallen. Immer wieder, ohne Unterlass.

      Er vernahm ein leises Sirren und gleichzeitig traf ein heftiger Schlag seinen Rücken, liess ihn nach vorne stolpern. Was war das. Er fing sich auf und wollte sich umdrehen. Der Schmerz durchfuhr ihn wie glühendes Eisen, breitete sich in seinem Rücken und in seiner Brust aus, frass sich in seinen Kopf und liess seinen Atem stocken. Die Welt um ihn herum begann sich zu drehen und ein Schleier wie aus zartem, weissem Tüll legte sich vor seine Augen. Er verstand nicht was mit ihm geschah. Der Versuch sich irgendwo festzuhalten schlug fehl, da war nichts an das er sich hätte klammern können. Der Spaten glitt aus seinen Händen und die Beine gaben nach, als könnten sie sein Gewicht nicht mehr tragen. Und dann fiel er, fiel in ein grosses, schwarzes Loch. Hart prallte er auf der schwarzen Erde auf, doch das spürte er nicht mehr.

      ***

      „Guten Morgen Anna, du bist aber früh auf den Beinen.“ Sie kannte die Stimme. Sie drehte sich nicht um, sondern ging ruhig weiter. Augenblicke später hatte er sie eingeholt. „Jetzt kennen wir uns schon über fünfzig Jahre und noch immer laufe ich dir hinterher.“ Sie drehte ihm ihr Gesicht zu und lächelte ihn an.

      „Guten Morgen Albert, was machst du so früh hier? Hat dich Susanne rausgeschmissen?“

      „Halb so schlimm, Susanne ist schon früh los um ihre Schwester zu besuchen. So habe ich Zeit mich um den Garten zu kümmern und die grössten Kürbisse zu ziehen.“ Er schaute auf den Korb und hob neugierig den Deckel an. „Was hast du da Feines drin?“

      „Ja was wohl“, sie stiess seine Hand weg, „Johanns Frühstück natürlich, was denn sonst.“ Sie drehte den Korb leicht zur Seite, so dass er den Deckel nicht wieder anheben konnte.

      „So möchte ich auch einmal verwöhnt werden“, seufzte Albert und liess theatralisch die Schultern sinken. Anna schaute ihn lächelnd an.

      „Du änderst dich nie, komm in einer Viertelstunde vorbei, es ist genug da. Ich kann dich doch nicht verhungern lassen, Susanne würde mir das nie verzeihen.“

      „Du bist ein wahrer Engel.“ Schmachtend schaute er sie an.

      „Dann bis nachher, du armer Kerl“, lachte sie. Sie hatten die Gärten erreicht und Anna wandte sich nach links, Albert nach rechts. Ihre Gärten lagen nur wenige Schritte auseinander.

      Anna schaute über den Zaun, konnte aber ihren Johann nicht entdecken. Sie wunderte sich. Wahrscheinlich ist er hinter dem Häuschen und gräbt dort den Garten um, dachte sie, öffnete das hölzerne Türchen und zog es hinter sich wieder zu. Sie ging auf das Häuschen zu.

      „Das müssen wir dieses Jahr neu streichen und die Pergola kann auch etwas Farbe vertragen“, sprach sie vor sich hin. Dann ging sie am kleinen Häuschen vorbei und – blieb wie angewurzelt stehen.

      Der Korb fiel zu Boden. Sie stand da und konnte sich nicht bewegen, -und nicht begreifen was sie sah.

      Johann lag mit dem Gesicht nach unten auf der frischen, schwarzen Erde. Regungslos. In seinem Rücken steckte ein langer, schwarzer Pfeil.

      Albert Dürrer öffnete sein Gartenhäuschen. In Gedanken war er schon eine Viertelstunde weiter, bei Annas Kaffee, dem frischen Brot, der feinen Wurst und dem würzigen Käse. Ein zweites Frühstück mit seinen Freunden, darauf freute er sich.

      Er hörte die Schreie und es dauerte einen Augenblick bis er die Stimme erkannte, - Anna. „Mein Gott, das ist Anna“, rief er laut. Es musste etwas Schreckliches geschehen sein und er rannte los so schnell er konnte. Er spürte nicht wie ihm die Äste ins Gesicht schlugen, als er quer durch den Garten lief.

      Er fand die beiden hinter dem Gartenhäuschen. Johann lag auf der Erde und Anna hatte sich über ihn geworfen.

      Sie schrie und schüttelte immer wieder ihren Mann. „Johann, Johann“, immer wieder, „Johann.“ Tränen liefen über ihr Gesicht. Albert kniete sich neben die Beiden, nahm Johanns Arm und suchte den Puls zu fühlen. Nichts. Johann war tot.

      Er fasste Anna behutsam an den Schultern und zog sie langsam von ihren Mann weg. „Er sagt nichts, warum sagt er denn nichts“, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.

      „Komm Anna.“ Albert zog sie langsam hoch und sie vergrub ihr nasses Gesicht in seiner Schulter. Dann führte er sie zum Gartenhäuschen und setzte sie auf die kleine Bank. Er zog seine Jacke aus und legte sie um ihre Schultern. Weitere Nachbarn kamen angelaufen und standen nun ratlos und unschlüssig herum.

      „Kann jemand die Polizei rufen? Und einen Arzt?“ Dann wandte er sich wieder Anna zu, setzte sich neben sie und legte seinen Arm um ihre Schulter. Es schien als wäre mit einem mal aller Lebenswille aus ihr gewichen, klein und hilflos, zu einem Häufchen Elend zusammengesunken sass sie da.

      "Warum sagt er nichts?" Ihre tränennassen Augen starrten ins Leere. Albert wusste keine Antwort, seine Kehle war wie zugeschnürt und auch seine Augen füllten sich mit Tränen.

      ***

      Thomas Meier war gespannt, was es mit dem Sexskandal auf sich hatte und las weiter. Die Offiziersanwärter hatten sich einen fröhlichen Abend gemacht und dazu einige Tänzerinnen eingeladen. Um Mitternacht hätten diese dann nackt auf den Tischen getanzt. Er schmunzelte, es erinnerte ihn an seine Dienstzeit. Die Sache flog auf, als die Freundin eines Aspiranten im Lokal auftauchte.

      Plötzlich hörte er eine Polizeisirene und als er aufschaute raste ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Blaulicht an ihm vorbei. Er schaute ihm nach bis er um die Ecke verschwunden war.

      Wahrscheinlich ein Verkehrsunfall, so früh am Morgen. Dann schaute er wieder in die Zeitung.

      Die Freundin des Aspiranten war auf eine Tänzerin losgegangen die sich direkt vor ihrem Freund auf und ab bewegte und mit ihren Brüsten über sein Gesicht strich.

      Weiter kam er nicht.

      Ein schwarzer Pfeil bohrte sich durch seinen Rücken bis in sein Herz. Einen Augenblick stand er regungslos ohne zu begreifen was mit ihm geschah. Dann durchfuhr ihn ein glühender Schmerz, seine Beine gaben nach und er stützte zu Boden. Hart schlug er auf. Er versuchte sich gegen sein Schicksal zu wehren, nahm seine ganze Kraft zusammen und stemmte sich hoch, versuchte aufzustehen. Er kam bis auf die Knie, dann fiel er ein zweites, letztes Mal. Das Leben wich aus ihm und seine toten Augen starrten in die helle Sonne.

      ***

      Das Polizeifahrzeug hielt mit laufendem Blaulicht vor dem Gartenareal. Zwei Uniformierte stiegen aus und wurden von einem Schrebergärtner zu Moser geführt. Ein kurzer Blick auf das Opfer, die kurze Suche nach einem Pulsschlag, dann stand der Beamte wieder auf und griff nach dem Funkgerät.

      „Wagen eins für Zentrale.“

      „Hier Zentrale“, quäkte es aus dem Gerät.

      „Wir sind draussen bei den Familiengärten, hier liegt ein Toter mit einem Pfeil im Rücken. Schickt die Kollegen von der Kripo und die Spurensicherung. Der Arzt soll schon unterwegs sein, fragt aber besser nochmals nach. Wagen eins Ende.“

      „Zentrale verstanden, schicken Kripo und Spurensicherung und fragen nach beim Arzt. Hast du gesagt ein Pfeil?“

      „Habe ich gesagt.“

      „Verrückt, Zentrale Ende.“

      Immer wenn ein Unglück geschieht sind sie urplötzlich da. Wie aus dem Nichts tauchen sie auf als würden sie gerufen, als könnten sie das Unheil riechen, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt -, die Gaffer. Wie Aasgeier suchten sie sich die besten Plätze aus um sich auf die Sensation zu stürzen. Sie drängten sich dicht an dicht vor dem Zaun und die Beamten hatten Mühe sie am Betreten des Gartens zu hindern.

      „Gehen sie zur Seite, lassen sie mich bitte durch. Verdammt noch mal, verschwinden sie endlich!“

      Nur mühsam konnte sich der Arzt seinen Weg durch die Gaffer bahnen. Als er sich endlich durch das Gartentürchen gequetscht hatte, atmete