die gesamte Überwachungsanlage für die Wohnung die Galerie zu regeln war.
„Abgeschaltet“, stellte Milo fest.
„Wie praktisch für den Einbrecher.“
„Da es von Bykov keine Spur gibt, müssen wir das Schlimmste befürchten, Jesse.“
„Jedenfalls waren an den Türen keinerlei Spuren für ein gewaltsames Eindringen zu sehen“, gab ich zu bedenken. „Bykov könnte den Täter selbst hereingelassen haben. Der hat ihn dann umgebracht, die Wohnung durchsucht und anschließend die Leiche entsorgt.“
„Warum hat er dann nicht dafür gesorgt, dass der Blutfleck verschwindet?“, fragte ich.
„Gute Frage. Vielleicht wurde er gestört und es war nicht mehr möglich, noch einmal in die Wohnung zu gehen.“
„Und was könnte der Täter hier gesucht haben?“
„Jedenfalls nicht die moderne russische Kunst, die hier überall hängt. Ich nehme an, es war der Inhalt der Safes.“
„Was könnte da drin gewesen sein?“
„Wenn unser Kollege Milton Dennister mit seiner Hypothese Recht hat und Bykov auf einer Säuberungsliste der Kunstmafia steht, würde ich sagen, dass nach belastendem Material gesucht wurde.“
Ich ließ den Blick schweifen.
Die zertrümmerte Telefonanlage fiel mir auf. Offenbar sollte es erschwert werden, herauszubekommen, mit wem Bykov zuletzt telefonischen Kontakt hatte. Aber früher oder später würden wir die Verbindungsdaten über die Telefongesellschaft schwarz auf weiß vor uns haben.
Ich streifte mir Latexhandschuhe über.
Die Kollegen des Erkennungsdienstes sehen es im Allgemeinen nicht gerne, wenn sich die ermittelnden Special Agents im Außendienst am Tatort allzu gründlich umsehen. Zu viele Spuren konnten dadurch vernichtet werden. Andererseits war der Zeitfaktor nicht zu unterschätzen, denn der arbeitete grundsätzlich für den Täter. Je mehr Zeit verging, desto schwieriger wurde es, die Tat aufklären zu können.
Ich betrat einen Raum, der offenbar als Arbeitszimmer diente.
Bücher waren aus Regalen herausgerissen und auf dem Boden verstreut worden. Etwa ein Drittel davon war in russischer Sprache, der Rest auf Englisch, einige wenige in Französisch. Neben ein paar Science Fiction-Romanen fanden sich dort vor allem Bücher zur Kunstgeschichte und Kataloge mit Werkverzeichnissen. Außerdem Werke zum Steuer- und Bilanzrecht der Vereinigten Staaten, den Cayman Islands und der Schweiz.
Die Schubladen des Schreibtischs lagen umgedreht auf dem Boden.
Auf der Holzplatte war ein Abdruck zu sehen, der dafür sprach, dass hier noch vor kurzem ein Computer gestanden hatte. Die Täter hatten ihn offenbar einfach mitgenommen.
„Eine Leiche und ein Computer sind verschwunden“, stellte ich fest. „Das muss doch jemandem aufgefallen sein, zumal man vor der Haustür nicht parken kann.“
„Das heißt, die Täter haben beides – und wer weiß, was sonst noch – mit dem Aufzug in die Parkgarage gebracht. Wahrscheinlich haben sie dort auch ihren Wagen abgestellt, Jesse.“
„Was bedeutet, dass sie in irgendeiner Form registriert gewesen sein müssen, um dort hinein und wieder hinauszukommen!“, zog ich einen meiner Meinung nach logischen Schluss.
Milo war derselben Ansicht.
„Wir werden mit der Hausverwaltung und dem privaten Sicherheitsdienst sprechen müssen, der für dieses Haus zuständig ist, Jesse.“ Mein Kollege schüttelte den Kopf und machte ein nachdenkliches Gesicht. „Da wohnt jemand schon unter einer Adresse, die sicherheitstechnisch mit allen nur erdenklichen Schikanen ausgestattet ist und dann geschieht so etwas!“
„Jedenfalls scheint der Security Service nichts bemerkt zu haben“, nickte Milo.
Wir nahmen uns anschließend noch das Schlafzimmer vor.
Sowohl der Inhalt der Kleiderschränke, als auch die Utensilien im Bad zeigten, dass hier zumindest zeitweilig auch eine Frau gelebt haben musste.
„Wir werden Mrs McGray danach fragen“, schlug Milo vor. „Ich würde ja lachen, wenn Bykov gleich gesund und munter zurückkehrt, nach dem er bei Bradshaw’s gefrühstückt hat!“
„Den Laden werden wir uns auch noch vornehmen müssen“, kündigte ich an.
Milo nickte. „Das tun wir, sobald die Kollegen der SRD hier das Terrain übernommen haben.“
Ich hatte damit begonnen, systematisch die Taschen von Bykovs Anzügen zu durchsuchen. Ich fand einen Zettel mit einer Handynummer. „Mal sehen, vielleicht bringt uns das hier ja weiter, Milo.“
Ich tippte die Nummer in meine Handytastatur und wartete ab. Aber niemand nahm das Gespräch entgegen. „Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar“, wurde mir mitgeteilt.
Wir kehrten zu Dennister zurück.
Unser Kollege deutete auf ein Loch in der Wand.
„Hier hat eine Kugel dringesteckt“, meinte er. „Sie muss durch den Körper Bykovs gegangen sein und ist dann hier gelandet.“
„Der Täter scheint ein Profi gewesen zu sein“, sagte Milo.
Ich hob die Augenbrauen. „Trotzdem ist es doch seltsam, dass die Kugel in der Wand und die Leiche beseitigt wurden und der Blutfleck nicht. Dafür gibt es einen Grund!“
„Warten wir ab, was die Kollegen dazu sagen!“, schlug Milo vor.
Nach fünf Minuten trafen Kollegen der City Police ein, um den Tatort zu sichern. Nach zwanzig Minuten erreichten unsere Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster den Tatort.
Dieser Fall wurde auf Grund der internationalen Dimension mit besonderer Priorität behandelt. Aus diesem Grund sollten die Kollegen der Scientific Research Division von unseren FBI-eigenen Erkennungsdienstlern unterstützt werden. Die Beamten des zentralen New Yorker Erkennungsdienstes hatten im Übrigen ihre Labors in der Bronx und brauchten um diese Zeit entsprechend lange, um den Tatort zu erreichen. Wir rechneten erst eine Dreiviertelstunde später mit ihnen.
In der Zwischenzeit unterhielten wir uns noch einmal mit Florence McGray.
„Wir haben Anzeichen dafür gefunden, dass Mister Bykov mit einer Frau zusammengewohnt hat“, eröffnete ich ihr. „Was wissen Sie darüber?“
„Eigentlich lebte Mister Bykov immer sehr zurückgezogen“, erklärte sie. „Aber vor zwei Monaten zog eine junge Frau bei ihm ein. Ich schätze, sie war halb so alt wie er. Mitte zwanzig, schwarzes Haar, zierlich und immer elegant gekleidet.“
„Wissen Sie ihren Namen?“
„Er nannte sie Nora. Mehr weiß ich nicht.“
„Wann haben Sie sie zum letzten Mal gesehen?“
Florence McGray wirkte nachdenklich. „Ehrlich gesagt, das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe, war kurz bevor Mister Bykov zuletzt verreist ist.“
„Wann war das?“
„Vor anderthalb Wochen. Ich glaube er sagte etwas von St. Petersburg. Das liegt in Florida, glaube ich. Da würde ich gerne sein. Vor allem im Winter... Mister Bykov ist dort öfter hingeflogen.“
„Kann es sein, dass er St. Petersburg in Russland meinte?“, mischte sich Milo ein.
Florence McGray wirkte etwas ratlos. „Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen“, gestand sie.
„Hat Bykov irgendwann mal geäußert, dass er sich bedroht fühlt?“, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Wir haben kaum miteinander gesprochen. Mister Bykov war immer sehr höflich, aber er hat nie viel mit mir geredet.“
„Hatte er Angestellte