Einschlag. Irgendwo neben ihm pochte das Blei ins Holz.
Glenn riss die Parker hoch und drückte ab. Er hörte einen schrecklichen Schrei vor sich, sah die Gestalt zusammenbrechen und vernahm, wie eine Männerstimme rief: „Old-Bob, verdammt, wo steckst du?“
Einen Augenblick lang stand Glenn wie gelähmt. Er sah den Mann unweit vor sich am Boden. Der Verletzte schrie auf, dann wimmerte er unter furchtbaren Schmerzen. Noch nie hatte Glenn auf einen Menschen geschossen. Aber er war von diesem Manne beschossen worden und hatte ganz automatisch reagiert. Doch jetzt, als er sah, wie ein von einer Parker getroffener Mensch aussieht, überkam ihn ein Schauder des Entsetzens.
Er wusste nicht, was er tun sollte. Im ersten Impuls wollte er dem Verletzten helfen. Doch gleichzeitig warnte ihn sein Instinkt vor der Gefahr, die überall im Haus auf ihn lauerte.
Doch da sah er seinen Vater aus dem sogenannten Büro Ionus kommen. Harry Scott ging leicht gebeugt und presste sein Halstuch an den linken Oberarm.
Während Glenn noch wie erstarrt dastand, blieb Harry Scott vor dem jetzt reglosen Manne am Boden stehen, sah ihn an und wandte sich dann Glenn zu.
„Danke, Junge, er war drauf und dran, mir mein Lebenslicht auszuhusten. Ich glaube, er braucht keine Hilfe mehr. Wo steckt der Koch?“
Glenn deutete über die Schulter zurück, blieb aber stehen. Er sah, wie Blut zwischen dem Halstuch am Arme seines Vaters herauslief. Und er schaute dann wieder wie gebannt auf das schrecklich verzerrte Gesicht des Mannes, den er erschossen hatte. Er wusste, dass er dieses Gesicht und den Schrei vorhin nie mehr vergessen konnte. Die Angst, etwas Furchtbares getan, und gleichzeitig der Trotz, sich wie selbstverständlich gewehrt zu haben, beschäftigte ihn.
Sein Vater trat neben ihn.
„Es ist vorbei, Junge, wir müssen nur noch den Koch suchen. Da sind wir vielleicht in ein Wespennest geraten!“ Er ging weiter, und Glenn blickte noch einmal auf den Toten, dann wandte er sich um und folgte seinem Vater.
In der Küche fanden sie den stöhnenden Koch. Das Brett musste ihn ziemlich hart erwischt haben, denn er konnte noch immer nicht aufstehen. Harry Scott suchte ihn mit einer Hand nach Waffen ab, dann sagte er zu Glenn: „Hilf ihm irgendwo in ein Bett! Dieser und die anderen Hundesöhne hatten es sich ja fein ausgerechnet.“
Glenn verstand trotzdem noch nicht, was sich der Koch ausgerechnet haben sollte. Es war ihm jetzt auch völlig egal. Er schleppte den ächzenden Koch in eines der Zimmer, legte ihn auf eine Pritsche und ging dann wieder seinem Vater nach, der auf den Hof trat.
Draußen waren nur noch Stratz, Deville und Corners. Der alte Overback lag neben den Pferden. Reglos. Sein Gesicht war vor Blut kaum zu erkennen.
„Was ist mit Mark?“, fragte Harry Scott, aber die Antwort stand eigentlich schon in den Gesichtern der anderen.
„Ende. Er war sofort tot, Kopfschuss.“ Deville, der früher immer mit Overback gestritten hatte, zeigte den größten Kummer um den toten Gefährten.
Harry Scott ging langsam zu Overback hinüber, kauerte sich neben ihn und sah ihn lange an.
Glenn fragte sich, wo denn die Gegner alle sein mochten. Doch als er sich umdrehte, sah er sie. Es waren drei. Einer lag gefesselt dicht an der Hauswand in der gleißenden Sonne. Der andere, Old-Bob, war am rechten Bein verletzt und lehnte mit dem Oberkörper gegen die Wand. Der dritte lag reglos. Tot.
Es war vorbei. Aber was geschah mit Mrs. Ionu, mit Ionu selbst, und wo steckten die Mädchen?
Harry Scott erhob sich und kam zurück. Als habe er Glenns Gedanken erraten, sagte er: „Komm, du kannst mich verbinden! Ich muss mich um Mrs. Ionu kümmern. Sie hat ein schwaches Herz. Komm, Junge!“
„Und die Mädchen? Wo sind die Mädchen?“
Harry Scott lächelte müde, als er die Aufregung seines Sohnes bemerkte.
„Die sind nicht da. Sie sind schon vor unserer Ankunft mit einem Buggy nach Wendover gefahren. Aber das kläre ich noch. Komm jetzt!“
Sie gingen wieder in das Zimmer, wo Ionu sein Büro unterhielt. Wieder sah Glenn im Vorbeigehen den Mann, den er erschossen hatte. Er kannte ihn nicht, obgleich der Mann auf seinen Chaparals den Straight I-Brand trug. Auch von denen draußen hatte Glenn nur Old-Bob erkannt. Die beiden anderen waren ihm fremd.
Im Büro lag Ionu mehr als das er saß im Sessel. Seine Frau stand wachsbleich neben ihm, Tränen rannen ihr übers Gesicht, und gleichzeitig versuchte sie mit fahrigen, zittrigen Bewegungen die Brust des Verletzten zu verbinden.
Glenn entdeckte ein Tuch und nahm es, um seinem Vater den Arm zu verbinden. Er sah die schwärzlich rote Wunde, aus der es nur so herausrann.
„Straffer!“, sagte Harry Scott, als Glenn den Verband um den Arm wand. Glenn blickte kurz ins Gesicht seines Vaters und erschrak über die Härte, die sich ihm da offenbarte. Harry Scott verbiss sich die Schmerzen, und sein hageres Antlitz wurde dabei zur Grimasse. Als Glenn das Tuch verknotete, löste sich die Spannung in Harry Scotts Gesicht, und er sagte: „Nun zu Mr. Ionu. Bring jetzt die Tücher aus der Küche, Glenn!“
Glenn holte sie und kam damit zurück. Mrs. Ionu hatte sich wieder gesetzt. Sie wirkte wie eine Leiche in ihrer schauerlichen Blässe. Aber sie sprach kein Wort. Mit vor Schreck weit geöffneten Augen starrte sie zu ihrem Mann hinüber, um den sich Harry Scott bemühte.
Ionu war bei Sinnen. Er stöhnte nicht, er wimmerte nicht. Aber er kniff in seinem Schmerz die Lippen zusammen, dass sie wie ein weißer Strich wirkten.
„Das Ding sitzt nicht so tief, wie ich dachte“, sagte Harry Scott. „Sie wissen sicher jetzt, Mr. Ionu, dass Sie da eine Bande Schweinehunde an Ihrem Busen genährt haben. Die hatten es nicht gerade freundlich mit Ihnen vor. Dass ich mit meinen Jungs unterwegs war, hat sie ermutigt loszulegen. Mir hätten sie’s dann in die Schuhe geschoben. Haben Sie Whisky im Haus?“
„Ja“, sagte Mrs. Ionu leise. „Dort im Schrank!“ Sie wies auf das selbstgebaute Schrankmonstrum hinter Ionu.
Glenn ging hin, öffnete die Tür und sah mehrere Flaschen. Er nahm eine volle heraus, entkorkte sie und hielt sie seinem Vater hin. Der goss etwas davon über Ionus Wunde. Ionu schrie vor Schmerz wie ein Tier auf. Dann hielt Harry Scott ihm schon die Flasche an den Mund.
„Trinken!“ Und Ionu trank. Er schluckte, als sei es pures Wasser. „Mach die Kerosinlampe an, Glenn!“, sagte Harry Scott. „Und besorg mir einen dünnen Draht! Einen, der nicht verrostet ist!“
Glenn ging hinaus in die Küche und fand dort ein paar Armlängen Draht, an denen der Koch seine Tücher über dem Ofen trocknete. Als er ihn Harry Scott brachte, kniff der ein Stück davon ab, hielt es in die Flamme der Lampe und bog dann an der Spitze einen engen Haken. Danach ließ er Ionu wieder trinken. Schon war fast die halbe Flasche leer. Er bot auch Mrs. Ionu davon an, doch die zuckte angewidert zusammen.
„Führ sie hinaus!“, sagte Harry Scott zu Glenn.
„Nein! Nein! Ich bleibe bei ihm!“, rief sie spontan.
Harry Scott holte ein Stück rundes Holz und steckte es quer in Ionus Mund.
„Zubeißen! Es wird wehtun, aber es ist Ihre einzige Chance.“
Dann führte er die Sonde in den Einschusskanal. Ionu, der gewiss kein Schwächling war, keuchte und schnaufte vor Schmerzen. Dann aber ließ er das Holz aus den Zähnen fallen.
„Zupacken, Glenn!“
Glenn drücke Ionu an den Schultern fest in den Stuhl. Ionu schrie plötzlich gellend auf, und dann brach sein Schrei ab. Harry Scott hatte die Sonde zurückgezogen und mit ihr das Projektil. Er hielt es auf der Hand und zeigte es Ionu. Doch der sah gar nicht hin, sondern röchelte wie ein Sterbender.
„Heiz das Ding auf, bis es glüht!“, sagte Harry Scott und gab Glenn den blutigen Draht. Glenn hielt ihn über die Flamme und sah zu Ionu hinüber. Aus dessen Brustwunde quoll heftig dunkles Blut.