Andrea Tuma

War das schon alles?


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Frage »Was wollen mir meine körperlichen Beschwerden sagen?« zu tun hat. Alex, ein guter Freund, litt seit mehreren Monaten unter pulsierenden Schmerzen in der Lunge, die mal mehr, mal weniger stark waren. Anfangs dachte er, es habe mit seiner Pollenallergie zu tun, und beachtete die Symptome nicht weiter. Als diese aber selbst im Winter nicht verschwanden, ging er zum Arzt. Es wurden diverse Untersuchungen gemacht, doch medizinisch gesehen war er völlig gesund. Er versuchte es mit energetischen Methoden und Homöopathie, doch auch das brachte keine Besserung. Eines Tages fragte ich ihn eher im Scherz: »Was nimmt dir denn die Luft zum Atmen?« Diese Frage ließ ihn nicht mehr los. Er kaufte sich ein Buch zum Thema Psychosomatik und las darin, dass Lunge und Atmen mit dem Thema Freiheit zusammenhängen. Daraus ergab sich für ihn die Frage: »Wo fühle ich mich nicht frei?« Die Antwort traf ihn nach eigener Aussage wie ein Blitz: in seiner Beziehung. Oberflächlich war alles in bester Ordnung, doch erkannte er, dass er einige seiner Bedürfnisse und Wünsche unterdrückte, um die Harmonie nicht zu stören. Letztlich führten die Versuche, in seiner Partnerschaft etwas zu verändern, zur Trennung. Die Lungenschmerzen sind seitdem verschwunden.

      Ohne Fragen fehlt uns die Orientierung. Der Weg und die Zukunft liegen im Nebel. Fehlt die Ausrichtung, reagieren wir, anstatt zu agieren. Wir tun, was andere wollen oder von uns erwarten, und vergessen, auf unsere eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu achten. Es erfordert Mut, anders zu sein, gegen den Strom zu schwimmen und sich von der Meinung anderer unabhängig zu machen.

      Wer die Macht über das eigene Leben zurückerobern will, kann nicht länger nach den Regeln und Ansichten anderer leben. Es gilt, der eigenen inneren Wahrheit zu folgen, für sich selbst einzustehen und auch ein Scheitern oder Rückschläge zu ertragen. Die Fragen zu beantworten verlangt Zeit, Energie und manchmal auch Geld von uns. Vor allem aber sind wir aufgerufen, unserer inneren Führung zu vertrauen – die vielleicht größte Herausforderung am Beginn der Reise. Über unsere innere Führung haben wir Zugang zu Wissen, das weit über unseren bewussten Verstand hinausgeht. Sie ist das Licht, das unseren Weg erhellt, damit wir ihn sicher gehen können.

      Beginnen wir, Fragen zu stellen. Erkennen wir unsere Sehnsüchte, Wünsche und Bedürfnisse an und gestehen wir uns ein, dass sie da sind und nach Erfüllung streben. Nehmen wir unsere Gefühle an. Besonders auch die unangenehmen. Und erlauben wir uns, dahinter zu blicken. Sie bieten uns die Chance, unser Leben in eine neue Richtung zu lenken. Antworten auf unsere Fragen finden wir, wenn wir bereit sind, uns und unseren Alltag aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und unsere aktuelle Lebenssituation in allen Facetten anzuschauen.

      Übung: Fragen zulassen

      Sind Sie bereit, Fragen zu stellen? Dann nehmen Sie Stift und Papier zur Hand und suchen Sie sich einen Platz, an dem Sie ungestört sind. Entspannen Sie sich und beginnen Sie, ungefiltert alle Fragen aufzuschreiben, die in Ihnen auftauchen, während Sie Ihr aktuelles Leben betrachten.

      Dies können allgemeine Fragen sein wie:

      • Was ist der Sinn?

      • Was erwarte ich vom Leben?

      • Was macht mich unzufrieden?

      • Wer bin ich wirklich? Was macht mich aus?

      Oder Fragen, die sich auf eine ganz bestimmte Situation, Person oder einen Lebensbereich beziehen:

      • Was soll ich in Bezug auf … tun?

      • Wie gehe ich mit dieser Situation/Person um?

      • Wie gehe ich mit mir selbst um?

      • Warum passiert mir das?

      • Wie soll mein beruflicher Alltag aussehen?

      • Was wollen mir meine körperlichen Beschwerden sagen?

      • Was muss sich ändern, damit ich mich gesund/glücklich/zufrieden/. fühle?

      Erlauben Sie sich, wirklich alle Fragen zu stellen, die in Ihnen sind. Zensieren Sie sich nicht selbst. Sie machen diese Übung nur für sich. Keine Frage muss sofort beantwortet werden. In einem ersten Schritt geht es nur darum, sie zuzulassen und zu beobachten, was sie in Ihnen auslöst.

      Betrachten Sie Ihren Alltag, Ihr bisheriges Leben. Widmen Sie sich den verschiedenen Lebensbereichen – von Beruf über Familie, Liebe und Partnerschaft bis hin zu Gesundheit und Wohlbefinden. Schreiben Sie alle Fragen auf, die Ihnen durch den Kopf gehen. Notieren Sie auch Gefühle, Sehnsüchte oder Wünsche, die während dieser Übung entstehen.

      Wie fühlt es sich an, diese Fragen zuzulassen? Beginnt es in Ihnen zu kribbeln? Werden Sie unruhig? Spüren Sie einen Impuls, aktiv zu werden und etwas zu verändern? Fühlen Sie sich völlig ohnmächtig? Sind Sie verwirrt und unsicher? Haben Sie Schuldgefühle? Oder lösen die Fragen Freude in Ihnen aus? Was immer passiert, nehmen Sie es wahr und schreiben Sie es auf.

      Es gibt keinen Richtwert, wie viele Fragen Sie haben sollten. Vielleicht haben Sie erst mal keine einzige, und es dauert eine Weile, bis die erste Frage sich zeigt. Oder eine einzelne Frage ist so umfassend und weitreichend, dass sie letztlich das ganze Leben verändern kann. Sie mag einen ganz bestimmten Lebensbereich oder die gesamte Lebenssituation betreffen. Es kann auch sein, dass Sie mit dem Schreiben kaum nachkommen, weil plötzlich so viele Fragen auftauchen.

      Ich empfehle, diese Übung am Anfang eine Woche lang jeden Tag zu machen. Täglich 10 bis 15 Minuten, in denen Sie neue Fragen aufschreiben oder bisher aufgetauchte Fragen noch einmal wirken lassen. Beginnen Sie nicht sofort, sich den Kopf über mögliche Antworten zu zerbrechen. Lassen Sie die Fragen einfach mal stehen.

      Sollte Ihnen eine Woche zu kurz sein, dann machen Sie zwei oder drei Wochen daraus. Irgendwann werden Sie an einen Punkt kommen, an dem Sie das Gefühl haben, alle Fragen notiert zu haben. Sie können nun sofort aufbrechen oder Ihre Fragen noch einige Zeit auf sich wirken lassen. Ihre Bereitschaft zum Aufbruch haben Sie durch das Zulassen der Fragen bereits bewiesen.

       Unsicherheit und Verwirrung

      Sind die ersten Fragen gestellt, beginnen sich nach und nach Antworten zu formulieren. Nicht immer sofort in der Deutlichkeit, wie wir es uns wünschen würden. Doch erste Ahnungen weisen uns eine Richtung. Wir entwickeln Vorstellungen, wie unser Leben aussehen, wie anders es sein könnte. Träume und innere Bilder erfüllen uns mit einer Freude, die wir schon lange nicht mehr – oder sogar noch nie – in uns gespürt haben. Immer wieder stehlen wir uns einen Moment im Alltag, um unsere Gedanken dorthin wandern zu lassen. Wir könnten es wagen aufzubrechen und uns auf die Reise begeben. Wirklich sicher sind wir uns aber nicht. Sollen wir uns wirklich auf einen Weg machen, von dem wir nicht wissen, wo er hinführt?

      Wir sind bereit, uns einzugestehen, dass das Alte nicht mehr passt. Wie das Neue aussieht, wissen wir allerdings noch nicht so genau. Etwas in uns fordert dazu auf, das Gewohnte loszulassen und uns auf das Unbekannte einzulassen. Es gibt keine Garantie dafür, dass es wirklich besser wird. Fest steht allerdings, dass, wenn es nicht anders wird, wir dem Besseren erst gar keine Chance geben. Nicht wenige Menschen begnügen sich damit, ein Leben lang über ihre Situation, über unverwirklichte Träume und unerfüllte Wünsche zu jammern, weil sie den Schritt aus der Komfortzone nie riskiert haben. Es erfordert Mut, sich auf die Unsicherheit einzulassen, die das Beschreiten neuer Wege mit sich bringt.

      Wir sind es gewohnt, alles zu planen, die Dinge unter Kontrolle zu halten und keine Risiken einzugehen. Wir haben gelernt, mit dem zufrieden zu sein, was wir haben, anstatt nach einem größeren Glück zu streben. Dieses Bedürfnis nach Kontrolle, Planung und Sicherheit fordert uns nun heraus, steht in Konflikt mit unserem Wunsch nach mehr Sinn und Erfüllung im Leben. Noch bevor wir uns auf den Weg gemacht haben, ja sogar, bevor wir überhaupt entschieden haben, ob wir uns auf die Reise einlassen wollen, machen sich Unruhe und Verwirrung in uns breit. Wenn wir anfangen, unser bisheriges Leben zu hinterfragen, einzelne Lebensbereiche kritisch zu beleuchten und über das Wer-wir-Sind und Was-wir-Tun nachzudenken, stellen wir unter Umständen fest, dass das Fundament, auf dem wir unser Leben aufgebaut haben, nicht so stabil ist, wie wir angenommen hatten. Wir erkennen Illusionen, denen wir uns hingegeben haben, und müssen uns eingestehen, dass wir uns in Bezug auf das Wer-wir-Sind und Was-wir-Wollen getäuscht haben. Unsere gesamte Identität samt dazugehörigem Leben wird plötzlich infrage