Alfred Bekker

Zwei Alfred Bekker Krimis: Tot und blond / Der Hurenmörder von Berlin


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holte einen Zettel aus seiner Jackentasche, auf dem er sich die Personalien notiert hatte und gab ihn mir.

      Er hieß Michael S. Nollendorfer.

      „Frau Glasmacher hat ihn als Täter gleich ausgeschlossen. Darum haben wir ihn gehen lassen. Er hält sich zu Hause zu unserer Verfügung.“

      „Ich möchte gerne mit ihm sprechen.“

      „Tun Sie das. Aber passen Sie wegen den Hunden auf. So groß wie Kälber sind die und haben Kiefer, mit denen die einem mit Leichtigkeit die Kehle durchbeißen können...“

      Unser Kollege Sami Oldenburger kam auf uns zu. Er hielt einen Lippenstift in der Linken. Um am Tatort nicht selbst Spuren zu hinterlassen, hatte er einen weißen Schutzoverall angelegt und trug die üblichen Latex-Einmalhandschuhe.

      „Harry, ich glaube ich habe hier etwas. Dieser Lippenstift lag ganz in der Nähe der Toten im Gras.“

      „Ich nehme an, dass noch genug Speichel am Stift klebt, um nachweisen zu können, ob er dem Opfer gehörte“, meinte ich.

      Sami nickte. „Das werde wir auf jeden Fall untersuchen. Aber ich will im Moment auf etwas anderes hinaus, Harry. Wir haben keine Handtasche gefunden, aber einen Lippenstift. Wenn es sich wirklich um den Lippenstift des Opfers handelt, dann muss es hier auch eine Handtasche gegeben haben.“

      „Die der Täter mitgenommen hat?“

      „Vielleicht.“

      „Ich glaube kaum, dass es der Täter war, der die Handtasche mitnahm“, mischte sich nun Frederike Glasmacher ein, die sich inzwischen auch zu uns gesellt und Samis Ausführungen offenbar zumindest teilweise mitbekommen hatte.

      Sami drehte sich verwundert zu ihr um. „Passt das nicht in Ihr Profil?“

      „So ist es. Der Täter ist zwar nicht gerade reich, aber immerhin so wohlhabend, dass er nicht auf Diebstähle angewiesen ist. Außerdem hat er sich bei keinem der vorhergehenden Fälle am Eigentum des Opfers vergriffen.“

      „Dann passt dieser Mord vielleicht gar nicht in die Serie“, erklärte nun Dr. Bernd Claus, der seine Arbeit an der Toten beendet hatte. Mit einem Zeichen gab er den beiden bereitstehenden Beamten die Erlaubnis, das Opfer in den vorgesehenen Zinksarg zu legen, in dem es in die Ermittlungsgruppe Erkennungsdienst-Labors in der Berlin überführt werden sollte. „Am Handgelenk der Toten ist nämlich ein Abdruck, der von einer Uhr stammen könnte, die ebenfalls fehlt. Und ein Ring am Ringfinger der linken Hand wurde offenbar verschoben. Der Täter scheint versucht zu haben, ihn dem Opfer wegzunehmen, hat ihn aber offenbar nicht abbekommen und wollte auch wohl nicht noch mehr Gewalt anwenden.“

      „Das Profil passt“, erwiderte Frederike Glasmacher fast etwas trotzig. „Aber wer sagt uns, dass es der Täter war, der die Handtasche und die Uhr hat mitgehen lassen?“

      „Sie denken an den Mann, der die Leiche gefunden hat?“, hakte ich nach.

      Die Psychologin nickte.

      „Wäre doch möglich, oder?“

      „Sicher.“

      „Wenn Sie mit dem Mann sprechen, wäre ich gerne dabei, Kommissar Kubinke.“

      „Ich freue mich, wenn Sie mich begleiten. Aber sagen Sie ruhig Harry zu mir. Wir werden ja schließlich wohl ein nächster Zeit sehr eng zusammenarbeiten.“

      „In Ordnung, Harry.“

      6

      Während der Fahrt zu Nollendorfers Haus, schaltete Rudi den TFT-Bildschirm ein. Über den Bordrechner ging er Online und startete eine Anfrage über das Datenverbundsystem.

      Über Michael S. Nollendorfer gab es dort tatsächlich mehrere Einträge. Illegaler Waffenbesitz, Notwehrexzess, als ein Obdachloser sein Grundstück betreten und Nollendorfer die Hunde auf ihn gehetzt hatte, Diebstahl und Raub. Die Liste der Delikte war recht lang. Allerdings lag die letzte rechtskräftige Verurteilung schon mehr als zehn Jahre zurück. Er hatte also keinerlei Bewährungsauflagen oder dergleichen mehr zu beachten und lebte seitdem offenbar ein ziemlich zurückgezogenes Leben.

      Wir erreichten eine Viertelstunde später das Haus von Michael S. Nollendorfer. Rudi und ich fuhren mit dem Dienst-Porsche voraus. Frederike Glasmacher folgte uns in einem Toyota. Luftlinie waren es kaum vier Kilometer bis zu Nollendorfers Haus, aber wenn man mit dem Wagen dorthin gelangen wollte, musste man einen ziemlich großen Umweg fahren.

      Das Haus war aus Holz und irgendwann sicherlich mal blau angestrichen gewesen. Der Großteil der Fassade blätterte langsam ab.

      Wir hielten mit dem Dienst-Porsche vor der Veranda, deren Dach notdürftig ausgebessert worden war.

      Wir stiegen aus.

      Frederike Glasmacher traf mit ihrem Fahrzeug nur wenige Augenblicke später ein. Sie ging im Storchenschritt durch den tiefen aufgeweichten Boden. „Scheint so, dass mein Schuhwerk nur für eine großstädtische Umgebung taugt“, meinte sie. Ihr Lächeln wirkte etwas gezwungen.

      Insgesamt drei Fahrzeuge befanden sich auf der Veranda-Seite des Hauses.

      „Ich wette, zwei dieser Wagen werden ausgeschlachtet, um den dritten fertig zu machen“, war Rudi überzeugt. Vermutlich hatte er Recht.

      „Herr Nollendorfer?“, rief ich, erhielt aber keine Antwort.

      Ich versuchte es noch einmal und ging auf die Veranda zu.

      Rudi und Frederike Glasmacher folgten mir.

      „Hier spricht Harry Kubinke, Bundeskriminalamt! Meine Kollegen und ich möchten gerne mit Ihnen über Ihre Beobachtungen am Tatort sprechen.“

      Ein knurrender Laut empfing uns.

      Zwei hüfthohe Doggen schnellten blitzschnell durch die offen stehende Tür und blieben an der Treppe der Veranda stehen. Sie verharrten dort, fletschen die Zähne und knurrten uns an.

      Der Besitzer der Hunde erschien wenig später auf der Veranda. Nollendorfer war breitschultrig und hatte schulterlanges, verfilztes, blondes Haar. Der Vollbart bedeckte beinahe das gesamte Gesicht und hatte einen deutlichen Rotstich.

      Sommersprossen kennzeichneten seine Nase und die Stirn. Letztere wurde außerdem noch von ein paar tiefen Furchen durchzogen.

      „Wer sind Sie?“, fragte er.

      „Kriminalhauptkommissar Harry Kubinke, BKA!“, sagte ich und zog meine ID-Card. „Wir müssen mit Ihnen sprechen.“

      „Geht es um die Tote?“

      „Zunächst mal würde ich vorschlagen, dass Sie Ihre Hunde irgendwo einsperren.“

      „Die Hunde tun niemandem etwas, es sei denn ich sage es ihnen.“ Nollendorfer trat zwischen die beiden Doggen und kraulte einen von ihnen den Nacken. „Wissen Sie was? Reden Sie einfach! Ich höre zu.“

      Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi.

      Falls Nollendorfer auf den Gedanken kam, seinen Hunden den Befehl zum Angriff zu geben, hatten wir vermutlich immer noch die Chance, rechtzeitig unsere Dienstwaffe zu ziehen und beide Tiere zu erschießen.

      Aber andererseits konnten