Meinhard-Wilhelm Schulz

Venedig sehen und morden - Thriller-Paket mit 7 Venedig-Krimis


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wussten wir beide nichts«, rief Maria Augusta allzu heftig, »denn sie verstand es, ihre Mängel mit Hilfe raffiniert ausgestopfter Büstenhalter zu kaschieren. Mein Sohn begriff erst in der Hochzeitsnacht, was er sich da eingehandelt hatte. Sie haben seitdem getrennte Schlafzimmer. Raimondo hat dieses Dreckweib unberührt gelassen. Sie ist eine alte Jungfer, hihihi.«

      »Ach, und das hat er Ihnen erzählt, einfach so? Und er hat, wenn ich das so sagen darf, seine ‚gatta in sacco‘ gekauft?«

      »Warum auch nicht? Er hatte eben keine Erfahrung in solchen Dingen und kannte nur mich. Ich war die einzige Frau für ihn gewesen. Er hatte vor seiner Hochzeit keine Freundin gehabt, und zu den dreckigen Huren ist er auch nicht gegangen, niemals. Zu mir jedenfalls hat er grenzenloses Vertrauen, bis heute, und ich könnte dieses verfluchte Mannweib …«

      »Was könnten Sie sie?«

      »Ach, das ist doch gleichgültig, und mein Raimondo ist wirklich verhaftet und eingesperrt?«

      »Er steckt in der Arrestzelle auf dem Revier.«

      »Wird er nach Padua überstellt werden?«

      »Wahrscheinlich. Sobald der Prozess eröffnet ist. Wir haben, glaube ich, genügend Beweise zusammen bekommen. Ferner hat ihn eine Frau, die den letzten Mord beobachtete, sofort wiedererkannt, aus einer Gruppe von insgesamt elf ähnlich aussehenden Männern heraus.«

      »Die dreckige Hure lügt. Man hat ihr vorher schon gesagt, wen sie benennen soll. Ich kenne das. Immer diese falschen Schlangen. Darf ich mit euch aufs Revier kommen? Ich möchte meinen Sohn sehen. Ich möchte ihn umarmen.«

      »Das will ich Ihnen nicht abschlagen«, sagte Marcello, und schon gingen wir samt der zornigen Frau die Stiege hinunter und durch die engen Gassen zurück aufs Revier, während unsere schöne Maria Augusta hektische Selbstgespräche führte, welche allesamt darauf hinaus liefen, dass sie es diesen Bullen schon noch zeigen werde. Schließlich sagte sie sogar:

      »Ich werde an den Staatspräsidenten appellieren. Er wird es einsehen und befehlen, dass man meinen Sohn frei lässt.«

      Noch zeterte und lamentierte sie, da waren wir schon angekommen. Marcello geleitete die Frau persönlich ins Gebäude hinein, wo uns eine unangenehme Überraschung erwartet:

      Die Zeitungsreporter der Region samt an ihrer Seite klebenden Fotografen hatten sich sensationslüstern im Atrium zusammengerottet und warteten auf uns.

      Kaum waren sie der Signora ansichtig geworden, als die Blitzlichter nur so aufflammten. Maria Augusta sah dies und stürzte sich wütend über sie, um ihnen die Kameras zu entreißen, und schon entbrannte die schönste Rauferei, in die sich Marcello kraft seines Amtes einmischte, um den weiblichen Wüterich in sein Amtszimmer zu bugsieren, wohin kurz zuvor auch der Conte gebracht worden war und auf sie wartete.

      »Du brauchst jetzt keine Angst mehr zu haben, lieber Raimondo, jetzt bin ich ja da«, sagte sie begütigend, während sich der Graf erhob, die Hände aneinander gefesselt.

      »Haben die Schufte dir etwas getan, Mama?«, fragte er und mimte ein besorgtes Gesicht:

      »Nein, mein Sohn. Mit mir ist alles in Ordnung. Aber sie besitzen kein Recht, dich hier festzuhalten. Ich werde mir Italiens besten Anwalt nehmen, und wenn ich darüber mein Haus verkaufen muss. Das lasse ich mir nicht gefallen.«

      »Beruhige dich doch, Mama«, sagte Raimondo, »alles ist nur halb so wild. Es wird sich als Irrtum erweisen.«

      »Was heißt hier Irrtum? Du bist freier Bürger eines freien Staates, und niemand hat das Recht, dich einzusperren. Weiß diese Cornelia wenigstens, dass du hier bist?«

      »Sie weiß es.«

      »Warum ist sie nicht da?«

      »Das musst du sie selber fragen.«

      Ambrosio schaltete sich jetzt ein:

      »Verehrte Signora Tiepolo, wollen Sie nicht Platz nehmen?«

      »Ich denke gar nicht daran. Ich bin empört. Niemand hat das Recht, meinen Sohn festzuhalten. Ich werde mich beschweren.«

      Marcello brummte jetzt grimmig:

      »Setzen Sie sich doch endlich hin und beantworten Sie mir die Fragen, die wir noch zu stellen haben, wenn Sie nicht über Nacht in der Zelle neben Ihrem Söhnchen eingesperrt werden wollen.«

      »Ist mir doch alles gleichgültig!«

      Und schon war sie zu Raimondo hinüber gegangen, um ihn gründlich abzuküssen.

      »Fürchte dich nicht, mein Kleiner, ich kümmere mich um dich und sorge dafür, dass du hier heraus kommst. Ich gehe jetzt, um den Anwalt aufzusuchen.«

      Dann hasserfüllt zu uns:

      »Und Fragen beantworte ich keine mehr, keine einzige. Ich bin lange genug verhört worden, als wäre ich eine Verbrecherin. Man hat mich wie den letzten Dreck behandelt. Ich werde das dem Herrn Staatspräsidenten melden. Noch gibt es Gesetze!«

      Mit verächtlich herunter gezogenen Mundwinkeln schritt sie an uns vorbei und strebte den Ausgang an:

      »Sollen wir sie gehen lassen?«, fragte der Tenente.

      »Gewiss doch«, antwortete Marcello, »wir wissen ja jetzt, wo wir dran sind …«

      »Ja«, sagte ich seufzend, während Maria Augustas Wutgebrüll zu uns herein brandete, das sie über den Zeitungsleuten hernieder prasseln ließ, »dieser traurige Fall ist, Gott sei es geklagt, pathologisch und psychotisch, leider; einfach scheußlich.«

      Volpe nahm jetzt das Wort und sagte zum Conte:

      »Ihre Mutter scheint Sie ja abgöttisch zu lieben.«

      »Ich war von Geburt an ihr Ein und Alles. Meinen Vater hat sie verabscheut. Sie hatte dann nur noch mich. Weitere Kinder sind ausgeblieben. So ist das.«

      »Wissen Sie noch, was für ein Mensch Ihr Vater war?«

      Der Graf knirschte mit den Zähnen und schwieg.

      »Dann war Ihre Mutter nicht glücklich mit ihm, oder?«

      Der Conte lief knallrot an. Er zischte zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor:

      »Wie kann man einen schmutzigen Fleischer lieben?«

      »Hat sie sich geschämt, einen Metzger zum Mann zu haben?«

      »Sie stammt aus guter Familie, aber ihre Eltern haben das Vermögen verspekuliert und brachten sich dann um. Die Verwandten, denen sie auf der Tasche lag, wollten sie los sein und haben sie an diesen Fleischer verhökert, einen Mann mit gut gehendem Geschäft und eigenem Haus.

      Ansonsten, meine Herren, wäre es besser, meine Mutter und meine Frau aus dem Spiel zu lassen. Ich weiß doch ganz genau, worauf Sie hinaus wollen, wenn Sie einen Gegensatz zwischen den beiden konstruieren. Verhören Sie mich, solange Sie wollen, aber lassen Sie die beiden Frauen in Ruhe!«

      »Gut, schön«, sagte Volpe und legte die Fingerspitzen aufeinander, »Ihr Wunsch sei uns Befehl. Doch kommen wir zunächst noch einmal auf Ihren Poncho zurück:

      Der Mörder der vergangenen vier Nächte trug stets einen solchen Kapuzenumhang, das ist sicher. Der Schneider bezeugt, nur Ihnen einen solchen geliefert zu haben. Ein Fetzen blieb beim letzten Überfall in der Hand der Getöteten. Er passt exakt in den Saum des Ponchos, den wir einem Obdachlosen am Canal Grande abkauften. Wollen Sie leugnen, dass es Ihr Umhang ist?«

      »Er ist es nicht. Beweist mir das Gegenteil!«

      »Gut«, sagte Volpe seufzend, »dann berichten Sie uns lückenlos, was Sie in den vergangenen vier Nächten getan haben!«

      »Ich war im Studio.«

      »Ihre Frau und die Zofe konnten das nicht bezeugen.«

      »Ich pflege alleine und in aller Stille zu arbeiten.«

      Volpe