Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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habe noch ein paar Fragen an Sie“, sagte Berringer. „Vorhin hatte ich eine Begegnung mit Ihrer Tochter. Eine ziemlich ruppige Begegnung, muss ich sagen.

      Außerdem konnte ich nicht verhindern, etwas von dem Streit mitzubekommen, den Sie gegenwärtig mit ihr haben.“

      „So?“ Gerath verengte die Augen zu schmalen Schlitzen.

      „Ihre Tochter war sehr laut.“

      Mal sehen ob ich zu hoch gepokert habe, dachte Berringer. Aber er glaubte, dass die Wahrscheinlichkeit, dass im Gerath etwas Näheres über den Grund dieses Streits verriet, wesentlich höher war, wenn er annahm, dass der Detektiv bereits teilweise Bescheid wusste.

      Aber so leicht ließ sich jemand wie Gerath ― der Gerath ― nicht austricksen. Das Pokern war er aus dem Geschäftsleben gewohnt.

      „Was wissen Sie?“, fragte er. Sein Ton klang in diesem Moment wie klirrendes Eis.

      „Es ging um Geld“, sagte Berringer. „Und ich weiß außerdem, dass Ihre Tochter auf dem Reiterhof aufgetaucht ist und sich nach Ihnen erkundigt hat.“ Gerath atmete tief durch. Eine Zentnerlast schien ihm auf der Brust zu liegen, so ächzte er.

      Ins Schwarze getroffen!, dachte Berringer und musste sich ein triumphierendes Grinsen verkneifen. Da scheint ein richtig dicker Hund begraben zu sein!

      Gerath schloss für einen Moment die Augen. „Es ist immer das Gleiche mit meiner auch so lieblichen Tochter. Sie will dauernd Geld. Es ist ja nicht so, dass ich nicht genug davon hätte. Aber ich habe einfach keine Lust, alles dieser Sekte in den Rachen zu werfen.“

      Berringer horchte auf. „Was für eine Sekte?“, hakte er sofort nach.

      „Esoterikern. Maja angehört ihnen seit einiger Zeit an. Gottes Erdkinder oder so ähnlich nennen sie sich. Sie glauben an irgendwelche heilenden Kräfte, die aus dem Erdreich und durch den Mond wirken.“ Gerath nahm sich ein Brötchen, halbierte es und schmierte Butter auf beide Hälften. Dann blickte er über den Tisch, so als könnte er sich nicht entscheiden, was er drauflegen sollte. „Ich will mich mit diesem Quatsch gar nicht erst auseinandersetzen. Maja haben diese Spinner das Hirn vernebelt, aber das heißt nicht, dass ich denen mein Vermögen nachschmeißen muss.“

      „Was genau hat Ihre Tochter von Ihnen verlangt?“

      „Dass ich Ihr das Erbteil vorzeitig auszahle. Würde ich ja auch machen, wenn sie irgendwas Vernünftiges damit vorhätte. Ein eigenes Geschäft gründen oder so. Aber wenn ich es ihr gebe, kann ich es gleich auf das Konto dieser Gotteskinder überweisen.“ Er machte eine Pause und fragte dann zurück: „Haben Sie auch Kinder?“

      „Nein“, sagte Berringer. „Weder Gotteskinder noch richtige.“

      „Sie Glücklicher!“

      Berringer sagte nichts dazu. Im Moment hatte er kein Kind, und Gerath hatte es nicht zu interessieren, dass er mal eins gehabt hatte. Darüber wollte er nicht sprechen.

      Schon gar nicht mit dem Gerath.

      Der aber schien Berringers Antwort als Signal zum Weiterreden aufzufassen. Umso besser.

      „Ich habe mit meinen drei Kindern wirklich genug gelitten“, klagte er. „Maja hat mit Ach und Krach ihr Abi geschafft, aber danach ging alles daneben. Sie hat mehrfach das Studium abgebrochen, schließlich eine Ausbildung zur Krankenschwester angefangen, aber nicht beendet, und jetzt ist sie Predigerin in den Diensten dieser Gotteskinder und verteilt Zettel und Broschüren, die die Menschen bekehren sollen, zur Besitzlosigkeit und zum Vertrauen auf irgendwelche mystischen Mächte.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung.

      „Sie haben auch noch zwei Söhne, wenn ich richtig informiert bin, Herr Gerath.“

      „Die sind nicht besser. Als Unternehmer, der etwas aufgebaut hat, strebt man ja immer an, dass jemand aus der eigenen Familie dieses Werk mal fortsetzt. Avlar Tex und Avlar Sport haben zusammen fast dreihundert Mitarbeiter. Da trägt man einfach eine Verantwortung über die Grenze des eigenen Lebens hinaus. Man kann nicht einfach sagen: Nach mir die Sintflut, mir ist es gleichgültig, was geschieht, wenn ich einmal nicht mehr bin.“ Er seufzte schwer.

      Du armer Mann!, dachte Berringer mitleidslos und hakte noch mal nach. „Ihre Söhne haben kein Interesse an der Firma?“

      Gerath lachte heiser. Ein bitterer Ton mischte sich in seine Worte. „Till, mein Ältester, lebt in Düsseldorf und bildet sich ein, ein Künstler zu sein. Er schmiert irgendwelche Kleckse auf Leinwände und denkt, dass er damit eine neue Perspektive des Sehens eröffnet oder dergleichen Unsinn. Meine Frau hat ihn als Kind zu einem Wochenendseminar Töpfern mitgenommen, als sie auch mal solche Anwandlungen hatte. Das muss ihn verdorben haben. Er war immer ihr Liebling. Sie hat ihn völlig vertätschelt und schon von frühster Kindheit an eingeredet, dass er etwas Besonderes wäre. Wahrscheinlich kann ich froh sein, dass er wenigstens nicht noch schwul geworden ist.“

      Berringer musste sich ein freches Grinsen verkneifen. Für den Gerath wäre das wohl der Supergau gewesen.

      Sekundenlanges Schweigen herrschte. Gerath nahm einen Happen von seinem Brötchen, köpfte dann sein Ei und verzog das Gesicht, weil die Konsistenz des Eigelbs wohl nicht so ganz seinen verfeinerten kulinarischen Vorstellungen entsprach.

      Er aß es aber schließlich doch – und zwar nach einem kurzen Blick auf die Rolex an seinem Handgelenk, was Berringer zu der Vermutung veranlasste, dass irgendein Termin den Unternehmer drängte. Wie immer.

      Mit vollem Mund sprach er weiter.

      „Mit dem Jüngsten – Andreas heißt er – hat es eigentlich ganz gut angefangen. Er hat zunächst in der Firma mitgearbeitet, und ich habe ihn schrittweise an immer wichtigere Aufgaben herangeführt. Irgendwann, so dachte ich, übernimmt er den ganzen Laden mal ...“

      „Hat er seine Pläne geändert“, vermutete Berringer.

      „ Ich habe sie geändert.“

      „Ach.“

      „Ich musste sie ändern, leider.“ Erneut folgte eine kurze Pause, ehe Peter Gerath weitersprach. „Er hat Gelder veruntreut. Wie sich herausstellte, war er kokainabhängig und spielsüchtig. Ich konnte nicht anders, als ihn aus dem Spiel nehmen.“

      Aus dem Spiel nehmen. War das nun ein Wortspiel hinsichtlich der Spielsucht seines Sohnes, überlegte Berringer, oder sagte diese Formulierung etwas über Geraths allgemeine Einstellung zu Menschen aus? Nahm er wie ein Trainer Menschen aus dem Spiel und wechselte sie aus, wenn sie seine Erwartungen nicht erfüllten?

      „Was macht Ihr Sohn Andreas jetzt?“, fragte Berringer.

      „Ich denke, er hat seinen Drogenentzug hinter sich.“

      „Sie denken?“

      „Um ehrlich zu sein, wir haben seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr.“ Gerath schaute erneut auf die Uhr. „Ich habe einen Termin. In der Firma stecken wir in der heißen Entwicklungsphase für mehrere Produkte, und es stehen noch letzte Besprechungen für die kommende BOOT an.“ Er deutete auf die Brötchen. „Wenn Sie doch noch Hunger haben, langen Sie zu!“

      „Wo ist Ihre Frau?“

      „Sie ist schwimmen gefahren. Das macht sie öfter morgens. Im Gegensatz zu mir sorgt sie dafür, dass sie fit bleibt. Ich habe leider keine Zeit dafür. Die Reiterei am Sonntagmorgen war das Einzige, was ich mir in dieser Hinsicht gegönnt habe, aber das ist ja nun vorbei.“

      „Ich würde gern mit Ihrer Frau sprechen, damit ich ein abgerundetes Bild Ihrer Situation ...“

      „Halte ich für Zeitverschwendung“, fiel ihm Gerath ins Wort. Doch als er Berringers Blick bemerkte, fügte er hinzu: „Aber wenn Sie meinen ... Sie müsste jeden Moment wieder hier sein. Dann kann Sie Ihnen den ganzen Morgen die Ohren voll quasseln.

      Nur vergessen Sie nicht, dass ich Sie nicht dafür bezahle, in meinem Privatleben herumzuschnüffeln.“

      „Keine