dadurch eine nervöse Atmosphäre. „Wenn Sie versuchen wollen, meinen Mandanten zu Aussagen zu provozieren...“
„Ich denke nicht, dass sich Ihr Mandant provozieren lässt“, erwiderte ich und wandte mich Buscella zu. „Mister Buscella, Ihr damaliger Auftraggeber wurde in einem See an der Grenze zwischen New York State und New Jersey gefunden.“
Das Erstaunen in Buscellas Gesicht schien mir echt zu sein.
Sein breiter Kinnladen fiel herunter und er vergaß für einige Augenblicke, den Mund wieder zu schließen. „Ich dachte, Damiani hätte es geschafft und sich irgendwo in den sonnigen Süden oder so abgesetzt. Hier in Rikers Island hört man ja eine Menge Gerüchte. Und von Big Tony hieß es immer, dass er gerade noch rechtzeitig das Land verlassen hätte! Marokko, glaube ich! Genau, das war es!“ Buscella lachte heiser. „Ich habe mich oft bei dem Gedanken schwarz geärgert, dass der feiste Sack seine Millionen irgendwo am Strand mit einem Tequila in der Hand genießt, während ich hier lebenslänglich abbrummen muss! Aber wenn ich jetzt überlege, dass er in Wahrheit die ganze Zeit in diesem Wasserloch vor sich hinfaulte...“ Er verzog das Gesicht. „Will mir noch gar nicht in den Kopf.“
„Ich denke, Mister Buscella hat gesagt, was er zu dem Thema zu sagen hat“, machte Reddick erneut einen Versuch, die Befragung abzubrechen.
Es hing tatsächlich alles von Buscella ab. Wir hatten keine Möglichkeit, ihn zu einer Aussage oder gar zur Zusammenarbeit zu zwingen – und mehr Vergünstigungen, als er schon bekommen hatte, waren für einen wie ihn nach Lage der Dinge nicht drin.
Aber Tom Buscella schien heute seinen redseligen Tag zu haben und gar nicht daran zu denken, der Linie seines Anwalts zu folgen.
„Hören Sie, G-man, es ist alles so, wie ich es damals ausgesagt habe! Tony Damiani hat mir 50 000 Dollar für den Mord an Lee Kim gegeben. Dessen Drogenring überschwemmte damals New York mit billigem Stoff und drohte die alteingesessenen Bosse aus dem Geschäft zu drängen! Ich brauche Ihnen doch wohl nicht zu erzählen, wie das läuft! Man hat von Big Tony erwartet, dass er etwas tut, bevor das Geschäft völlig ruiniert ist. Und Big Tony ist zu mir gekommen, so war das!“ Er lehnte sich zurück und schüttelte den Kopf. „Ist schon seltsam, dass Sie jetzt nach all den Jahren seinen Mörder suchen...“
„Wer käme denn da in Frage – Ihrer Meinung nach?“
„Ist das Ihr Ernst? Na, der Clan von Lee Kim natürlich! Diese Koreaner halten viel auf Familienzusammenhalt. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass Tony so unvorsichtig ist, dass sie ihn gleich erwischen.“
„Hatte er weitere Feinde, von denen Sie wissen? Feinde in der eigenen Organisation zum Beispiel?“
„Mein Mandant wird dazu nichts sagen“, erklärte Reddick.
„Natürlich sage ich was dazu“, rief Buscella. „Tony Damiani war für alle wie ein Vater! Ein echter Patron, auf dessen Hilfe man sich verlassen konnte und der außerdem noch dafür sorgte, dass die Geschäfte gut liefen! Wenn Sie denken, dass ihn jemand aus den eigenen Reihen in der Versenkung verschwinden lassen wollte, dann sind Sie auf dem völlig falschen Weg.“
„Ihre Zeit ist um, Agent Trevellian!“, brach Reddick das Gespräch ab. „Wir haben Ihnen nichts mehr zu sagen!“
Buscella hob die Schultern. „Tja, ich höre wohl besser auf Agent Trevellian – sonst versuchen Sie mir am Ende noch irgendetwas anzuhängen und ich lande doch noch in der Todeszelle...“
„Ich dachte, das würden Sie bevorzugen – oder war das nur Gerede?“, fragte Milo.
„Nein, das ist kein Gerede. Aber meine Schwester braucht mich noch. Sie ist schwer krank und wird wahrscheinlich bald sterben. Wie sähe das für sie denn aus, wenn ich mich in meiner Zelle erhängen oder ein paar weitere Morde gestehen würde, damit man mir doch noch die Spritze setzt? Ich muss ihretwegen am Leben bleiben, weil ich ihr einziger Halt bin.“
„Sie haben regelmäßig Kontakt zu ihr?“, fragte ich.
„Wir telefonieren und sie kommt mich besuchen. Krebs bedeutet nicht unbedingt, dass man nicht mehr laufen kann – aber er bringt einen trotzdem um.“
Buscella erhob sich.
„Wenn Sie Jimmy Kim sehen, dann grüßen Sie ihn von mir. Er war damals die Nummer zwei bei den Koreanern und stand eigentlich auch noch auf meiner Liste, wenn meine Verhaftung nicht dazwischen gekommen wäre... Sagen Sie ihm: Tom Buscella kriegt ihn jetzt doch noch – mit einer Aussage vor Gericht!“ Buscella lachte rau.
Reddick gab erst Milo und dann mir noch einmal die Hand. „Sie haben gesehen, dass mein Mandant zu Ihrem Fall substantiell nichts beitragen kann“, erklärte er. „Ich gehe daher davon aus, dass dies das letzte Gespräch Ihrerseits mit ihm im Rahmen Ihrer Ermittlungen ist und wir uns nicht wieder sehen.“
„Man sollte niemals nie sagen“, gab ich zurück.
13
Im Anschluss an das Gespräch ließen wir uns noch von der Gefängnisleitung die Besucherlisten für Tom Buscella zeigen.
Es gab darauf – abgesehen von seinem Anwalt – nur einen einzigen Namen.
Doreen Buscella.
„Sie kommt ihn regelmäßig besuchen“, berichtete uns Alec Johnes, einer der stellvertretenden Leiter von Rikers Island.
„Ich sehe, dass auch sein Anwalt, Mister Reddick, regelmäßig auf der Liste erscheint“, stellte Milo fest. „Bereitet Buscella irgendein Wiederaufnahmeverfahren oder dergleichen vor oder welchen Grund könnte das haben?“
Johnes schüttelte den Kopf.
„Jedenfalls nicht, dass ich davon wüsste. Das wäre in seinem Fall wohl auch ziemlich aussichtslos, würde ich sagen.“
„Gibt es Mitgefangene, denen er vielleicht über seine früheren Kontakte zu Tony Damiani etwas gesagt haben könnte?“, hakte ich nach.
Johnes schüttelte abermals den Kopf. „Jedenfalls nicht seit ich hier bin – also in den letzten fünf Jahren. Buscella ist ein sehr schwieriger Gefangener. Sie haben gesehen, welche Vorsichtsmaßnahmen nötig waren. Er ist vollkommen unberechenbar und neigt zu unkontrollierten Wutausbrüchen. Vielleicht gefällt er sich auch nur in der Rolle des Monsters, wer weiß. Unser Psychologe hat eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, die sich im Verlauf der letzten Jahre verstärkt hat. Aggressionen wechseln mit depressiven Phasen ab... Kurz und gut: Den Kerl konnte man nur einzeln unterbringen.“
„Dann machen Sie uns trotzdem eine Liste der Zellengenossen, die er in der Zeit davor hatte“, schlug Milo vor.
„In Ordnung.“
Nachdem wir wieder im Sportwagen saßen und bereits über den Damm fuhren, der Rikers Island mit dem Festland verband, telefonierte Milo per Handy mit dem Field Office. Max Carter war am Apparat. Über die Freisprechanlage konnten wir beide mithören.
„Wir brauchen alles, was es über einen Anwalt namens Brian Reddick gibt. Er vertritt Buscella und wir möchten gerne wissen, wen noch.“
„Kein Problem, Milo“, gab Max zurück.