zwanzig und fünfzig, die vor allem durch ein gemeinsames Merkmal auffielen: Sie waren blond.
Der erste dieser Fälle lag fünf Jahre zurück, die letzten drei hatten sich jedoch im Verlauf dieses Jahres ereignet. Dazu kam noch ein Fall aus Lübeck, der einige Ähnlichkeiten mit den Morden des „A24-Monsters“ aufwies und nach Ansicht unserer Experten vom selben Täter begangen worden war, auch wenn der Tatort nicht ins Muster zu passen schien.
Die Jagd nach dem „A24-Monster“ war zu einem Fall geworden, der inzwischen die Öffentlichkeit sehr beschäftigte. Der Druck der Öffentlichkeit hatte bei der Entscheidung, uns vom BKA den Fall zu überlassen, sicherlich auch eine Rolle gespielt. Die letzten drei Morde des „Monsters“ waren innerhalb weniger Wochen begangen worden und so war mancherorts eine regelrechte Hysterie ausgebrochen. Insbesondere natürlich in den kleinen bis mittleren Ortschaften entlang der Autobahn Hamburg-Berlin, auf deren Gemeindegebiet die Morde geschehen waren.
Wir begrüßten Tommy und Leonhard.
Tommy wirkte ziemlich mitgenommen. Der ehemalige Streifenpolizist im Dienst des Landes Berlin unterdrückte mehrfach ein Gähnen.
„Wir hatten gestern bis spät in die Nacht eine Observation“, entschuldigte ihn Leonhard. „Darum sind wir noch ziemlich müde.“
„Aber dieses „A24-Monster“ hat plötzlich Priorität und deswegen hat man uns nun diesem Fall zugeteilt“, ergänzte Tommy Kronberg und seufzte hörbar. „Dass man nicht einfach einen Fall in Ruhe zu Ende machen kann.“
„Ich schätze, da haben wir einfach den falschen Job!“, meinte Rudi.
Tommy hob die Schultern. „Mag sein. Aber Wünsche wird man ja wohl noch äußern dürfen.“
„Nur leider richten sich die Gangster im Allgemeinen nach allem Möglichen – nur nicht nach den Wünschen von Polizei-Beamten“, meinte Leonhard.
„Lasst uns keine Zeit verlieren“, mahnte ich. Es lag mit Sicherheit jede Menge Arbeit rund um den Tatort und in der weiteren Umgebung vor uns.
Einer der Beamten der örtlichen Polizei ein gewisser Herr Markowitz, begrüßte uns und brachte uns zum Einsatzleiter, der gerade in ein Gespräch mit einer Frau vertieft war. Sie war schätzungsweise Anfang dreißig, hatte blondes, leicht gelocktes Haar und strahlend blaue Augen. Ihre Garderobe war schlicht und stilvoll und ließ die aufregende Figur, die sich darunter zweifellos verbarg, erahnen.
„Harry Kubinke, BKA“, stellte ich mich vor und hielt meine ID-Card hoch. „Dies sind meine Kollegen Meier, Kronberg und Morell. Außerdem sind noch die Erkennungsdienstler Sami Oldenburger und Pascal Horster dabei.“
„Das ist gut“, nickte der Einsatzleiter. „In dieser Hinsicht überfordert dieser Fall nämlich unsere Kapazitäten. Mein Name ist übrigens Hans-Peter Fastendonk, ich bin der örtliche Dienstellenleiter.“
„Angenehm“, sagte ich.
Fastendonk deutete auf die Blondine. „Das ist Frau Frederike Glasmacher, früher Polizeipsychologin bei der Hamburger Kripo, jetzt freiberuflich tätig.“
Ich nickte Frederike Glasmacher freundlich zu.
„Freut mich, Sie kennenzulernen.“
„Ganz meinerseits, Kommissar Kubinke.“
„Wenn Sie in den letzten Jahren für die Hamburger Kripo tätig waren, haben Sie wahrscheinlich den Fall des A24-Monsters von Anfang an mit bearbeitet“, vermutete Rudi.
„Das ist richtig. Es war mein erster Fall, an dem ich mitarbeiten durfte, als ich bei der Kripo anfing. Leider einer, der bis heute nicht gelöst ist, was mich ehrlich gesagt auch nie wirklich losgelassen hat.“
„Vielleicht haben wir jetzt die Gelegenheit, den Täter endlich zu überführen“, sagte ich.
„Ich werde jedenfalls mein Bestes dazu tun“, versprach Frederike Glasmacher.
Ein Erkennungsdienstler wandte sich an Fastendonk und wies darauf hin, dass die mit Markierungen abgegrenzten Areale auf keinen Fall betreten werden durften. „Wir haben ein paar Fuß- und Reifenabdrücke“, erklärte er. „Näheres kann ich natürlich noch nicht sagen.“
Fastendonk brachte uns zu der Stelle, an der die Tote aufgefunden worden war. Sie saß aufrecht gegen einen Baum gelehnt.
Der Gerichtsmediziner hatte seine Untersuchungen gerade abgeschlossen.
Es war Dr. Bernd Claus von der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst Berlin.
„Tag, Harry“, begrüßte mich Dr. Claus, mit dem wir schon häufig zusammengearbeitet hatten.
Eigentlich lag der Tatort gar nicht mehr im Zuständigkeitsbereich der Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst. Aber hier auf dem platten Lande besaß man natürlich kein eigenes gerichtsmedizinisches Institut.
„Können Sie schon etwas sagen?“, fragte Rudi.
„Jemand hat sie mit ein paar sehr exakt angesetzten Schnitten so verletzt, dass sie innerhalb einer Viertelstunde vollständig ausgeblutet sein dürfte. Ich kann keinerlei Anzeichen für Gegenwehr erkennen. Und die Schleifspuren auf dem Boden sprechen eine relativ eindeutige Sprache.“
„Sie meinen, sie wurde betäubt“, mischte sich Frederike Glasmacher ein.
Dr. Claus nickte. „Ja, davon würde ich ausgehen. Genaues kann ich natürlich erst nach einer Autopsie sagen. Wir werden auf diesen Punkt besonderen Augenmerk legen.“
Frederike Glasmacher wandte sich an mich. „Das entspricht exakt der Vorgehensweise, die der Kerl bei den bisherigen Taten an den Tag gelegt hat.“
„Sie sind sich bereits sicher, dass es ein Mann ist?“, fragte ich.
„Die meisten Taten dieser Art werden von Männern begangen“, erwiderte sie.
„Es ist noch gar nicht solange her, da hatten wir es in Berlin mit einem weiblichen Serientäter zu tun.“
„Ich habe davon gehört. Der sogenannte ‚Frisör’. Der Fall hat in der Fachpresse einiges Aufsehen erregt. Sie haben an dem Fall gearbeitet?“
„Ja“, nickte ich.
„Dann kennen Sie sicher Dr. Gary Schmitt.“
„Er war unser Profiler...“
„...und mein Dozent in Quantico.“
Ich hob die Augenbrauen. „Sie waren an der FBI-Akademie?“
„Ja.“
„Die USA scheinen ja das Mekka dieser Art von Forschung zu sein.“
„Da haben Sie zweifellos Recht. Man ist uns da meilenweit voraus.“
„Und Dr. Schmitt war Ihr Dozent in Quantico?“
„Ja, genau.“
„Und Sie? Hätte Sie sowas nicht gereizt?“
„Ich habe niemals mit dem Gedanken gespielt, dort zu bleiben – genauso, wie ich eine Bewerbung beim Bundeskriminalamt nie in Erwägung gezogen habe.“
„Warum nicht?
„Ich war im Rahmen einer Fortbildung in Quantico, die ich auf mein Psychologiestudium draufgesetzt habe.“
„Und doch haben Sie sich später bei der Hamburger Kripo anstellen lassen.“
„Wissen Sie, das Erstellen von Täterprofilen hat mich immer interessiert, aber nie so sehr, dass ich nur noch dieser Tätigkeit nachgehen wollte. Ich bin in erster Linie Psychologin geworden, um Menschen zu heilen, nicht um Verbrecher zu überführen.“
„Verstehe.“
„Außerdem habe ich Schwierigkeiten, mich in eine Hierarchie einzuordnen, was die Aufstiegschancen doch ganz erheblich minimiert – gleichgültig ob beim BKA oder der Hamburger