Alfred Bekker

Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten


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Kleppke auf dem Rahmeier-Hof hatte Björn Dietrich wohl bereits in einer reichlich gefärbten Darstellung geschildert bekommen. Jedenfalls sprach Dietrich seinen Freund aus alten Düsseldorfer Polizeizeiten sofort darauf an.

      „Was hast du mit Arno gemacht, der war richtig sauer auf dich?“

      „Nichts, was soll schon gewesen sein? Ich habe nur versucht, meinen Job zu machen und an Informationen zu gelangen.“

      „Berry, dabei gibt es Grenzen. Ich habe dir immer gesagt, dass wir gut miteinander auskommen, solange du die Regeln einhältst.“

      „Meine Güte, was man alles so sagt, wenn der Tag lang ist!“

      „Ich meine es ernst!“

      „Ich verspreche dir, Arno erst mal aus dem Weg zu gehen, wenn es sich machen lässt.“

      „Du versprichst mir, keine Sperenzien mehr zu machen!“ Berringer seufzte. „Ich habe wohl keine andere Wahl.“

      „Das siehst du vollkommen richtig.“

      „Eigentlich rufe ich nicht an, um mir eine Standpauke abzuholen.“

      „Sondern? Mach's kurz, wir haben gleich eine Einsatzbesprechung. Es wird ein ganz schöner Aufwand werden, alle registrierten Jäger abzuklappern und deren Waffen zu überprüfen.“

      „Und dann vielleicht keinen Erfolg zu haben, weil die Waffe jemandem auf illegalem Wege in die Hände fiel, der mit Jagd so viel zu tun hat wie ein cleverer Geschäftsmann mit dem deutschen Steuerrecht.“

      Eine kurze Pause entstand, und Berringer stellte sich vor, wie Björn Dietrich sie dazu nutzte, an seinem Glimmstängel zu ziehen. Schließlich hatte er schon fast eine Minute ohne direkte Nikotininhalation auskommen müssen. Wahrscheinlich begannen dann bereits die ersten Entzugserscheinungen, dachte Berringer.

      „Meinst du das jetzt ernst?“

      „Ich weiß noch nicht. Bislang habe ich ein paar Puzzle-Teile, die nicht richtig zusammenpassen. Aber das kriege ich schon raus.“

      „Dann leg doch mal ein paar dieser Teile auf den Tisch des Hauses und lass dir nicht alles so aus der Nase ziehen!“, forderte Dietrich ein wenig verärgert.

      „Du lässt mich ja nicht zu Wort kommen!“

      „Sehr witzig. Also, was ist? Stiehlst du mir nur die Zeit, oder hat du wirklich was?“

      „Eine Gegenfrage ...“

      „Ich wusste es, du hast nichts!“

      „Wie würdest du das beurteilen, wenn in einer Firma, die sich auf hochwertige Sportswear spezialisiert hat, des Nachts billige Massenwaren von wer weiß woher angeliefert wird und eine Firma namens Garol ImEx, Bukarest und Düsseldorf, ihre Finger im Spiel hat?“

      „Dann würde ich sagen, dass höchstwahrscheinlich etwas faul ist. Wie heißt die Firma, von der du sprichst?“

      „Avlar Sport, eine Tochter von Peter Geraths Avlar Tex. Die Niederlassung liegt in Dießem am Glockenspitz.“

      „Hm, pass auf, Berry“, sagte Björn Dietrich nach ein paar Sekunden des Nachdenkens. „Ich habe mich kürzlich mit einem Kollegen unterhalten, der im Umfeld des organisierten Verbrechens ermittelt. Nach dem, was er mir so erzählt hat, könnte das, was Avlar Sport abläuft, folgendermaßen aussehen: Seit kurzem gibt es Einfuhrbeschränkungen der E.U. für Billigklamotten aus China. Die Quoten sind längst erreicht. So gibt es viele Firmen in der Textilbranche, die ihre bereits georderte Ware nicht ins Land holen können. Das machen sich kriminelle Banden zunutze. Die Ware wird in ein Land gebracht, in dem sich die Grenzkontrollen mit finanziellem Schmiermittel umgehen lassen. Zum Beispiel könnte der Weg über Rumänien nach Ungarn gehen. Dort werden die Waren umetikettiert und sind plötzlich Produkte, die innerhalb der Europäischen Union gefertigt wurden. Bleibt nur noch die Schwierigkeit, sie unauffällig weiterzuverteilen. Dazu braucht man Firmen wie Avlar Tex, die die Ware pro forma aufkaufen, bevor sie in die Läden kommt. Manche perfektionieren das, in dem sie die Sachen vorher noch mit Markenetiketten versehen, aber das ist riskant, wenn es nicht wirklich gut gemacht wurde.“

      „Immerhin kann ich mir jetzt zusammenreimen, was bei Avlar Sport so läuft“, meinte Berringer. „Fragt sich nur, ob das wirklich etwas mit dem Mordversuch an Peter Gerath zu tun hat. Da bin ich mir längst nicht mehr so sicher.“

      „Wie auch immer, Berry: Du machst bitte keinen Wirbel! Solche Machenschaften aufzudecken geht nur mit einer koordinierten, gut abgestimmten Operation und nicht mit irgendwelchen Alleingängen.“

      „Ich werde mir Mühe geben, niemanden vorzuwarnen“, versprach Berringer. „Aber du wirst auch verstehen, dass für mich die Interessen meines Klienten immer Vorrang haben.“

      „Berry!“

      „Was willst du? Dessen Wünsche sind in diesem speziellen Fall doch ganz bescheiden: Er will einfach nur nicht umgebracht werden.“

      „Und du glaubst, Gerath sagt dir die Wahrheit und hängt in diesen Geschäften nicht selber mit drin?“, fragte Björn Dietrich. „Mein Gott, ermittelst du nur noch im Auftrag englischer Schlossherren, oder wie kommt es, dass dich das Leben als Privatermittler dermaßen naiv gemacht hat?“

      „Nur kein Neid, Björn.“

      „Eine Erklärung hört sich anders an!“

      „Also gut, wie wär’s mit dieser? Gerath hat einen Geschäftsführer namens Severin eingesetzt, der ziemlich freie Hand zu haben scheint, sowohl geschäftlich wie auch bei Geraths Frau. Und wenn Gerath das mit seiner Frau nicht merkt, hat Severin es vielleicht auch geschafft, ihm das andere zu verheimlichen.“ Robert Berringer fuhr zum Firmensitz von Avlar Sport am Glockenspitz.

      Es gab einen Bürotrakt, eine Fertigungshalle und ein Lager. Da bei Avlar Sport alles gut beschildert war, fand Berringer sich hervorragend zurecht, nachdem er dem Pförtner seinen Ausweis gezeigt hatte.

      „Herr Gerath persönlich hat angeordnet, dass Sie sich alles ansehen und mit jedem sprechen dürfen“, hatte der Pförtner gesagt.

      „Wann war das?“, hatte Berringer gefragt.

      „Vor ein paar Tagen – und dann heute Morgen noch mal. Ist gut eine Stunde her. Er rief aus dem Wagen an. Mich persönlich. Also, ich arbeite hier schon zwanzig Jahre, aber das mich der Chef persönlich anruft, das ist in all der Zeit zuvor noch nie vorgekommen.“

      Für Berringer ergab sich daraus der Schluss, dass Gerath seinen Verdacht gegen Severin inzwischen teilte. Ein Grund mehr für Berringer, dieser Spur weiterzufolgen.

      Zumal sie durch das – bisher allerdings nur behauptete – Verhältnis zwischen Frau Gerath und Severin eine Verbindung zu Geraths familiärer Misere herstellte.

      „Ist ja auch schlimm, was die mit dem Herrn Gerath vorhatten“, hatte der Pförtner noch hinzugefügt. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wer so etwas tun könnte. Aber man muss ja heute mit allem rechnen. Auch unser Geschäftsleiter, der Herr Severin, soll neulich mal überfallen und zusammengeschlagen worden sein. Er wollte das nicht an die große Glocke hängen. Keine Ahnung, ob er zur Polizei gegangen ist, aber er sah ziemlich übel zugerichtet aus, kann ich Ihnen sagen. So viel Puder konnte er gar nicht auftragen, wie nötig gewesen wäre, um das blaue Auge zu überdecken.“

      „Wissen Sie darüber noch etwas mehr?“

      „Ehrlich gesagt, habe ich das nur gehört ...“

      „Und von wem?“

      „Vom Willi. Und der hat es von ... Hm, hat mir erzählt, von wem er’s weiß, aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich es nicht mehr.“

      „Schon gut. Ich hör mich mal um.“

      „Einen schönen Tag noch. Und wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann ...“

      „Dann komme ich auf Sie zurück, Herr ...“

      „Radowitz.