Frank Callahan

Der Marshal kommt: Goldene Western Sammelband 12 Romane


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haben wir dich ja“, knurrt er zufrieden. „Und wir hatten schon geglaubt, uns die Nacht um die Ohren schlagen zu müssen. Aber nun können wir am Abend zurück sein.“

      Rogers Hand tastet vorsichtig nach dem Colt. Er ist noch da.

      „Was wollt ihr von mir?“, fragt er.

      „Weißt du das nicht? Wir haben die Toten etwas früher gefunden, als du sicher erwartet hast. Komm, mein Junge, mach uns keine Umstände! Du bekommst eine faire Verhandlung.“

      Roger erinnert sich, schon einmal genau das gleiche in Collins gehört zu haben. Aber damals betraf es Andy.

      „Ich verstehe nicht“, sagt er unsicher. „Was soll das heißen?“

      Mehrere der Männer haben ihre Gewehre aus den Sattelfutteralen gezogen und die Mündungen auf ihn gerichtet.

      „Heb die Hände schön ruhig über den Kopf, Keefe!“, murrt der Sattler Harlin. „Wir wollen dich verhaften und nach Collins zurückbringen. Nun weißt du es ganz genau!“

      „Warum?“

      „Weil du zwei Männer ermordet hast. Weißt du nun, wie schnell manche Dinge bekannt werden?“

      „Ich verstehe nicht.“

      „Wie unschuldig“, murmelt einer. „Machen wir es kurz!“

      Fünf Männer steigen ab und umringen Roger. Er weiß, dass irgend etwas wie eine Lawine auf ihn zukommt und ihn unter sich begraben wird, wenn er nicht jetzt handelt. Er springt vorwärts, rammt dem einen die Faust in den Leib und will sich auf eines der Pferde schwingen.

      Aber jemand packt sein Bein und dreht es mit solcher Gewalt, dass er einen Schrei ausstößt und zu Boden fällt.

      Neben ihm trommeln die Hufe des Pferdes auf den Boden. Vielleicht hat er es mit dem Spornrad gestreift. Ein Körper prallt auf seinen Rücken und ein Schlag trifft sein Genick.

      Sein Gesicht wird hart ins Gras gestoßen. Ein wilder Schmerz durchzuckt seine Nase. Er will sich befreien, aber der Druck verstärkt sich. Es müssen mindestens drei sein, die ihn halten.

      „Ein Lasso!“, ruft eine barsche Stimme. „Mit dem werden wir schon einig.“

      Roger gibt seinen Widerstand auf. Auch wenn sie an sich Feiglinge sind. Die Übermacht gibt ihnen Stärke.

      Er wird hochgerissen und mit einem ganzen Lasso zu einem Paket verschnürt.

      „Hast du sein Pferd?“, fragt der Schreiner und blickt in eine Richtung, aus der sich Schritte nähern.

      „Ja.“

      „Dann hinauf mit ihm.“

      Roger wird hochgehoben. Er sieht sein Pferd vor sich, auf das ein Mann den Sattel legt. Dann werfen sie ihn darauf, und er spürt den dumpfen Druck des Sattelhorns im Magen und muss daran denken, dass sie alle irgendwie gleich sind und immer wieder dasselbe machen — einer wie der andere.

      „Vorwärts!“, kommandiert der Schreiner. „Was ist, Washburn?“

      Der Bankier hüstelt gekonnt.

      „Ich wollte nur bemerken, dass man einen Gefangenen anders behandelt.“

      „Er hat Widerstand geleistet.“

      „Jetzt kann er das aber nicht mehr, Gents.“

      „Wir wollen mit einem Mörder besser nicht zu viel Tamtam machen“, schnaubt der Schreiner. „Vorwärts, Leute!“

      Der Trupp setzt sich in Bewegung. Roger sieht das Gras unter sich vorbeigleiten.

      Es wird langsam dunkel, als sie die Stadt erreichen. Sie halten vor dem Office des ermordeten Marshals.

      Roger wird auf die Beine gestellt. Rund um sich sieht er seine Bezwinger und dahinter die neugierigen Gesichter der Frauen, Kinder und Greise.

      „Da habt ihr ihn also“, sagt eine Stimme von irgendwo. Niemand antwortet ihr.

      „Ins Jail!“, kommandiert der Schreiner. „Wenn niemand etwas dagegen hat, übernehme ich kommissarisch das Amt des Marshals.“

      Niemand erhebt Einwände.

      Roger denkt, dass der Mann plötzlich sehr stark ist. Und da hört er jemanden sagen:

      „Eigentlich hat Berton Keefe den Tod tausendfach verdient. Aber dass er von seinem Sohn umgebracht wird, ist doch stark. Gerade ihm hatten wir es nicht zugetraut.“

      Roger will sich umwenden, kann es aber nicht. Er würde fallen, wenn sie ihn loslassen.

      „Was?“, fragt er. „Was ist los?“

      „Ins Jail!“, meldet sich der Schreiner wieder.

      Fäuste stoßen Roger vorwärts. Er wird die kurze Treppe hinauf gewuchtet und wieder auf die Füße gestellt. Sie schieben ihn durch das verlassene, muffig riechende Office und in die Zelle, die etwa ein Drittel des Raumes einnimmt. Die Fesseln fallen von ihm ab.

      Mit einem Knall wird die Gittertür zu geschmettert, und der Schreiner grinst, als er den langen Schlüssel abzieht und zurücktritt.

      Roger wendet sich ab, geht zu der einfachen Pritsche in der Ecke und setzt sich darauf.

      „Gut, Leute. Ihr könnt nun gehen. In einer Stunde beraten wir im Saloon, was zu geschehen hat.“

      Die Männer verschwinden. Hinter dem letzten fällt die Tür zu.

      Der kleine, fast unscheinbare Schreiner setzt sich in den Armstuhl hinter dem Schreibtisch, den Marshal Darcan mit seinen mexikanischen Sporen bearbeitet hat.

      „Hör mir genau zu, Keefe“, murmelt er, ohne seinen Gefangenen anzusehen. „Wir wissen, was in dir vorgegangen ist. Du und dein Vater, ihr seid wie zwei Schuhe gewesen, die niemals zusammengehören können. Es ist für uns alle am einfachsten, wenn du ein Geständnis ablegst.“

      „Was für ein Geständnis?“

      „Nun, dass du von Tom Pegg aus auf dem Weg zurückgeritten bist, den du kamst. Und zwar deshalb, weil du gewusst hast, dass dein Vater dir nachkommen würde. Du hast dann hinter einem Busch gewartet und zweimal geschossen. Alles einfach und logisch.“

      Roger blickt gegen die kahle Wand. Es gibt also keinen Zweifel mehr. Sein Vater ist erschossen worden.

      Und er soll es gewesen sein.

      „Es kommt außer dir niemand in Frage“, redet der Schreiner weiter. „Das leuchtet dir hoffentlich auch ein.“

      Roger denkt plötzlich an Pegg, der mit der Waffe in der Hand wartete. Aber dann fällt ihm ein, dass Pegg zu den Leuten wahrscheinlich gesagt hätte: „Da habt ihr ihn. Ich habe ihn erschossen, weil er ein Schwein ist!“ Ja, das hätte der Siedler vermutlich gesagt.

      Aber wer weiß es genau?

      „Die Schüsse sind bis zu Peggs Haus gehört worden“, fährt der Schreiner fort. „Pegg fand die beiden Toten. Und so erfuhren wir es früher, als du angenommen hast. Dein Pech.“

      Pegg hat ihn also gefunden, denkt Roger. Ausgerechnet Pegg. Er versucht sich vorzustellen, wie alles wirklich gewesen sein könnte.

      „Jede Ausrede kannst du dir sparen“, dringt die Stimme des Schreiners wieder in sein Bewusstsein. „Hättest du den Mord nicht begangen, hättest du drei Stunden früher in der Stadt sein müssen. — Willst du jetzt ein Geständnis ablegen?“

      Roger steht auf. Er tritt ans Gitter und krampft die Finger um die rostigen Stäbe.

      Er hat den Mund offen, um etwas zu sagen, schließt ihn aber wieder, weil er sieht, dass jedes Wort, das er sagt, von diesem Mann abprallen wird. Vielleicht will der Schreiner weiter nichts, als alle Keefes endlich los sein. Aber konnte er ihn nicht reiten lassen?

      Hat