hatte der Killer auch von Anfang an vor, Bykov umzubringen. Auf jeden Fall scheint der Abtransport von größeren Gegenständen geplant gewesen zu sein, sonst hätte nicht wenig später ein Transporter vor der Tür gehalten, in den dann alles hinein geladen wurde, was dem Killer und seinen Komplizen wichtig erschien – einschließlich der Leiche.“
„Ich wette, dass neben einer ganzen Menge Beweismaterial auch die Kisten mit den Ikonen dabei waren, die in Bykovs Wohnung ja nicht aufgefunden werden konnten“, schloss Clive. „Aber irgendetwas muss die Täter dann bei ihrer Aufräumaktion gestört haben, sonst hätten sie diese so sauber zu Ende geführt wie sie alles andere beendet haben!“
„Und wenn sie wollten, dass wir den Blutfleck finden?“, fragte ich. Ich zuckte mit den Schultern. „War nur so ein Gedanke.“
„Sie meinen Bykov hat seinen Tod inszenieren wollen?“, fragte Mr McKee.
Niemand schien diesen Gedanken besonders weiterführend zu finden, denn keiner der anwesenden G-men ging darauf ein.
Mir war klar, dass ich den Stein der Weisen selbst noch nicht gefunden hatte – aber mein Instinkt sagte mir, das mit der Rekonstruktion des Tathergangs, wie Max sie uns vorgetragen hatte, irgendetwas nicht stimmte.
Ich wusste nur nicht, was mich so daran störte.
Mr McKee ergriff das Wort. „Ehe ich es vergesse, dieser Marenkov wird heute gegen zehn bei uns hier im Field Office eintreffen“, sagte er. „Ich dachte mir, dass Sie ihn vielleicht etwas unter Ihre Fittiche nehmen, Jesse. Ich bin überzeugt davon, dass Sie und Milo gut mit ihm zusammenarbeiten. Übrigens erwartet Washington das auch von uns. Man beobachtet das ganze auf höchster Ebene mit Argusaugen.“
„Ja, Sir“, nickte ich.
„Aber was hat dieses geplatzte Treffen gestern mit Dennister zu bedeuten?“, hakte Milo nach.
„Das habe ich ihn bei dem Telefonat, das wir heute morgen führten, auch gefragt“, berichtete unser Chef. „Es stellte sich heraus, dass Marenkov bereits vor drei Tagen unter anderem Namen in New York angekommen ist. Er traut offenbar seinen Gegnern aus der Kunstmafia alles zu. Marenkov hat Dennister aus der Ferne beobachtet, ihn aber nicht angesprochen, weil sich jemand in der Nähe aufhielt, der ihm verdächtig erschien und daher wollte er kein Risiko eingehen. Aber Sie können sich da ja von ihm selbst schildern lassen.“
„Oder von Dennister – sobald er auftaucht!“, warf Jay Kronburg ein.
„Wir müssen noch über die Morde an Lee Trenton und Abby Dempsey sprechen“, erinnerte uns Max Carter.
Mr McKee nickte ihm zu. „Bitte!“
„Die verwendete Waffe ist noch nicht aktenkundig und die sichergestellten Projektile hatten das Kaliber .44. Aufschlussreich ist die Tränengasgranate. Sie entspricht einem Typ, der in Russland verwendet wird – hier bei uns allerdings völlig unüblich ist.“
19
Anderthalb Stunden später traf Marenkov an der Federal Plaza ein. Er hatte zunächst ein halbstündliches Gespräch mit Mr McKee. Anschließend führte Max Carter ihn in das Dienstzimmer, das Milo und ich uns teilten.
Marenkov trug einen doppelreihigen Anzug, aber die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals. Ich hatte gleich das Gefühl, dass dieser Business-Look nicht seine bevorzugte Kleidung war.
Wir stellten uns kurz vor.
„Nennen Sie mich Valerij“, sagte Marenkov mit einem kräftigen Händedruck. „Ich hoffe, dass wir gut zusammenarbeiten.“
„An uns wird es sicher nicht liegen – und an dem Kaffee, den die Sekretärin unseres Chefs kocht, sicher auch nicht!“, versicherte Milo.
Marenkov hob die Hände.
„Danke für Ihre Offenheit!“, sagte er akzentschwer. „Mister McKee hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, wie weit Sie in der Sache sind.“
„Was wissen Sie über Bykov?“, fragte ich.
Marenkov schien im ersten Moment etwas überrascht über eine so konkrete Frage zu sein.
„Dass er einer der wichtigsten Kontaktpersonen der Kunstmafia gewesen sein muss.“
„Es soll hier in New York jemanden geben, der von allen nur ‚Impressario’ genannt wird und der die Fäden zieht. Haben Sie davon auch gehört?“
Marenkov lächelte verhalten.
„Ehrlich gesagt, hatte ich bisher Bykov in Verdacht, dieser Mann zu sein – oder zumindest sehr eng mit ihm in Verbindung zu stehen. Aber inzwischen glaube ich das nicht mehr.“
Ich hob die Augenbrauen. „Wie lautet denn Ihre Theorie dazu?“
Marenkov zuckte mit den Schultern. „Ich denke, dass die etablierten Zweige des organisierten Verbrechens auch den Kunsthandel in ihrer Gewalt haben und längst als wunderbare Möglichkeit der Geldwäsche für sich entdeckten. Wenn Sie die Finanzen von Leuten wie Bykov überprüfen, verwette ich meinen Schlips dafür, dass Sie auf dieselben dubiosen Firmennamen in Liechtenstein, auf den Cayman-Inseln und ein paar anderen Steueroasen stoßen, die Sie bereits aus Ihren Ermittlungen gegen Drogenringe kennen! Dort sollten Sie meiner Ansicht nach die Drahtzieher suchen.“ Er grinste breit und wirkte etwas gezwungen. „Aber wer bin ich, dass ich Ihnen sage, was Sie zu tun haben!
„Ich nehme an, dass Sie bereits darüber aufgeklärt wurden, welche Befugnisse Sie hier haben“, sagte ich.
Marenkov grinste, „Oder besser gesagt, welche Befugnisse ich hier nicht habe“, schnitt er mir das Wort. „Ich weiß, dass ich in diesem Land keinerlei Polizeibefugnisse besitze und beratend tätig bin und Sie brauchen auch keine Sorge zu haben, dass ich Ihnen und Ihrem Partner dauernd auf den Fersen klebe...“
„Keine Sorge“, sagte ich.
„Nat braucht Sie später unbedingt für seine Ermittlungen in Sachen Konten und Geldströme!“, ergänzte Max Carter.
„Ich stehe zur Verfügung“, versprach Marenkov.
„Wir werden uns heute um Norman Gallesco kümmern“, kündigte ich an. „Haben Sie den Namen mal gehört?“
Marenkov überlegte kurz. Dann nickte er. „Ich glaube, das war ein Anwalt, der für Bykov tätig war. Aber nur kurzfristig.“
„Sie sind aber gut informiert!“
Marenkov bleckte die Zähne. „Darum bin ich noch am Leben!“
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