Andrea Tuma

War das schon alles?


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eine bekannte Umgebung, Interessen, denen wir bislang nachgegangen sind, und unsere Ansichten und Verhaltensweisen, mit denen wir uns seit Jahrzenten identifizieren, all das vermittelt ein Gefühl der Sicherheit. Hier haben wir einen Platz gefunden und uns eingerichtet. Und nun verlangt etwas in uns, das alles – oder zumindest Teile davon – aufzugeben. Wir spielen mit dem Gedanken einer beruflichen Neuorientierung, ohne so recht zu wissen, wohin wir uns neu orientieren wollen. Da ist die Idee, ein Jahr lang aus dem Alltag auszusteigen und um die Welt zu reisen, ohne zu wissen, wie es nach der Rückkehr weitergehen soll. Die Partnerschaft ist schon lange nicht mehr glücklich, aber der Gedanke, nach einer Trennung vielleicht für immer alleine bleiben zu müssen, macht uns Angst.

      Es ist völlig offen, was nach dem ersten Schritt passieren wird, und es ist ganz unmöglich, vorherzusehen, was die Zukunft für uns bereithält. Trotzdem lassen sich viele nicht davon abhalten und versuchen, das Unplanbare planbar und das Unvorhersehbare vorhersehbar zu machen. In unendlichen Gedankenkreiseln werden verschiedenste Szenarien durchgespielt. Was könnte nicht alles passieren? Mehr oder weniger wahrscheinliche Folgen geistern durch die Vorstellungswelt. Als Ergebnis wartet statt mehr Klarheit und Sicherheit eine noch tiefere Verunsicherung.

       Weg der Erfahrungen

      Der Weg der Seele ist ein Weg der Erfahrungen. Das Ziel ist unsere persönliche Entwicklung. Dazu gehört, sich auf Ereignisse, Situationen, Menschen und Herausforderungen einzulassen, die zu neuen Erkenntnissen und innerem Wachstum führen. Es ist ein Weg von Geben und Nehmen, von Innenschau und Außenwirkung, von Aktivität und Entspannung. Verunsicherung und Verwirrung sind oft der Ausgangspunkt der Reise. Diese führt jedoch nach und nach zu einem tieferen Gefühl der Sicherheit und des Vertrauens. Nicht, weil die äußeren Umstände berechenbarer oder vorhersehbarer werden, sondern weil entlang des Weges die Verbindung zur seelischen Essenz enger wird. Daraus erwächst eine vorher nicht gekannte innere Gewissheit.

      Neben der Angst vor den Konsequenzen für das eigene Leben sind es in vielen Fällen die Befürchtungen und Bedenken, wie der Entschluss aufzubrechen sich auf Menschen im unmittelbaren Umfeld auswirken könnte, die davon abhalten, die Reise zu wagen. Wesentliche Bedürfnisse werden ignoriert, das individuelle Potenzial versteckt und Ziele aufgegeben, aus Angst davor, wie andere reagieren könnten. Viele Menschen finden Sicherheit darin, so zu sein wie alle anderen, das zu denken und wollen, was alle anderen denken und wollen. Und wenn die eigene Meinung nicht mit der anderer übereinstimmt, behalten sie diese möglichst für sich. Sich plötzlich von der Masse abzuheben, kann Verunsicherung auslösen. Nicht nur bei einem selbst, sondern vor allem auch bei den anderen.

      Für viele ist es nicht vorstellbar, dass jeder Mensch seine Individualität und Einzigartigkeit lebt. Es erscheint ihnen völlig absurd, dass nicht jeder dieselben Wünsche hegt, nicht dieselben Werte teilt und nicht in allen Dingen dieselbe Ansicht vertritt. Erzogen dazu, uns anzupassen und nicht aufzufallen, fürchten wir nun, andere vor den Kopf zu stoßen oder zu verärgern. Wir haben Angst zu enttäuschen, stellen die Befindlichkeiten anderer Menschen über das eigene Glück. Wir übernehmen Verantwortung dafür, wie es anderen mit unserem Entschluss geht, und vergessen dabei, auf unsere eigenen Empfindungen zu achten. Verantwortung zu übernehmen ist gut und wichtig. In erster Linie sind wir jedoch verantwortlich für uns selbst und unser eigenes Wohlbefinden – genauso wie die anderen für sich und ihr Wohlbefinden. Deshalb ist es wichtig, ihnen die Verantwortung, die wir für sie übernommen haben, wieder zurückzugeben. Einzige Ausnahme ist die Verantwortung für kleine Kinder, die noch nicht für sich selbst sorgen können.

      Auch wenn wir das zu Beginn der Reise oft nicht glauben können, machen wir nicht nur uns selbst ein Geschenk, wenn wir unseren eigenen Weg verfolgen. Damit wir anderen Menschen etwas geben, sie ehrlich wertschätzen und lieben können, müssen wir zuerst selbst in unserer Mitte sein. Wer sein eigenes Potenzial lebt, bringt seine essenzielle Kraft und Energie zum Ausdruck. Davon profitieren auch andere.

      Menschen, die ihren Weg gehen, strahlen dies auch aus. Sie haben Charisma und wirken motivierend und inspirierend auf andere. Mozart, Goethe, Einstein oder Michelangelo – was wäre gewesen, hätten sie aus Rücksicht auf andere beschlossen, ihre Talente und Fähigkeiten lieber für sich und unter Verschluss zu behalten? Wie ist es bei Ihnen? Welche Ihrer Fähigkeiten und Begabungen verstecken Sie noch vor anderen?

      Es gibt einen Grund, warum jede(r) Einzelne ist, wie er oder sie ist. Um unseren Platz in dieser Welt zu finden, müssen wir uns zuerst selbst erkennen. Indem wir den alten Platz verlassen und uns auf die Reise machen. Wir wissen nicht, was passieren wird, weder wenn wir beschließen aufzubrechen, noch wenn wir entscheiden, da zu bleiben, wo wir sind. Selbst wenn wir einfach weitermachen wie bisher und das Drängen der Seele nach Verwirklichung und Erfüllung konsequent ignorieren, ist die vermeintliche Sicherheit, in der wir uns wiegen, leichter zu erschüttern, als wir uns das eingestehen wollen. Wir können davon ausgehen, dass die Dinge sich immer wieder wandeln werden und dass so manche Entwicklung uns irritieren und verunsichern wird. Es liegt nicht in unserer Macht zu entscheiden, ob wir Veränderung in unserem Leben wollen. Wir können diese aber entweder selbst aktiv gestalten oder abwarten und erst reagieren, wenn die Ereignisse uns keine andere Wahl mehr lassen.

      Im Umgang mit Unsicherheit und Orientierungslosigkeit ist nicht das krampfhafte Ringen um Kontinuität und die Abwehr jeglichen Wandels die beste Strategie. Sie besteht vielmehr im Vertrauen in den eigenen Weg, die eigenen Fähigkeiten und die innere Führung. Vertrauen in uns selbst gibt uns die Stärke und Kraft, den Zustand von innerem Chaos auszuhalten. Wenn wir meinen, den Boden unter den Füßen zu verlieren, schenkt uns die Verbindung zu unserer seelischen Essenz die Standfestigkeit und Stabilität, die wir brauchen, damit wir auf unserem Weg weitergehen können.

      Doch wie sieht der für uns richtige, wie sieht unser ganz persönlicher Weg aus? Die Antwort auf diese Frage finden wir, wenn wir uns eingestehen, dass der Zeitpunkt des Aufbruchs gekommen ist.

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