Thomas Weinreich

Philosophie - Eine präzise first-principle Herleitung philosophischer Fundamente.


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damit eine Erfahrung, bzw. eine Erinnerung/Reflexion einer Wahrnehmung. Wissen bzw. Wahrheit a priori wäre unabhängig von Erfahrung wahr. Da Wahrheit immer eine Wahrheit über etwas ist, muss man dieses etwas kennen um darüber Wahrheiten zu bilden – man braucht also Erfahrung über dieses etwas. Und im Falle von besten Annahmen (siehe Kapitel Fundamentale Rechtfertigungsprinzipien und beste Annahmen) muss man ebenfalls Erfahrung (andere BIe) besitzen, aus denen die besten Annahmen hergeleitet bzw. zusammengesetzt werden. Außerdem müssen beste Annahmen im Zusammenhang zu bereits Vorhandenem stehen. Wahrheiten können demnach nicht a priori sein. Wenn jeder BI eine Wahrnehmung oder eine Reflexion einer Wahrnehmung ist, könnte eine mögliche Begriffsdefinition höchstens sein, dass ein Urteil a priori bereits bekannt ist oder logisch aus bisherigem Wissen folgt, und man für ein Urteil a posteriori noch Erfahrung sammeln muss. Urteile a priori wären also Urteile anhand alter Erfahrung bzw. vor neuer Erfahrung und Urteile a posteriori wären Urteile anhand neuer Erfahrung. Oder Urteile a priori könnten sich als nicht auf Sinneswahrnehmung beruhend definieren. So sind z.B. Erkenntnisse über die eigenen Gefühle, welche durch Hormon-Ausschüttung im Gehirn entstehen, Erkenntnisse des Gehirns ohne Informations-Input von außerhalb sich selbst. Beides wären jedoch keine allzu nützlichen Begriffsdefinitionen.

      Kant meint, dass es a priori gegeben, dass jede Veränderung eine Ursache hat. Jedoch ist dies bloß erlernt, da wir in einer deterministischen Wirklichkeit leben, oder dies ist eine Annahme der Theorie der Wirklichkeit, die wir aufgrund unseren Wahrnehmungen aufstellen. Würden sich unsere BIe ohne Ursache verändern, würden wir auch nicht annehmen, dass Veränderung eine Ursache erfordert. Kant meint, dass man über Veränderung nur reden kann, wenn man zumindest zuvor (empirische) Erfahrungen gemacht hat. Dies macht schon allein deswegen Sinn, da man zum Reden Zeichen braucht, welche wahrgenommen werden müssen (wenn sie nicht selbst erdacht sind). Der Begriff Veränderung muss sich außerdem auf irgendetwas beziehen, dass sich verändert, wäre also ohne eine Wahrnehmung bzw. einen BI bedeutungslos.

      Sätze a priori waren für Kant auch Sätze der Mathematik wie „Alle Dreiecke haben eine Innenwinkelsumme von 180°“. Eine Innenwinkelsumme von 180° ist jedoch eine definierende Eigenschaft von Dreiecken bzw. eine logische Folge daraus. A priori gilt nach Kant der Satz „Alle Körper sind ausgedehnt“, weil man einen Körper ohne Ausdehnung nicht denken kann, während alle anderen Merkmale wie Größe, Form oder Farbe weggedacht werden können, ohne dass man den Begriff inhaltlich einschränkt. Ein Körper definiert sich jedoch als etwas räumlich ausgedehntes. A priori Urteile könnten also lediglich Tautologien (inhaltliche Wiederholungen) sein, also Aussagen innerhalb denen eine bestimmte Bedeutung (bzw. nur ein Teil der anderen Bedeutung) mehrfach auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck gebracht wird. Die Bedeutung des eines Teils der Aussage ist ein Synonym oder eine Eigenschaft der Bedeutung des anderen Teils der Aussage. Es sind Gleichsetzungen von gleichbedeutenden Ausdrücken, wie „das Ganze ist die Summe seiner Teile“. Die Begriffe a priori und a posteriori wären somit aber auch nicht nützlich.

      Andererseits treffen wir „a priori“ Urteile genau wie „a posteriori“ Urteile anhand von Wahrnehmungen, wie das Urteil, dass alle Körper ausgedehnt sind, denn wir haben Wahrnehmungen von intuitiven WIen, welche als ausgedehnt wahrgenommen werden. Zusätzlich zählen zu den „a priori“ Urteilen aber auch absichtliche bzw. willkürlich Urteile, oder Urteile, welche eine logische Folge unserer willkürlichen Urteile bzw. Definitionen sind, wie bei mathematischen Aussagen. Die Begriffe wären also sinnlos, weil sie zu inkonsistent sind. Eine sinnvolle Unterscheidung wäre hingegen die Unterscheidung in Urteile, welche auf Wahrnehmungen basieren, und Urteile, welche auf Annahmen basieren, wobei die Annahmen aus reflektierten und neu zusammengesetzten Wahrnehmungen bestehen. So sind (viele) als a priori bezeichnete Urteile bloß Annahmen bzw. Festlegungen, und keine Erkenntnisse, da man keine (gesicherte und neue) Erkenntnis über etwas erlangen kann ohne es wahrzunehmen, also ohne Erfahrung darüber zu haben.

      Verwandt mit der Unterscheidung in a priori und a posteriori ist die Unterscheidung in analytische und synthetische Urteile. Weil bei analytischen Urteilen das Prädikat eines Satzes implizit im Subjekt enthalten sein soll, handelt sich also auch bloß um Tautologien, wie „Ein ungelehrter Mensch ist nicht gelehrt“. Das heißt der eine Gegenstand des Satzes ist bereits in der Definition des anderen Gegenstandes enthalten. Bei synthetischen Urteilen, heißt es, wird einem Begriff ein Prädikat hinzugefügt, welches in diesem noch nicht enthalten war. Die Begriffe sind also ebenfalls sinnlos, weil sie nichts anderes bedeuten als tautologisch und nicht-tautologisch.

      Für Kant waren mathematische Aussagen, wie z.B. die Gleichung 7+5=12, synthetische Urteile. Jedoch bezeichnen „7+5“ und „12“ das gleiche, weswegen sie auch gleichgesetzt sind. Es handelt sich bei Gleichungen lediglich um inhaltliche Wiederholungen. Die Gleichung drückt also lediglich aus, dass es sich um synonyme Begriffe handelt, welche sich beide auf das gleiche beziehen. Es liegt also kein synthetisches Urteil vor, denn die Mengen 5 und 7 sind in der Menge 12 enthalten. Die Gleichung 7+5=12 ist des Weiteren nur insofern a priori, als dass man sich lediglich eines bereits vorhandenen Sprachschatzes der Mathematik bedienen muss, um sie aufzustellen. Dieser Sprachschatz musste vorher erlernt oder selbst erdacht werden und definiert die einzelnen Zeichen wie 7, +, und 5. Das Urteil, dass 5+7 gleich 12 ist, kann also nur a priori gefällt werden, weil man vorher schon weiß was die Zeichen bedeuten, und damit, dass sie das gleiche bedeuten. Da die Gleichung 7+5=12 aussagt, dass beide Seiten das gleiche bedeuten, kannte man das Urteil also insofern bereits, als dass man es sich logisch herleiten könnte. (Kannte man den Begriff der Zahl Zwölf noch nicht, definiert man durch das Treffen dieses Urteils lediglich die Zahl „12“, ordnet ihr also eine Bedeutung zu. Damit handelt es sich um keine Erkenntnis, sondern eine Festlegung.)

      Eine „synthetische a priori“ Aussage soll z.B. sein: „Ein und dieselbe Fläche kann nicht zugleich grün und rot sein.“ Das Besondere an dieser Aussage soll sein, dass sie etwas über die Welt aussagt, man aber weiß, dass sie wahr ist, ohne etwas von der Welt wahrnehmen zu müssen. Man muss natürlich erst einmal etwas Grünes und Rotes wahrgenommen haben, um die Aussage zu verstehen. Das ist hier jedoch nicht relevant, denn es wird vorausgesetzt, dass man die Bedeutung der Aussage kennt. Die Aussage hat jedoch genau wie eine Tautologie streng genommen keinen neuen Informationswert, denn jeder der die Bedeutungen der einzelnen Wörter kennt, könnte auf die Aussage schließen. Sie beschreibt die Wirklichkeit in dem gleichen Maße wie die Aussage „Unverheiratete Männer sind unverheiratet“. Diese Aussagen können zwar als Beschreibungen der Welt angesehen werden, aber sie enthalten nur den impliziten Informationswert, dass es grüne/rote Flächen und unverheiratete Männer geben kann. Denn wenn es physikalisch unmöglich wäre, dass es unverheiratete Männer gibt, dann würde die Aussage etwas Falsches suggestieren. Denn dass etwas Rotes nicht grün sein kann, ist genauso eine logische Schlussfolgerung, wie dass etwas Rundes nicht quadratisch sein kann (abgesehen davon, dass Subjekte Farben anders wahrnehmen können).

      Eine „synthetische a priori“ Aussage ist also eigentlich eine Aussage, deren Bedeutung wie bei einer Tautologie aus den Einzelbedeutungen hervorgeht, nur dass sie der (sinngemäßen) Art „A ist nicht (ein Teil von) B“ statt „A ist (ein Teil von) A“ ist, wobei beides logische Notwendigkeiten sind. Denn dass unverheiratete Männer unverheiratet sind, steckt im Begriff der unverheirateten Männer drin. Dass etwas Rundes nicht quadratisch sein kann, steckt auch im Begriff des Runden „drin“, denn damit, dass es rund ist, kann es nur rund oder eben ein Teil von rund (Kreisabschnitt) und nichts anderes sein.

      Kontingenz bezeichnet den Status von Tatsachen, deren Bestehen gegeben und weder notwendig noch unmöglich ist. Eine kontingente Aussage wäre also eine nicht-notwendige Wahrheit. Notwendigkeit kann gegeben sein weil unsere intuitive Logik es verlangt, oder weil unsere physikalischen Theorien es verlangen, oder weil es eine praktische Notwendigkeit ist (also mit technischen Fortschritten in Zukunft vielleicht anders), oder weil wir aus anderen Gründen annehmen bzw. festlegen, dass etwas notwendig ist, wie wenn wir A nur A nennen, wenn es die Eigenschaft B hat, wodurch A in diesem Sinne notwendigerweise B hat. Nach logischen Empiristen sind nicht-widersprüchliche (bzw. nicht-logisch-selbst-widersprüchliche) Beschreibungen, welche jedoch unseren (angenommenen) physikalischen Gesetzen widersprechen, in einem schwächeren Sinne unmöglich, als widersprüchliche Beschreibungen, welche logisch unmöglich bzw. eben logisch widersprüchlich sind. Denn es gibt eine Rangordnung von Wahrheit bzw. von