Frank Callahan

Der Marshal kommt: Goldene Western Sammelband 12 Romane


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      „Einer bewacht ihn immer. Für heute wird der Boss die Nase voll haben, schätze ich. Der ihn in der kommenden Nacht bewacht, könnte ihn entwischen lassen.“

      „Und?“

      „Er wird fortreiten, so wie Andy geritten ist. Der Rancher wird toben, aber es passiert nichts, weil nichts mehr passieren kann.“

      Der andere stößt seinen Spaten wieder in den Boden und schielt zu den Toten.

      „Vielleicht ist das wirklich ein Weg“, gibt er zu. „Daran habe ich noch nicht gedacht. Aber wer wird es machen?“

      „Die Wache wird vom Boss eingeteilt. Aber einer von uns beiden ist während der Nacht auf jeden Fall drei Stunden lang an der Reihe.“

      „Und wenn wir beide an die Reihe kommen?“

      „Wir können es auslosen.“

      „Wie?“

      Matt bringt eine Kupfermünze aus der Hosentasche.

      „Der Rest von meinem Lohn“, meint er. „Ich könnte nicht fortreiten, weil ich mir in der nächsten Stadt weder ein Steak noch einen Whisky dazu leisten kann. Nimmst du den Indianerkopf und ich die Zahl?“

      „Egal.“

      „Gut. Wer sein Zeichen oben sieht, macht es, wenn wir beide an die Reihe kommen.“

      Matt wirft das Geldstück in die Luft. Es überschlägt sich mehrmals und landet dann mit der Zahl nach oben.

      „Du“, sagt der andere aufatmend.

      „Gut. Vergiss nicht, dass wir es ausgelost haben.“

      „Du brauchst keine Angst zu haben.“

      Ihre Spaten fahren wieder in den Boden und machen die Grube größer.

      „Es ist so dunkel heute“, sagt der Cowboy zu seinem Kameraden und blickt auf die ruhende Herde.

      „Hast du Angst? Drei liegen noch am Feuer. Die Banditen kommen nicht. Sie sind überhaupt verdammt ruhig in letzter Zeit!“

      Schweigend reiten sie weiter. Der eine summt ein Lied, bricht aber immer wieder ab und lauscht in die Nacht hinaus.

      „Hörst du was?“, erkundigt sich der andere.

      „Nein. Du?“

      „Nein.“

      Sie reiten weiter. Aber ihre Blicke schweifen überall suchend umher. Plötzlich halten sie wieder.

      „Hast du jetzt etwas gehört?“

      „Ich glaube. Hinter uns. Dreh dich um.“

      „Das ist nicht nötig“, sagt eine kichernde Stimme. Und dann fallen zwei Schüsse. Die beiden Cowboys werden aus den Sätteln gestoßen, schlagen auf den Boden und drehen sich.

      Männer kommen aus den Büschen. Gewehrläufe stoßen die Gefallenen an und drehen sie.

      „Tot“, sagt eine barsche Stimme.

      Im gleichen Moment sind am Feuer Stimmen und dann Schüsse zu hören.

      Gleich darauf wird es wieder still.

      „Alles klar“, ruft jemand. „Los, hoch mit der Herde!“

      „Nehmt die Pferde mit!“, kommandiert eine andere der schattenhaften Gestalten.

      Bullenpeitschen klatschen. Das Brüllen der Herefords schallt über das Land.

      „Die ganze Herde!“, schreit jemand. „Bis die auf der Ranch das merken, sind wir über die Berge! Hoo!“

      „Verfluchtes Vieh!“, schreit es am Feuer. Ein Pferd bricht durch die Büsche.

      „Lass den Gaul. Hilf uns, zur Hölle!“

      Der Mann reitet durch das Feuer, und die brennenden Holzstücke fliegen überall herum.

      23

      Das Knallen der Peitschen und die Rufe der Banditen sind leiser geworden. Sam Haie dreht sich stöhnend auf den Bauch und will aufstehen. Aber er schafft es nicht.

      Blut läuft über seinen Arm und tropft vom Handgelenk auf die Erde. Auch aus seiner Brust läuft Blut und klebt das Flanellhemd auf der Haut fest. Sam Haie versucht es noch einmal. Diesmal kommt er auf die Beine. Er blickt suchend um sich und friert, als er die erschossenen Männer sieht, die vor wenigen Minuten noch neben ihm schliefen.

      Tappend geht er um das Feuer herum, bis er die beiden Klumpen sieht, die dort liegen, wo die Büsche anfangen.

      Sam Haie weiß, wer dort liegt, obwohl er beide nicht sehen kann. Er friert noch mehr. Suchend hält er nach einem Pferd Ausschau. Aber die Banditen scheinen alles gebrauchen zu können. Nur vergessen haben sie etwas: nachzusehen, ob sie ihre Arbeit vollkommen gemacht haben.

      Sam Haie merkt, wie ihm schwindlig wird. Lange wird er nicht mehr auf den Beinen stehen können.

      Da schlägt ein schwaches Wiehern an seine Ohren. Er wendet sich unsicher um und sucht durch die Dunkelheit. Nirgends ein Pferd. Nur das durchdringende Heulen eines Wolfes in der Ferne.

      Fröstelnd zieht er die Schultern zusammen, und er merkt, dass seine Beine jetzt nachgeben werden. Noch einmal stemmt er sich dagegen, dann kann er nicht mehr. Wie ein schwerer Stein fällt er zu Boden. Er kann den Kopf aber heben, spürt, wie das Blut unaufhaltsam aus seinem Körper rinnt und denkt, dass er verloren ist, wenn es kein Pferd war, das er hörte.

      Da ist es wieder. Das Wiehern scheint durch die Büsche zu dringen.

      Irrt er sich? Oder kommt gar einer der Halunken zurück, um nachzusehen?

      Zweige brechen. Ein schlanker, langer Kopf taucht auf.

      „Rex“, murmelt Sam Haie. „Rex, hier!“

      Aber es ist nicht Rex. Es ist ein Cayuse, wie er nun sieht. Es muss Strothers Pferd sein. Wie hatte er es nur gleich genannt?

      Sam Haie kommt nicht darauf. Dafür sieht er das Tier nun ganz durch die Büsche kommen. Er beißt die Zähne aufeinander, dass ihm die Kiefer schmerzen und versucht, wieder aufzustehen. Es gelingt ihm. Er kommt bis zu dem Pferd, und kann nach der Trense greifen. Sein Blick gleitet zu seinem Sattel.

      Nein, er wird ihn nicht auf den Rücken des Cayusen bringen. Er muss es so versuchen. Schwankend führt er das Pferd bis zu einem großen, bemoosten Feldstein. Auf ihn steigt er, um auf den Rücken des Pferdes gelangen zu können.

      „Lauf“, murmelt er und sinkt auf den seidigen Hals des Tieres.

      Der Hufschlag verklingt. Das Feuer verlöscht. Das Heulen der Wölfe kommt näher, und auch das heisere Krächzen der Geier ist schon zu hören.

      24

      „Hau mir eine auf den Schädel und verschwinde“, sagt Matt. „Mach es so, dass es echt aussieht und dass sie mich finden, ehe ich wieder munter bin.“

      Roger schaut ihn vom Regal her an. Die Petroleumlampe, die Matt mitbrachte, verbreitet fahles, dämmriges Licht.

      „Na los, Roger. Ich will nicht erleben, dass es morgen weitergeht. Es wird nämlich weitergehen! Er gibt nicht nach, und du gibst auch nicht nach. Er hat die Macht, und du wirst tot sein. Weiß der Teufel, was vorher noch alles passiert.“

      „Wenn ich gehe, könnte es doch passieren, dass ich zurückkomme?“

      „Du wirst froh sein, ihn nicht mehr zu sehen. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich viele Schicksale kenne und studiert habe. Los, mach es kurz!“

      Roger bewegt sich auf ihn zu.

      „Da hast du meinen Colt. Du nimmst ihn ja sowieso.“

      Roger greift nach der Waffe.