nur wissen, ob sie zu Ionu oder zu diesem Roy stehen.“
Glenn erwiderte: „Keiner mag Ionu sehr. Aber viele mögen auch Roy nicht. Ich weiß nicht, ob sie überhaupt schon wissen, zu wem sie gehören.“
Harry Scott lächelte.
„Hauptsache, du weißt es jetzt.“ Er sah Glenn an und nickte ihm aufmunternd zu.
Glenn aber wusste es eigentlich nicht. Er hatte nun drei Jahre zu dieser Mannschaft gehört und dennoch nie geahnt, dass es Männer in ihr gab, die Ionu beseitigen wollten, die nur auf eine einmalige Gelegenheit warteten. Er hatte auch immer geglaubt, Roy sei hundertprozentig Ionus linientreuer Mann. Was Glenn am meisten beschäftigte, war seine eigene Tat. Er hatte einen Mann in Notwehr erschossen, doch das Wort Notwehr nahm sich dabei sehr gering aus. Schon oft waren ihm Schießereien zu Ohren gekommen, wo andere getötet hatten, ob nun aus Notwehr oder nicht. Das alles konnte ihn bislang nie berühren. Jetzt aber war er selbst zu einem jener geworden, die einen Menschen erschossen hatten, einfach getötet.
Glenn war bei seiner Mutter aufgewachsen. Bis zu ihrem Tode hatte sie ihm immer wieder Hochachtung vor einem Menschenleben gepredigt. Und Hilfsbereitschaft. Nie hatte es eine Gelegenheit gegeben bisher, wo er wirklich Mann gegen Mann auf Leben und Tod kämpfen musste. Nun war alles abgelaufen, ohne dass er sich vorher nur den geringsten Gedanken machen konnte. Es geschah in jeder Phase wie automatisch. Der Schuss auf ihn, der ihn verfehlte, dann sein eigener Schuss aus der Parker des Kochs. Nichts war überlegt, nichts berechnet. Eine reine Reflexbewegung,
Die friedliche Zeit seiner Kindheit und Jugend, in der Obhut der Mutter, die stand im harten und unverwischbaren Kontrast zu der Gegenwart. Die Jahre bei Ionu hatten seine Muskeln wie Stahl werden lassen, seine körperliche Kraft vermehrt. Aber seine Gedanken waren immer friedlich geblieben, eigentlich bis gestern, als Roy ihn herausforderte. Das war wirklich die Wende, überlegte er. Von da an hatte es angefangen, hart und rau zu werden. Das Blut aus Roys Platzwunde im Gesicht war der Anfang. Und nun würde es womöglich immer so weitergehen. Immer weiter, wenn er nicht alles aufgab. Aber er wollte nicht aufgeben. Mit Harry Scotts Auftauchen und mit Roys Niederlage war sein eigenes Selbstbewusstsein zurückgekehrt. Noch sah er in seinem Vater einen Menschen, der all das in die Tat umsetzte, was er selbst auch gerne getan hätte. Nur fand er immer nicht den Weg dazu. Er beneidete seinen Vater darum, im rechten Augenblick das Richtige tun zu können.
Die Reiter kamen näher. Es schien wirklich eine Mannschaft zu sein. Vielleicht doch die Straight I. Aber er irrte sich. Die Männer, die durch das Ranchtor ritten, waren keine Straight I-Reiter. Ihre Pferde trugen einen unbekannten Brand, und wie es schien, musste es eine Treibherdenmannschaft sein.
„Sie sind nicht von hier“, sagte Glenn zu seinem Vater.
Der nickte kaum merklich und wartete, was weiter geschehen würde.
Die Mannschaft hielt vor dem Brunnen an. Sie sahen Overback und den anderen Toten. Keiner der Fremden sagte ein Wort. Dann trieb der Vorderste, ein bulliger Mann mit schwarzem Schnauzbart, sein Pferd bis zur Veranda vor.
„Hier sieht es nach einem Überfall aus“, sagte er raukehlig.
Glenn beobachtete, dass einige der staubbedeckten Reiter zu ihren Revolvern griffen.
Harry Scott erwiderte: „Ja, fast wäre es ihnen gelungen, aber wir sind rechtzeitig gekommen. Männer der eigenen Mannschaft wollten den Rancher ermorden. — Was führt Sie her, Mister?“
„Mein Name ist McClellan. Ich habe eine große Herde von Texas bis Virginia City getrieben. Wir sind auf dem Rückweg ...“
„Sie sind der Rancher McClellan?“, fragte Harry Scott. „Hallo, Ihr Name ist auch hier im Norden gut bekannt.“
McClellan grinste. „Danke, und wer sind Sie?“
Harry Scott sagte es ihm.
McClellan strich sich über die langen Schnurrbartenden.
„Auch nicht unbekannt. Nun gut, wir wollten hier nur drei frische Pferde kaufen. Da sind uns in Virginia City drei Krücken untergekommen, die nichts taugen. Es gab keine Auswahl.“
„Ich werde mit Ionu sprechen, falls er schon wieder bei Bewusstsein ist. Er ist angeschossen worden. Vielleicht geht es so weit, dass er etwas dazu sagen kann. Mir gehört hier nichts.“
„Hören Sie, Scott, es eilt nicht. Vielleicht kann meine Mannschaft hier einen Tag bleiben. Wir sind ziemlich runtergekommen, und ein paar Steaks würde ich Ihnen gut bezahlen.“
„Danke, aber von Bezahlen wird hier keiner etwas hören wollen. Ich denke, dass kann ich zusagen, ohne mit Mr. Ionu gesprochen zu haben. Lassen Sie absatteln!“
McClellan lächelte zufrieden und wandte sich um.
„Absatteln, Jungs!“ Dann sah er wieder auf Harry Scott. „Zwei Tote?“
„Drei. Einer liegt noch im Haus. Der Koch ist verletzt, aber sicher haben Sie Ihren Herdenkoch dabei.“
McClellan drehte sich im Sattel um und rief: „Thompson! Wenn du fertig bist, geh in die Küche!“
Ein Hüne von Mann mit hellblondem Haar rief zurück: „Verdammt, hat diese Kocherei auf dem lausigen Trail nie ein Ende? Hat diese verfluchte Yankee-Ranch nicht mal ’nen Koch?“
„Er kocht besser als alle anderen Trailköche, aber ich glaube, ich muss ihn seit Virginia City vor jedem Mittagessen erst zusammenschlagen, ehe er begreift, dass wir auch auf dem Heimweg von ihm gekocht haben wollen.“ McClellan lächelte wie zur Entschuldigung und saß ab. Ohne sich um sein Pferd zu kümmern, ging er mit hängenden Armen auf Thompson zu.
„Wie willst du es haben, Thompson? Oder wirst du besser erst kochen?“
Thompson griente, wischte sich den Handrücken an den Chaparals ab und schrie dann: „Ich werde dein Steak so salzig machen wie eine Saline. Blei werde ich hineinstopfen, damit du verdammter Fleischberg endlich erstickst!“ Dann ging er an dem toten Overback vorbei, blickte kurz darauf und sagte: „So haben vier von uns gelegen, als wir durch das Indianerterritorium zogen. Irgendwann wird auch dieser großmäulige Rancher da vorn so liegen. Mit einem Dutzend Pfeilen in seinem Fleischbauch.“
Er ging an McClellan vorbei, der ihn angrinste und sagte dann zu Harry Scott: „Wo ist diese verdammte Küche, damit ich endlich ein Klopfholz finde, um McClellan seinen verfluchten Schädel einzuschlagen.“
Glenn zeigte ihm den Weg und McClellan meinte: „Jungs, irgendwas ist mit ihm nicht in Ordnung. Er ist heute so außerordentlich friedlich. Gestern hat er wenigstens noch mit einem Sattel nach mir geworfen. Ich glaube, er ist krank ... oder er wird alt. Los, Jungs, dann wollen wir mal sehen, was es hier gegeben hat!“
6
Ionu lag in seinem Bett, und McClellan stand vor ihm. Sie kannten sich beide dem Namen nach, und wer kannte McClellan im Westen nicht. Einer der größten texanischen Rancher; einer von denen, die eine Herde durch drei Höllen ans Ziel zu bringen imstande waren.
McClellan hatte von Ionu gehört, aber anders. Von der Sache mit dem Mädchen und einem Sohn, für den Texaner, der einen besonderen Ehrbegriff hatte, wenn es um Frauen ging, keine Empfehlung für Ionu.
„Ich will Ihnen etwas sagen, Mr. Ionu“, erklärte er laut, als müsste er diese Worte in die Ohren von tausend Zuschauern eindringen lassen. „Die Geschichte mit diesem Mädchen erzählt man sich in allen Treibherdenmannschaften. Ich gebe ja zu, dass es für Sie eine dumme Sache ist, aber wenn ich so überlege, dann verstehe ich die Yankees in Kansas recht gut, die Sie einlochen möchten.“
„Sie haben sich von diesem Scott eine Lüge erzählen lassen“, sagte Ionu schwach, und es war ihm anzusehen, dass er Scott gar nicht mehr so sah wie zuvor. Dennoch wehrte er sich noch, als unmoralischer Mensch bezeichnet zu werden.
McClellan stemmte seine Muskelarme in die Hüften und sah den blassen Rancher scharf an. „Mann, Ionu, solche Burschen wie Scott mögen