Pete Hackett

Neun ungewöhnliche Krimis Juni 2019


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taumelte zur Seite und war für die Agents nicht mehr zu sehen. Goodman ließ die Mündung der Pistole über die Agents pendeln.

      Plötzlich holte er mit der linken Hand ein Mobiltelefon aus der Jackentasche. Ohne seine Aufmerksamkeit länger als einen Sekundenbruchteil von den G-men zu nehmen klickte er eine Nummer her, dann drückte er den Verbindungsknopf, und sogleich sagte er:

      „Sie haben uns. Ich habe eine Geisel. Burke und Harris stehen in meinem Büro. Ich fahre mit der Geisel zur Wohnung meiner Schwester. Du solltest auch hinkommen.“

      Goodman lauschte. Sein Gesprächspartner redete einige Zeit auf ihn ein. Schließlich sagte Goodman: „Ich weiß, ich habe einen Fehler gemacht. Aber denk nur nicht, dass ich den Kopf allein in die Schlinge stecken werde. Wir treffen uns in einer halben Stunde bei Susan. Und dann sehen wir weiter.“

      Goodman unterbrach die Verbindung und ließ das Handy wieder in die Jackentasche gleiten. „Bist du bereit, Kath?“

      „Ja“, kam es zaghaft von der Frau, die die Agents nicht sehen konnten.

      „Sie haben gehört, dass ich zu meiner Schwester will. Versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten. Kath würde dafür bezahlen. Wenn ich bei Susan bin, werde ich meine Forderungen stellen.“

      Goodman verschwand aus der Tür.

      Burke hörte einen ersterbenden Aufschrei, als er sich wahrscheinlich wieder die Geisel schnappte.

      Fast gleichzeitig traten die Agents vor und hoben ihre Pistolen auf, dann öffnete Burke die Tür zum Korridor, sicherte nach draußen und trat in den Flur. Goodman hielt seine Sekretärin wie ein lebendes Schutzschild vor sich. Rückwärtsgehend bewegte er sich in Richtung Treppenhaus. Dort gab es auch einen Aufzug ...

      17

      Owen Burke rief von Goodmans Büro aus seinen Vorgesetzten an und berichtete ihm, was vorgefallen war.

      Der AD machte ihm keine Vorwürfe, sondern sagte: „Das sind Nachrichten, die ich nicht so gern höre. Ich werde veranlassen, dass ein Polizeiaufgebot in Brooklyn bereitsteht. Begeben Sie und Agent Harris sich ebenfalls dorthin, Agent Burke. Wir werden uns anhören, was Goodman fordert. Und dann sehen wir weiter.“

      „Die Kollegen sollen Goodman auf jeden Fall ungeschoren passieren lassen“, sagte Burke.

      „Natürlich“, antwortete der AD. „Die Geisel darf auf keinen Fall gefährdet werden. – Ob Susan Cohan mit ihrem Bruder gemeinsame Sache gemacht hat?“

      „Ich weiß es nicht, Sir. Ich will es aber nicht ausschließen.“

      Ron stand am Fenster und schaute in den Hof hinunter. Als Burke aufgelegt hatte, sagte er: „Goodman und seine Geisel sind mit einem dunkelgrünen Toyota weggefahren. Wir sollten uns beeilen.“

      Sie fuhren von der Leroy Street zur Houston Street und folgten ihr nach Osten. Auf der Bowery wandten sie sich nach Süden und erreichten bald die Williamsburg Bridge. Auf dem Brooklyn-Queens Expressway wandten sie sich in Richtung Brooklyn.

      Schließlich erreichten sie das Gebäude, in dem Susan Cohan wohnte.

      Der grüne Toyota stand vor der Tür. Goodman und Kath, seine Sekretärin, saßen noch drin.

      In der Nähe standen auch einige Einsatzfahrzeuge des Police Department. Das Haus war sozusagen umstellt. Sicher hatten sich auch einige Scharfschützen der Polizei in den umliegenden Gebäuden postiert.

      Ron Harris stellte den Dodge etwa hundert Yard von dem Wohnhaus entfernt hinter einem Patrolcar ab. Zwei Polizisten, die ihre Pistolen in den Händen hielten, waren hinter dem Fahrzeug in Deckung gegangen.

      Owen Burke wies sich aus und erkundigte sich nach dem Einsatzleiter.

      Sein Name war Ackerman, sein Dienstrang Captain. Er hatte sich hinter einem Mannschaftstransportwagen der State Patrol verschanzt. Einige andere Uniformierte waren bei ihm.

      Die beiden Agents liefen zu dem Captain hin.

      „Was ist los?“, fragte Burke. „Warum sitzen Goodman und die Geisel noch in dem Toyota?“

      „In Susan Cohans Wohnung befindet sich Goodmans Komplize. Sein Name ist uns unbekannt. Er droht, Susan Cohan zu erschießen, sollte ein Polizist das Haus betreten. Wir stehen mit dem Mann telefonisch in Kontakt. Er fordert ein vollgetanktes Fluchtfahrzeug und ein startklares Flugzeug auf dem La Guardia Airport.“

      „Sein Name ist schätzungsweise Andrew Ramsey“, erklärte Burke. „Dr. Andrew Ramsey, Dozent an der Columbia Universität. Er dürfte der Kopf der Bande sein, die es sich zum Ziel gesetzt hat, die illegale Prostitution in New York und ein paar weiteren Großstädten auszumerzen. Lässt er Goodman nicht in die Wohnung?“

      „Goodman, so scheint es, wartet ab, ob wir auf die Forderung seines Komplizen eingehen. Wahrscheinlich steht auch er mit Ramsey in Verbindung.“

      „Ich kann es kaum glauben, dass Goodman es gutheißt, dass Ramsey seine Schwester als Geisel genommen hat“, knurrte Ron. „Ihretwegen hat er ja wohl der illegalen Prostitution den Krieg erklärt.“

      „Was hat Susan Cohan für eine Telefonnummer?“, fragte Burke und zückte sein Handy.

      Der Captain diktierte ihm die Zahlen, er tippte sie und ging auf Verbindung.

      „Was ist?“, kam es aus dem Lautsprecher. „Gehen Sie auf meine Forderung ein? Sie wollen doch nicht Susan Cohans Leben aufs Spiel setzen?“

      „Hier spricht Burke, FBI New York“, sagte dieser. „Hallo, Dr. Ramsey. Glauben Sie allen Ernstes, damit durchzukommen? Sie wissen doch, dass der Polizeiapparat nicht erpressbar ist. Warum ergeben Sie sich nicht?“

      „Woher wissen Sie, dass ich... Hat Goodman, dieser verdammte Narr, meinen Namen genannt?“

      „Nein. Es war nicht schwer, es herauszufinden, Dr. Ramsey. Nachdem ihr Ford in Flammen aufgegangen war, stand es für mich fest, dass Sie zu der Bande gehören. Zwischenzeitlich bin ich sogar davon überzeugt, dass Sie der Boss sind. Sie sind seit Jahren mit dem Elend der HIV-Infizierten konfrontiert worden. Das ließ Ihren Frust, aber auch Ihren Hass anwachsen und letztlich eskalieren. Schließlich fanden sich ein paar Betroffene, die Sie vor Ihren Karren spannen konnten. Liege ich richtig mit meiner Annahme, Professor?“

      „Ja, Agent Burke, Sie sind ein ziemlich ausgeschlafener Bursche. Ihnen kann man so schnell nichts vormachen, wie?“ Es klang zynisch. „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich im Moment am Drücker bin. Ich warte jetzt noch genau eine Viertelstunde. Und wenn dann der Fluchtwagen nicht vor der Tür steht, erschieße ich Susan.“

      „Warum nehmen Sie nicht den Toyota, in dem Goodman und seine Geisel sitzen?“

      „Was interessiert mich Goodman. Ich habe mit ihm gesprochen. Er will, dass ich seine Schwester freilasse. Doch ich denke nicht dran.“

      „Warum nicht? Goodman hat seine Sekretärin als Geisel. Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Ramsey: Ich stelle mich Ihnen im Austausch gegen Susan Cohan und Goodmans Sekretärin als Geisel zur Verfügung. Nehmen Sie mit Goodman Kontakt auf und besprechen Sie mit ihm meinen Vorschlag.“

      „Nein, o nein, Burke. Sie legen mich nicht herein. Susan Cohan ist und bleibt mein Faustpfand. Es sind jetzt noch dreizehn