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Der zweite Weg war der brutale, politisch-militärische. Die Germanen auf der linken Rheinseite sollten ausgerottet werden. Diesen Weg beschritt er tatsächlich, als sich die linksrheinischen Stämme, weder die Menapier, noch die Eburonen, noch die Treverer, willig zeigten, ihm Friedensangebote zu unterbreiten.
Dieser mangelnde Wille zur Unterwerfung und die engen Beziehungen, die linksrheinische Völker mit denen des rechten Rheinufers pflegten und die bis zur Waffenbrüderschaft gingen, steigerten Caesars Wut auf diese Stämme so sehr, dass sie in Hass, den „Germanenhass“, umschlug. Warum sich ein solch erfahrener Politiker und Feldherr wie Caesar auf diese niedrige Ebene menschlichen Verhaltens begab, kann vielleicht nicht allein aus den eben geschilderten Gründen erklärt werden. Ich vermute, dass im Hintergrund eine andere Erfahrung mitspielte: Sein historisches Gedächtnis und seine römische Vorstellung von Ruhm und Ehre.
Es gibt einen Gesichtspunkt, der mir unter diesem Aspekt erwähnenswert erscheint. Die Kriege gegen die linksrheinischen Germanen wollte Caesar zur Steigerung seines Feldherrenruhms nutzen, weil er hier eine Verbindung zu den von den Römern gefürchteten Kimbern und Teutonen fand.
„; sie (die Belger) hätten …, als einzige die Teutonen und die Kimbern am Einbruch in ihr Land gehindert; deshalb hielten sie sich in Erinnerung an diese Erfolge für große Helden und wollten hoch hinaus… “(liber II, 4)
Diese Erinnerung führte ihn zuerst zu den Atuatukern, dann zu den Eburonen und Sugambrern. In meinem Buch „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“ habe ich versucht darzulegen, dass diese wandernden Stämme nicht aus Jütland, sondern vom Niederrhein kamen. Diese Auffassung teile ich offensichtlich mit Caesar. Schließlich lagen die Feldzüge erst 43 Jahre vor seinem Erscheinen in dieser Region zurück. Von den gefangenen Teutonen musste zu erfahren gewesen sein, woher sie kamen. Und Caesar wusste das. Noch lange nach der Niederlage der Teutonen und Ambronen bei Aix-en-Provence 101 v.Chr. verfolgten die Römer den Verbleib und das Verhalten der Gefangenen auf Sizilien und erkannten in den aufständischen Sklaven dort ihre germanischen Gegner wieder, die durch besondere Tapferkeit auffielen. Caesar erinnerte daran in seinem Buch (liber I, 40, 5).
Alle diese Stämme des niederrheinischen Gebiets, ausgenommen die Treverer, obwohl sie stets treue Verbündete waren, möchte ich als Germanen bezeichnen, die sich einige Generationen zuvor auch Teutonen nannten. Selbst Caesar konnte nicht verschweigen, dass in diesem Gebiet der linksrheinischen Germanen die Teutonen ihre Lager hatten und die Atuatuker zu ihren Nachkommen zu zählen sind. Die englische Bezeichnung für die Niederländer: „Dutchman“, zeigt, dass der Ursprung der Bezeichnung „teutonisch = deutsch“ in diesem Raum zu finden ist. Noch heute singen die Niederländer in ihrer Nationalhymne von „deutschem Blut“ (van Duitsen bloed). Dass später die gesamte Bevölkerung der ehemaligen Germania Magna deutsch wurde statt swebisch, ist eines von vielen Wundern der Geschichte.
Caesar kannte die etwa 45 Jahre zurückliegenden Wanderungen dieser Völker sehr gut. Seine Tante Julia war mit dem Sieger über die Teutonen und Ambronen, Gaius Marius, verheiratet. Den Belgern neidete er diese Erinnerung an ihre erfolgreichen Kämpfe. Tief in seinem Inneren brodelte dagegen das eigene Rachegelüst für die vielen Niederlagen, die teutonische Krieger den Römern beigebracht hatten. Zugleich wünschte er sich Taten, die denen Marius nicht nur gleich kämen, sondern sie möglichst übertreffen sollten. Einst waren die Teutonen aus dem Norden nach Süden gezogen, weit in römisches Land und konnten erst nach langem und opferreichem Kampf besiegt, vertrieben oder versklavt werden. Jetzt stand er hier in diesem Norden an der Quelle ihrer Herkunft und würde Rache nehmen.
Zuvor muss ich die Atuatuker erwähnen. Dieser Stamm wird als erster die volle Härte zu spüren bekommen, mit der Caesar gedachte, gegen Germanen vorzugehen. Atuatuker waren die direkten Nachkommen der Teutonen und Ambronen. Darauf komme ich weiter oben noch einmal ausführlicher zu sprechen.
Caesar kannte nicht nur die Geschichte der Teutonen und Kimbern, sondern er wusste auch über ihre Herkunft genau Bescheid. Die Gemeinschaft, die sich Germanen nannte, das war die Gemeinschaft, die 50 Jahre zuvor, 109 v.Chr., unter der Bezeichnung Teutonen ausgezogen war, gegen Rom zu kämpfen (siehe mein Buch: „Die Kimbern und Teutonen kamen nicht aus Jütland“). Diese Linie von den Teutonen-Ambronen setzte sich fort über die Germanen bis zu den Franken, stets ihren Gebieten am Niederrhein und ihrer Freiheit verpflichtet. Das, was Caesar den Germanen antat, wurde erst durch die Franken, es waren dieselben Stämme, gerächt.
Dieser kleine Schwenk in einen historischen Zusammenhang ist Caesar zu danken, der in seinen Zügen gegen die Germanen durchaus eine historisch begründete Mission sah. Eine Art verspäteter Rachefeldzug gegen die Teutonen.
Ohne jetzt schon vorgreifen zu wollen, steigerte sich sein Hass gegen die linksrheinischen Germanen immer mehr, je weniger es ihm gelang, sie und ihren Anführer zu bezwingen.
„…Zugleich sollten durch die riesige Übermacht, die sich ringsum ergoss, Stamm und Gemeinwesen der Eburonen für die unerhörte Untat mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden. “(liber VI, 34, 9)
Ich möchte es vorerst dabei belassen, diese germanenfeindlichen Aussagen herauszustellen und zu interpretieren, weil in den einzelnen Abschnitten über die Feldzüge nochmals darauf eingegangen wird.
Einige Bemerkungen seien mir noch gestattet zu der Volksbezeichnung der Sweben. Er nennt die Sweben den weitaus größten und streitbarsten Stamm aller Germanen. Das ist von ihm ungenau formuliert (liber IV, 1). Zwischen Sweben und Germanen müsste genauer unterschieden werden. So spricht er von den germanischen Usipetern und Tenkterern, aber nicht von den germanischen Sweben. Beide Stämme seien jahrelang von den Sweben angegriffen und am Feldbau gehindert worden. Die Usipeter und Tenkterer waren Germanen, richtig, sie gehörten zum Verband der links- und rechtsrheinischen Eburonen und Sugambrer. Da sie von Sweben nur im Norden bedrängt werden konnten, Sweben aber auch im Oberrheintal lebten, wird deutlich, dass es sich um eine wesentlich größere Volksgruppe handelte, als die germanische am Niederrhein. Sie reichte von der Nord- und Ostsee bis an den Bodensee. Caesar hätte die Gebiete östlich des Rheins demnach nicht Germanien, sondern Swebien nennen müssen. Das tat er nicht, weil er die Germanen aus rein politischen Gründen auf dem rechten Rheinufer brauchte. Für seinen Irrtum wurde er durch die moderne Wissenschaft noch belohnt.
Richtig ist, dass er eine Verwandtschaft zwischen den Sweben und den Germanen erkannt hat, vor allem die sprachliche. Falsch war, sie ethnisch in einen Topf zu werfen. Die Sweben waren von den linksrheinischen Germanen mindestens so verschieden wie von den ebenfalls verwandten Belgern. Außerdem vermittelt uns Caesar eine permanente Feindschaft zwischen den rechtsrheinischen germanischen Stämmen und den Sweben. Deuten sich hier bereits die späteren Differenzen zwischen den Franken, den Nachfolgern der Germanen, und den Alemannen, den Nachfolgern der süddeutschen Sweben an?
Germanen lebten zwischen Kelten und Sweben. Sie wohnten beiderseits des Niederrheins und teilweise auch des Mittelrheins. An der Mainmündung reichte das swebische Gebiet der Markomannen bis an den Rhein.
Wie sehr sich Caesar geirrt hatte, belegt allein die Tatsache, dass es den Römern nach der Eroberung der linksrheinischen Gebiete nicht gelang, auch noch rechts des Rheins Fuß zu fassen. Die unterworfene linksrheinische Bevölkerung erhob sich immer wieder, unterstützt von ihren rechtsrheinischen Stammesbrüdern. In den keltischen und aquitanischen Gebieten gelang es den Römern, ihre Lebensweise und vor allem ihre Sprache, wenn auch dialektgefärbt, durchzusetzen, in den belgisch und germanisch besiedelten gelang das nicht. Noch heute ist die Sprachgrenze zwischen den germanischen Sprachen und den romanischen ein Zeichen für die gescheiterte römische Politik.
Es ist anzunehmen, dass Caesar in seinem Entschluss, an den germanischen Rhein vorzustoßen, durch genaue Kenntnis der politischen Verhältnisse gestärkt wurde. Ihm wurde offensichtlich bekannt, dass es zwischen den am unteren Rhein lebenden Germanen und den am oberen lebenden Sweben keine politischen und militärischen Gemeinsamkeiten gab. Diese früh erkannten Unterschiede verfestigten sich Jahrhunderte später in dem Konflikt zwischen den Franken (Niederrheingermanen) und den Alemannen (Oberrheingermanen). Für Caesar hieß das, bei einem Feldzug gegen die Bewohner des Niederrheins konnte er darauf vertrauen, dass die swebischen Stämme sich nicht einmischen